Das rus­sische Fern­sehen über kri­mi­nelle Politiker

In den west­lichen Medien lesen wir immer von der Kor­ruption in Russland, aber nie, dass dafür auch hohe Poli­tiker bestraft werden. Am Sonntag berichtete das rus­sische Fern­sehen über einen aktu­ellen Fall. 

Die Kor­ruption ist ein großes Problem in Russland und sie ist schwer zu bekämpfen. Aber sie wird bekämpft und immer wieder werden wichtige Men­schen des­wegen ver­ur­teilt. Nun traf es einen ehe­ma­ligen Finanz­mi­nister, der sich auf Kosten des Staats­haus­haltes um 14 Mil­li­arden Rubel (zum dama­ligen Kurs ca. 350 Mil­lionen Euro) berei­chert hatte.

Dass Poli­tiker für ihre Taten, die den Steu­er­zahler Mil­lionen oder sogar Mil­li­arden kosten, auch mal bestraft würden, würde man sich auch für Deutschland wün­schen, wenn man an all die Bera­ter­af­fären denkt, die derzeit in Berlin Schlag­zeilen machen, bei denen am Ende aber niemand hinter Gitter muss, obwohl Vet­tern­wirt­schaft und Ver­tu­schungen offen zu sehen sind.

In der Sendung „Nach­richten der Woche“ hat sich das rus­sische Fern­sehen diesen dreisten Fall aus Russland ange­schaut und ich habe den Beitrag übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Ein Jahr Gefängnis für jede gestohlene Mil­liarde Rubel. Ins­gesamt 14 Jahre Haft. Das ist das Urteil des Mos­kauer Bezirks­ge­richts gegen den ehe­ma­ligen Finanz­mi­nister der Region Moskau, Alexej Kus­nezow. Zuvor war die Frau des Kor­rup­tionärs, Zhanna Bullock, zu 11 Jahren Haft ver­ur­teilt worden, aller­dings in Abwe­senheit. Das Paar hat die kri­mi­nellen Plänen zusammen aus­ge­heckt, zusammen Geld aus dem staat­lichen Haushalt in Off­shore-Firmen gebracht, „gewa­schen“ und dann zusammen aus­ge­geben. Dann trennten sich ihre Wege. Die hin­ter­hältige Blondine aus einer kleinen weiß­rus­si­schen Stadt schaffte es, sich von Kus­nezow scheiden zu lassen, hat wieder gehei­ratet und führt ein luxu­riöses Leben in New York.

Die Sym­phonie des Säge­werkes lässt die Zeit in Haft schneller ver­gehen. Wer arbeitet, der kommt früher wieder raus. Es wird auch an Näh­ma­schienen gear­beitet, es gibt für nie­manden Pri­vi­legien im Gefängnis. Alle eint hier eines, sie wurden ver­ur­teilt. Im Spei­sesaal wird ange­treten. Raus­treten nur nach Aufruf. Spa­zier­gänge finden unter Bewa­chung statt. Kein benei­dens­wertes Leben im Gefängnis. Sie haben es sich nicht aus­ge­sucht, sie wurden dazu verurteilt.

Es herr­schen 12 Minuten Stille im Gerichtssaal, während der Richter das Urteil ver­liest. Monoton und emo­ti­onslos, um diesem Fall ein Ende zu setzen. Es ist nicht die Art von Finale, die Kus­nezow sich erträumt hat. Er hatte alles: Geld, Macht und eine schöne Frau. Er holte sie aus Amerika, wo die Ein­wan­derin aus der weiß­rus­si­schen Stadt Kobryn, Zhanna Bullock, Kar­toffeln in einem Gemü­se­laden sor­tierte. Damit es besser klang, nahm sie den Hol­lywood-Nach­namen Bullock an und kehrte als Frau eines Mos­kauer Ministers nach Russland zurück.

Zhanna kaufte attraktive Grund­stücke, baute Villen, Geschäfts­zentren und Sport­an­lagen. Finanz­mi­nister Alexej Kus­nezow half mit staat­lichen Inves­ti­tionen. Von den Mil­li­ar­den­ge­winnen der Pro­jekte seiner Frau kauften sie ihre Villa.

„Zwei­fellos braucht man, um ein so großes Unter­nehmen zu führen, eines der größten Unter­nehmen in der Region Moskau, behörd­liche Unter­stützung“, sagte Kus­nezow im Interview. Aber diese Pro­jekte waren nur ein Vorwand, um öffent­liche Gelder zu „waschen“.

