Demnächst beginnt das US-Manöver Defender 2020. In diesem größten Manöver in Europa seit 25 Jahren trainieren die USA den Krieg gegen Russland und Deutschland ist die wichtigste Drehscheibe.
Das erste, was immer missverständlich über Defender 2020 berichtet wird, ist, dass es sich nicht um ein Nato-Manöver handelt. Es ist ein reines US-Manöver, in dessen Verlauf es allerdings mit einigen Nato-Manövern kombiniert wird.
Das bedeutet, dass die USA — und nicht die Nato — in Europa Krieg spielen werden und zwar auch in Deutschland. In dem Manöver wollen die USA trainieren, eine ganze Division aus den USA über Deutschland an die Ostgrenze der Nato zu verlegen. Wir reden von 20.000 bis 25.000 US-Soldaten, die nach Europa gebracht werden sollen und auch 9.000 US-Soldaten aus Deutschland werden teilnehmen. Dafür will man ca. 20.000 Stück schweres Frachtgut schicken, das meiste davon gepanzerte Fahrzeuge und ähnliches. Insgesamt werden im Laufe des Manövers 37.000 Soldaten eingebunden.
Geübt werden soll dabei in bis zu 19 Nato-Staaten und sogar in Georgien wollen US-Truppen Fallschirmjäger absetzen.
Dieses Manöver direkt an Russlands Grenzen im Baltikum, in Polen und sogar in Georgien wird von Russland natürlich argwöhnisch beobachtet. Es ist schon besorgniserregend genug, dass die Nato laufend an der russischen Grenze Manöver veranstaltet, aber dass es nun auch die USA alleine tun, die dabei ihre Truppen und Waffen in den europäischen Ländern den Krieg gegen Russland üben lassen, muss man in Russland als Provokation ansehen.
Auch Deutschland spielt mit und stellt nicht nur sein Territorium für den Transport von US-Waffen im großen Stil nach Osten zur Verfügung, sondern wird mit der Bundeswehr auch dabei assistieren. Die Bundeswehr teilt dazu mit:
„Host Nation Support ist die Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland. Das geht beispielsweise von der Planung und Genehmigung von Durchfahrten über deutsche Straßen oder Gewässer bis hin zum Bereitstellen von Unterkünften oder Betankungsmöglichkeiten an unseren Standorten. Wenn Unterstützung gefragt ist, beauftragt das Bundesministerium der Verteidigung hiermit die Streitkräftebasis. Dort übernimmt das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr die Aufgabe und koordiniert mit dem Sachgebiet Host Nation Support die angefragten Leistungen über die Landeskommandos.“
Im Klartext heißt das, Deutschland bezahlt für das, was die USA in Deutschland veranstalten.
Man wird also in Deutschland spätestens ab März und dann bis Mai viele US-Truppentransporte in Deutschland sehen können, die durchaus auch zu Verkehrsbehinderungen führen können, auch wenn man den Transport möglichst nachts durchführen will. Wohl auch, damit es den Deutschen nicht so ins Auge springt.
Wie gesagt ist es ein reines US-Manöver, an dessen Kosten sich aber natürlich zwangsläufig die europäischen Vasallen beteiligen, denn zum Beispiel Deutschland wird kaum für Schäden, die dabei möglicherweise an deutscher Infrastruktur entstehen eine Rechnung schreiben und auch nicht für den Aufwand, den die Bundeswehr wegen dem Manöver betreiben muss.
Trotzdem hat Defender 2020 aber auch eine Nato-Anbindung, denn parallel finden einige Nato-Übungen statt, die mit Defender koordiniert werden: Astral Knight; Allied Spirit XI; Dynamic Front; Joint Warfighting Assessment; Saber Strike; Swift Response; Trojan Footprint.
Nicht bei allen dieser Nato-Manöver werden auch Soldaten im Feld trainieren, einige, wie zum Beispiel das Joint Warfighting Assessment, sind auch reine Simulationen am grünen Tisch, die aber in Defender 2020 eingebunden sind.
Andere hingegen sind jedoch aktive „Kriegsspiele“, wie zum Beispiel Astral Knight für die Luftwaffen. Trojan Footprint ist ein jährliches Manöver für Spezialeinheiten, das in mehreren osteuropäischen Staaten stattfindet. Saber Strike ist ein jährliches Manöver, bei dem die Nato im Baltikum und in Polen auf Übungsplätzen den Krieg gegen Russland trainiert. Auch für Allied Spirit werden jedes Jahr US-Truppen nach Europa geholt, um mit anderen Nato-Staaten den Krieg zu üben.
