Recep Tayyip Erdoğan Resmî Flickr Hesabı - CC0 1.0

USA vs. Türkei — Der tiefe Riss in der Nato

Die USA haben ein Gesetz in Arbeit, das schwere Sank­tionen gegen die Türkei vor­sieht. Die Türkei droht mit dras­ti­schen Gegen­maß­nahmen. Eska­liert der Streit?

Der Streit zwi­schen den USA und der Türkei hat inzwi­schen viele Gründe. Da ist zunächst einmal die Tat­sache, dass die USA der Türkei keine Flug­ab­wehr­ra­keten ver­kaufen wollten, wor­aufhin Ankara in Russland die hoch­mo­dernen S‑400-Systeme gekauft hat. Das alar­miert die USA, weil sie fürchten, dass Russland darüber den Tarn­kap­pen­jäger F‑35, der in der Türkei sta­tio­niert ist, ana­ly­sieren kann. Wenn Russland in der Lage ist, dessen Tarnung zu durch­schauen, wird das modernste US-Kampf­flugzeug zu einer Null­nummer, denn bei der Kon­struktion wurde der Tarnung alles unter­ge­ordnet. Die Flug­ei­gen­schaften, Bom­benlast und alle anderen tech­ni­schen Daten sind rus­si­schen Jets weit unterlegen.

Die USA haben die Türkei des­wegen schon aus dem F‑35-Pro­gramm geworfen und weigern sich, der Türkei die modernen Flieger zu liefern. Auch weitere Sank­tionen gegen die Türkei sind in den USA dis­ku­tiert worden.

Der zweite Streit­punkt ist der Ein­marsch der Türkei in Syrien, wo sich des­wegen die USA zurück­ziehen mussten.

In den USA wurde im zustän­digen Komitee des Senats nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, das kon­krete Sank­tionen gegen die Türkei vor­sieht. Wegen der Akti­vi­täten in Syrien sollen vor allem Sank­tionen gegen Pri­vat­per­sonen ver­hängt werden, die mit dem Ein­marsch der Türkei zu tun haben.

Bei der Frage der S‑400 wird es jedoch härter. Das Gesetz sieht unter anderem Sank­tionen gegen Firmen vor, die an dem Geschäft beteiligt, dar­unter auch Banken, die die Zah­lungen abge­wi­ckelt haben. Das wäre ein schwerer Schlag gegen die Türkei und ihren Finanzsektor.

Erdogan ist aber keiner, den man mit solchen Dro­hungen ein­schüchtern kann. Die Türkei hat nun gedroht, auf die Sank­tionen zu reagieren. Dabei wurde unter anderem mit­ge­teilt, die Türkei könnte dann die US-Sol­daten des Landes ver­weisen. Das ist eine sehr harte Drohung, denn der tür­kische Luft­waf­fen­stütz­punkt Incirlik ist für alle Ein­sätze der USA im Nahen Osten stra­te­gisch extrem wichtig. Außerdem stehen in der Türkei Ele­mente der stra­te­gi­schen Rake­ten­abwehr der Nato und die Türkei drohte damit, diese eben­falls auszuweisen.

Das würde einen ernst­haften Riss in der Nato bedeuten und die Türkei ist für die USA stra­te­gisch extrem wichtig, denn sie liegt sowohl für den Nahen Osten stra­te­gisch günstig, als auch gegen Russland. Von der Durch­fahrt aus dem Mit­telmeer ins Schwarze Meer, die von der Türkei kon­trol­liert wird, gar nicht zu reden. In Washington haben alle Alarm­glocken geklingelt.

Das zeigt eine Äußerung des US-Ver­tei­di­gungs­mi­nisters, der am 11. Dezember sagte:

„Meiner Meinung nach besteht der wich­tigste Weg, Russland im Ein­klang mit unserer natio­nalen Ver­tei­di­gungs­stra­tegie zu kon­fron­tieren, darin, über unsere NATO-Ver­bün­deten zu handeln (…) Was Syrien und die Türkei betrifft, so bin ich sehr besorgt über die Bezie­hungen der Türkei zu Russland. Es ist beun­ru­higend, dass die Türkei aus dem NATO-Orbit aus­bricht. (…) Unsere Aufgabe ist es, her­aus­zu­finden, wie wir sie zurück­be­kommen, sie näher an die NATO her­an­führen können, denn ich glaube, dass sie seit 70 Jahren ein wich­tiger Partner ist.“

Es ist wirklich beein­dru­ckend, wie die füh­renden Leute in den USA zu denken scheinen. Dass man einen „Partner“ am besten mit part­ner­schaft­lichem Ver­halten zurück­ge­winnt, scheint man in Washington nicht zu wissen. Dort setzt man voll und ganz auf Druck und Erpressung. Die USA zeigen ganz offen, dass sie ihre „Ver­bün­deten“ nicht als Partner ansehen, sondern als Vasallen, die zu bezahlen und zu gehorchen haben. Das konnte man gerade deutlich in Asien sehen, wo die USA von Süd­korea und Japan eine Erhöhung der Zah­lungen für die Sta­tio­nierung der US-Truppen in den Ländern um das fünf­fache fordern. Aber man sieht es auch daran, dass die USA nun auch Sank­tionen gegen deutsche Firmen vor­be­reiten, die an Nord-Stream 2 beteiligt sind.

Aber Erdogan wird sich kaum umstimmen lassen, denn er macht die CIA für den Putsch­versuch gegen ihn im Jahre 2016 ver­ant­wortlich und er wird sich kaum in die Hände derer begeben, von denen er glaubt, dass sie ihn vor drei Jahren lynchen lassen wollten. Wenn Sie sich für Details dazu und zu dem Ver­hältnis zwi­schen Erdogan und Putin inter­es­sieren, dann lesen dazu hier eine Analyse.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“