Das Business Center „Zwei Kapitäne“ in Kras­no­gorsk ist immer noch im Bau. Der Bau des Hoch­hauses in Stupino ist seit 15 Jahren ein­ge­froren. 140 Familien, die in diese Bau­stelle inves­tierten und Woh­nungen in dem Haus kauften, haben alles ver­loren. Mittel aus dem Staats­haushalt, die den Men­schen helfen und den Bau fer­tig­stellen sollten, flossen nach Zypern.

„Das gesamte Geld, das wir zum Bau dieses Hauses bei­gesteuert haben, war unter der Kon­trolle von Finanz­mi­nister Kus­nezow. Bis zu einer gewissen Zeit ging der Bau weiter. Es ist zu 70 Prozent fertig gebaut. Als nicht mehr genug Geld da war, hat Kus­nezov es aus unserem Haus gestohlen“, sagte einer der betro­genen Wohnungsbesitzer.

Kus­nezow und Bullock haben die Staats­kasse raf­fi­niert geplündert. Sie grün­deten Schein­firmen, die Schulden von Ver­sor­gungs­un­ter­nehmen auf­kauften und an Banken weiter ver­kauften und die Region Moskau zwangen, die Schulden zu bezahlen. Allein dieser Trick brachte ihrem Fami­li­en­haushalt mehr als 7 Mil­li­arden Rubel ein.

„Geld, vor allem, gestohlen aus Infra­struk­tur­pro­grammen: Rohr­lei­tungen, Stra­ßenbau, Kin­der­gärten. Zwei­fellos litten Woh­nungsbau und Ver­sor­gungs­un­ter­nehmen, die unter­fi­nan­ziert waren. Dieses Geld steckt in diesen Stühlen, auf denen wir sitzen, in den Gemälden, die nun einem Museum zuge­teilt worden sind, in der Wohnung in Ostoz­henka, in den Ver­mö­gens­werten, die im Ausland sind, die wir immer noch zurück­be­kommen wollen“, sagte Alexei Vyrkov, Erster stell­ver­tre­tender Minister für Eigen­tums­be­zie­hungen der Regierung der Region Moskau.

Wir sind in dem Landhaus, das Zhanna „Kleines Ver­sailles“ nannte. Sie entwarf das Design selbst, wählte Möbel und Samt­ta­peten aus. Sie mochte den Stil von Palästen.

Eine Wen­del­treppe aus Marmor, auf der die Minis­ter­gattin gerne posierte. 2007 drehten west­liche Jour­na­listen eine Episode über das Glück auf der Rub­levka, dem Mos­kauer Rei­chen­viertel. Während sie wichtig die Treppe hin­un­ter­stieg, erzählte Zhanna Bullock von ihrem Weg nach oben. Wie kann man nicht an ihren Erfolg glauben, wenn sie in einem solchen Haus wohnt, wo überall Marmor und Ver­goldung sind?! An den Wänden hingen Gemälde, Meis­ter­werke der welt­weiten Kunst. Und rund­herum waren Anti­qui­täten, die jeden Anti­qui­tä­ten­händler nei­disch werden lassen. Und für das ein­fache Fami­li­en­glück war in jedem Zimmer ein mar­morner Kamin, wo Sie herz­liche Gespräche führen konnten. Aber dann war es vorbei.

Kus­nezow wurde offen­sichtlich recht­zeitig gewarnt. Wenige Tage vor seiner geplanten Ver­haftung 2008 trat er aus der Regio­nal­re­gierung aus und emi­grierte nach Frank­reich. Das Paar hat in Paris auch eine Wohnung. 600 Qua­drat­meter. Fast wie ein Vorstadthaus.

Das Leben eines Aus­länders ist nicht einfach. Es ist nicht einfach, weil sie Ihr Umfeld ver­lieren. Aber das Leben eines Gefan­genen ist noch schwie­riger. Er wurde 2013 auf Ersuchen Russ­lands in Frank­reich fest­ge­nommen. Bullock hatte sich da schon von ihm scheiden lassen. Er über­schrieb ihr das gesamte Eigentum. Gegen Zhanna wurde eben­falls ermittelt, aber sie konnte fliehen.

„Sie war es, die die Anwei­sungen gab, auf welche Konten das gestohlene Geld über­wiesen wurde, weil sie Konten in der Schweiz, Frank­reich und Zypern hatte“, erklärte Alex­ander Filin, ehemals lei­tender Ermittler in besonders wich­tigen Fällen im Ermitt­lungs­ko­mittee der Rus­si­schen Föderation.