Da all diese Manöver parallel zu Defender 2020 ablaufen und zwar auch noch in den gleichen Ländern, kann man davon ausgehen, dass diese Manöver so geplant sind, dass man das gesamte Zusammenspiel trainieren will.
Interessant finde ich, dass die Medien nie darauf hinweisen, dass es ein rein amerikanisches Manöver in Europa ist. Sie lügen zwar nicht direkt, aber in allen Artikeln wird der Eindruck erweckt, es wäre ein Nato-Manöver. Dass es ein rein amerikanisches Manöver ist, dessen Kosten zum großen Teil die Europäer als „Gastgeber“ zu bezahlen haben, sagte ausgerechnet eine Sprecherin der Bundesregierung sehr deutlich. Ein Journalist hatte im Dezember gefragt, wie sich das Manöver in Sachen CO2 auswirkt und ob es Kompensationsmaßnahmen wegen des CO2 Ausstoßes des Manövers geben werde. Die Antwort war:
„Ich bitte Sie, sich an die Amerikaner zu wenden, denn das ist ein Manöver der amerikanischen Streitkräfte.“
Die Medien werden das kaum so deutlich verkünden, denn dann würden sicher viele Deutsche fragen, warum die USA in Europa Krieg gegen Russland üben, dabei Deutschland als logistisches Drehkreuz benutzen und die Bundeswehr ihnen auch noch kostenlos assistiert.
Deutschland zahlt viele Millionen, wahrscheinlich sogar Milliarden, jedes Jahr für die US-Truppen in Deutschland und auch für solche US-Manöver. Aber in Deutschland gibt es keine Möglichkeit, diese Zahlen zusammenzurechnen, da sie geschickt auf so viele Posten verteilt sind, dass die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Bundestag offiziell geantwortet hat, nicht zu wissen, wie viel Deutschland den USA jedes Jahr für ihre Truppen in Deutschland bezahlt.
Als Präsident Trump im März letzten Jahres gefordert hat, Länder wie Deutschland, die US-Truppen bei sich „beherbergen“, sollten die vollen Kosten dafür bezahlen, „plus 50 Prozent für die Ehre, sie bei sich beherbergen zu dürfen„, wurde darüber in den deutschen „Qualitätsmedien“ nicht berichtet. Dabei war das keine Spinnerei von Trump, das meinen die USA ganz ernst.
Im Gegensatz zu Deutschland laufen diese Zahlungen in Japan und Südkorea transparent ab. Aktuell zahlt Japan den USA 1,8 Milliarden jährlich und Südkorea 900 Millionen jährlich als Kostenerstattung für die Stationierung von US-Truppen in ihren Ländern. Und diese Summen sollen massiv erhöht werden, die USA fordern eine bis zu fünffache Erhöhung, kein Scherz. Zwar werden die USA das kaum so durchdrücken können, aber schon diese Forderungen haben dazu geführt, dass Südkorea sich eine Aufstockung der Zahlungen an die USA um 30 Prozent angeboten hat. Nicht als endgültiges Angebot, sondern als Verhandlungsbasis.
Das sind keine Ausnahmen, auch Saudi-Arabien bezahlt den USA eine Milliarde pro Jahr, aufgeteilt auf zwei Zahlungen zu je 500 Millionen, für die Ehre, US-Soldaten bei sich zu haben.
In Deutschland ist die Situation jedoch schwieriger. Die Deutschen waren mit ihrem Status als besetztes Land sehr unglücklich und Westdeutschland hat in den ersten Jahren nach dem Krieg auch die Kosten der US-Truppen als „Besatzungskosten“ an die USA bezahlt. Da das unpopulär wurde, wurden die Verträge geändert, das böse Wort „Besatzung“ wurde gestrichen und die Kosten eben auf eine Vielzahl an Behörden verteilt, sodass selbst die Bundesregierung heute auf Nachfrage behauptet, die Gesamtsumme, die Deutschland den USA für die Truppenstationierung insgesamt bezahlt, gar nicht zu kennen.
Aber da die USA diese Kosten allen Ländern in Rechnung stellen, wäre es naiv zu glauben, Deutschland müsste dafür nichts bezahlen. Nur wird es in Deutschland eben sehr gut verschleiert und nur bei solchen Manövern wie Defender 2020 wird es sichtbar, wenn man aufmerksam hinschaut.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“