Die USA haben ein Gesetz in Arbeit, das schwere Sanktionen gegen die Türkei vorsieht. Die Türkei droht mit drastischen Gegenmaßnahmen. Eskaliert der Streit?
Der Streit zwischen den USA und der Türkei hat inzwischen viele Gründe. Da ist zunächst einmal die Tatsache, dass die USA der Türkei keine Flugabwehrraketen verkaufen wollten, woraufhin Ankara in Russland die hochmodernen S‑400-Systeme gekauft hat. Das alarmiert die USA, weil sie fürchten, dass Russland darüber den Tarnkappenjäger F‑35, der in der Türkei stationiert ist, analysieren kann. Wenn Russland in der Lage ist, dessen Tarnung zu durchschauen, wird das modernste US-Kampfflugzeug zu einer Nullnummer, denn bei der Konstruktion wurde der Tarnung alles untergeordnet. Die Flugeigenschaften, Bombenlast und alle anderen technischen Daten sind russischen Jets weit unterlegen.
Die USA haben die Türkei deswegen schon aus dem F‑35-Programm geworfen und weigern sich, der Türkei die modernen Flieger zu liefern. Auch weitere Sanktionen gegen die Türkei sind in den USA diskutiert worden.
Der zweite Streitpunkt ist der Einmarsch der Türkei in Syrien, wo sich deswegen die USA zurückziehen mussten.
In den USA wurde im zuständigen Komitee des Senats nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, das konkrete Sanktionen gegen die Türkei vorsieht. Wegen der Aktivitäten in Syrien sollen vor allem Sanktionen gegen Privatpersonen verhängt werden, die mit dem Einmarsch der Türkei zu tun haben.
Bei der Frage der S‑400 wird es jedoch härter. Das Gesetz sieht unter anderem Sanktionen gegen Firmen vor, die an dem Geschäft beteiligt, darunter auch Banken, die die Zahlungen abgewickelt haben. Das wäre ein schwerer Schlag gegen die Türkei und ihren Finanzsektor.
Erdogan ist aber keiner, den man mit solchen Drohungen einschüchtern kann. Die Türkei hat nun gedroht, auf die Sanktionen zu reagieren. Dabei wurde unter anderem mitgeteilt, die Türkei könnte dann die US-Soldaten des Landes verweisen. Das ist eine sehr harte Drohung, denn der türkische Luftwaffenstützpunkt Incirlik ist für alle Einsätze der USA im Nahen Osten strategisch extrem wichtig. Außerdem stehen in der Türkei Elemente der strategischen Raketenabwehr der Nato und die Türkei drohte damit, diese ebenfalls auszuweisen.
Das würde einen ernsthaften Riss in der Nato bedeuten und die Türkei ist für die USA strategisch extrem wichtig, denn sie liegt sowohl für den Nahen Osten strategisch günstig, als auch gegen Russland. Von der Durchfahrt aus dem Mittelmeer ins Schwarze Meer, die von der Türkei kontrolliert wird, gar nicht zu reden. In Washington haben alle Alarmglocken geklingelt.
Das zeigt eine Äußerung des US-Verteidigungsministers, der am 11. Dezember sagte:
„Meiner Meinung nach besteht der wichtigste Weg, Russland im Einklang mit unserer nationalen Verteidigungsstrategie zu konfrontieren, darin, über unsere NATO-Verbündeten zu handeln (…) Was Syrien und die Türkei betrifft, so bin ich sehr besorgt über die Beziehungen der Türkei zu Russland. Es ist beunruhigend, dass die Türkei aus dem NATO-Orbit ausbricht. (…) Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, wie wir sie zurückbekommen, sie näher an die NATO heranführen können, denn ich glaube, dass sie seit 70 Jahren ein wichtiger Partner ist.“
Es ist wirklich beeindruckend, wie die führenden Leute in den USA zu denken scheinen. Dass man einen „Partner“ am besten mit partnerschaftlichem Verhalten zurückgewinnt, scheint man in Washington nicht zu wissen. Dort setzt man voll und ganz auf Druck und Erpressung. Die USA zeigen ganz offen, dass sie ihre „Verbündeten“ nicht als Partner ansehen, sondern als Vasallen, die zu bezahlen und zu gehorchen haben. Das konnte man gerade deutlich in Asien sehen, wo die USA von Südkorea und Japan eine Erhöhung der Zahlungen für die Stationierung der US-Truppen in den Ländern um das fünffache fordern. Aber man sieht es auch daran, dass die USA nun auch Sanktionen gegen deutsche Firmen vorbereiten, die an Nord-Stream 2 beteiligt sind.
Aber Erdogan wird sich kaum umstimmen lassen, denn er macht die CIA für den Putschversuch gegen ihn im Jahre 2016 verantwortlich und er wird sich kaum in die Hände derer begeben, von denen er glaubt, dass sie ihn vor drei Jahren lynchen lassen wollten. Wenn Sie sich für Details dazu und zu dem Verhältnis zwischen Erdogan und Putin interessieren, dann lesen dazu hier eine Analyse.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“