Zwei Hotels in Courchevel, Immo­bilien in New York, wohin Bullock nach ihrer Scheidung von Kus­nezow zog. Sie ver­suchte, Anti­qui­täten und eine Sammlung von Gemälden aus Russland in die Ver­ei­nigten Staaten zu schmuggeln, aber die wert­volle Lie­ferung, immerhin fünf Con­tainer, wurde an der Grenze beschlag­nahmt und einem Museum übergeben.

Unter den zwei­tausend Gegen­ständen – Klei­der­bügel, Gar­ten­zwerge, Waffen, meist antike Requi­siten. Das Wert­vollste sind die Gemälde. Aber von 54 Bildern ent­puppte sich jedes dritte als Fäl­schung. „The Kiss Rite“ wurde zuerst als Suri­kovas Werk aus­ge­geben. Aber sie änderten die Unter­schrift und ver­kauften es dem ehe­ma­ligen Minister als Makovsky.

Die Gemälde, die früher die Wände des Kus­nezow-Anwesens schmückten, sind heute im Museum „Neues Jeru­salem“ aus­ge­stellt. Hier sind Makovskys „Mädchen im roten Kopftuch“ und Suri­kovsky „Porträt eines alten Mannes“. In den letzten 10 Jahren ist Alexei Kus­nezow selbst zu einem alten Mann geworden: aus einem viel­ver­spre­chenden Beamten mit Ambi­tionen auf höchste Ämter, wurde er zu einem trau­rigen Gefan­genen. Er gab alles, um nicht hinter Gitter zu kommen, aber er konnte es nicht verhindern.

Er saß in der Haft­an­stalt von Toulon, dann in Lyon, und das letzte Jahr in der „Matrosruhe“ in Moskau. Diese Woh­nungen stehen nicht auf der Liste der Luxus-Immo­bilien von Kus­nezow. Er erhielt sie kos­tenlos, vier Qua­drat­meter pro Person in der Zelle für vier Gefangene. Eine heiße Dusche – hier sagen „sanitäre Behandlung“ – gibt es einmal pro Woche. Einmal täglich gibt es einen Spa­ziergang im Hof.

Kus­nezow musste sich in der Kantine der Haft­an­stalt der Haupt­stadt von seinen Essen in Ster­ne­re­stau­rants ver­ab­schieden. Das Mit­tag­essen wird nicht von Dienern ser­viert, es kommt mit dem Aufzug aus dem ersten Stock in den zweiten und Sträf­linge ver­teilen es. Und gegessen wird nicht von Samm­ler­stücken aus Por­zellan mit sil­bernen Löffeln, sondern von Kunst­stoff-Tellern mit einem Löffel aus Aluminium.

Sie sagen über Kus­nezow: Er ist kein Pro­blemfall. Er spielt Back­gammon, liest Bücher, beschwert sich nicht. Der ehe­malige Mil­li­ardär hatte nicht einmal das Geld für einen Anwalt.

„Menschlich gesehen kann man ihn bedauern. Niemand kam zum Prozess, keine Ver­wandten, keine Freunde. Er war dort völlig allein“, erinnert sich Alexej Wyorkjow, der erste stell­ver­tre­tende Minister für Eigen­tums­ver­hält­nisse der Regierung der Region Moskau.

Die Ex-Frau und zwei Töchter leben in New York. Zhanna hat einen neuen Ehemann – den vierten -, es ist der Kolumnist und PR-Profi Corey Hay. Er ist der­jenige, der Bullock in die ame­ri­ka­nische Welt des Gla­mours und des großen Geldes gebracht hat. In Russland wurde Bullock in Abwe­senheit zu 11 Jahren Haft ver­ur­teilt. Aber Amerika liefert keine Kri­mi­nellen aus.

Ihr Vor­stadthaus, Kus­nezows Woh­nungen auf der Rub­levka und in Ostoz­henka wurden beschlag­nahmt. Die Schweizer Hotels und das Pariser Apartment werden versteigert.

Alexei Kus­nezow wird nicht so bald nach Frank­reich zurück­kehren. Nach der Berufung gegen das Urteil wird er in die Stadt Klintsy in der Region Bryansk gebracht werden. Für jede gestohlene Mil­liarde muss der ehe­malige Mos­kauer Minister ein Jahr sitzen.

Sein neuer Weg führt Alexei Kus­nezow vom kri­mi­nellen Finanzier zum Arbeiter in der Gefäng­nis­werk­statt. Er wird lernen, Holz zu sägen und ein­heit­liche Scheffel zu nähen. Für 11.000 Rubel pro Monat.

Ende der Übersetzung


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“