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Ver­nunft versus Emotion: Aus einer Zeit jen­seits der Ratio (+Videos)

Lange gepflegte Abneigung

Strö­mungen, die vor wenigen Jahr­zehnten noch ver­gleichs­weise hilflos als Wer­te­wandel ein­ge­ordnet worden waren, haben in den letzten Jahren auf atem­be­rau­bende, ja unheim­liche Weise an Fahrt auf­ge­nommen. Hatte früher die Real­po­litik als Scharnier zwi­schen dem Wün­schens­werten und dem Mög­lichen domi­niert, wurde diese Bastion der Ver­nunft längst geschleift. Am deut­lichsten war dieser Wer­te­wandel wohl in der wach­senden Abneigung gegenüber Wirt­schaft, wirt­schaft­lichen Themen und der Funk­ti­ons­weise des Marktes zu beob­achten. Geld­ver­mehren oder gar Spe­ku­lation gelten inzwi­schen als das ulti­mativ Böse. Aller­dings hatten selbst gewöhn­liche Markt­pro­zesse und das Unter­neh­mertum an sich beim soge­nannten Bil­dungs­bür­gertum schon immer einen schweren Stand im Lande. Manch einer konnte die Zusam­men­hänge nicht ver­stehen, aber es wurde zunehmend schick, sie gar nicht erst ver­stehen zu wollen. Der soge­nannte Wer­te­wandel war daher nicht ganz die ergeb­nis­offene Grass-Roots-Bewegung von Sinn­su­chern, als die er gerne beschrieben wurde. Besonders in der Rück­schau werden die starken kul­tur­mar­xis­ti­schen Ein­flüsse deutlich. Wer die Köpfe gewinnen will, aber die schlech­teren Ideen hat, der muss fast zwangs­läufig im Gefüh­ligen und Unbe­stimmten bleiben. Mit dem sicht­baren Rückzug der Bil­dungs­bürger ist die Markt­feind­lichkeit sogar noch aggres­siver und dif­fuser geworden. Die Geister, die die Cham­pagner-Sozia­listen einst riefen, sind längst in noch gro­tes­keren Erschei­nungs­formen ange­kommen – etwa als Big-Mac-fres­sende Globalisierungsgegner.

(von Ralph Malisch)

Psy­cho­hy­giene der Erfolglosen

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Die Abneigung gegen den Kapi­ta­lismus dürfte sich im Wesent­lichen aus zwei Quellen speisen: Zum einen war und ist der Neid ein Meister in Deutschland. Wer erfolg­reich wirt­schaftet – und das sind bei­leibe nicht alle, die sich als Unter­nehmer ver­suchen und dabei ein hohes per­sön­liches Risiko des Schei­terns auf sich nehmen –, ist den weniger Erfolg­reichen schon ganz grund­sätzlich suspekt. Daneben ist es höchst prak­tisch für das eigene Ver­sagen, andere oder „das System“ ver­ant­wortlich zu machen – Neid und Pro­jektion als Psy­cho­hy­giene der Erfolg­losen. Schon Ludwig von Mises widmete vor über 60 Jahren in seiner noch immer brand­ak­tu­ellen Schrift „Die Wurzeln des Anti­ka­pi­ta­lismus“ dem „ent­täuschten Ehrgeiz als Ursache des Res­sen­ti­ments“ einen eigenen Abschnitt. Bereits damals waren die meisten Ein­wen­dungen gegen den Kapi­ta­lismus nicht sach­licher Natur, sondern ent­sprangen Gefühls­lagen. Neu ist lediglich, dass sich das anti­ka­pi­ta­lis­tische Res­sen­timent nun auf allen Ebenen und in einer kaum noch zu unter­bie­tenden Sub­stanz­lo­sigkeit Bahn bricht.

Kein Wunder, aber ein Glück

Wie tief die Unkenntnis über markt­ge­steuerte Wirt­schafts­systeme sitzt, zeigte sich schon an dem Begriff „Wirt­schafts­wunder“, der für die bun­des­deutsche Nach­kriegs­wirt­schaft so prägend wurde. Von Ludwig Erhard ist bekannt, dass er diesen ablehnte, denn mit einem „Wunder“ hatten die Ergeb­nisse seiner Reformen herzlich wenig zu tun. Dennoch war seine Person ein Glücksfall der deut­schen Geschichte – freilich ein Glück, das schon damals nicht jeder annehmen konnte. Marion Gräfin Dönhoff, Mit­her­aus­ge­berin der Wochen­zeit­schrift „DIE ZEIT“, erei­ferte sich regel­recht: „Wenn Deutschland nicht schon eh rui­niert wäre, dieser Mann mit seinem voll­kommen absurden Plan, alle Bewirt­schaf­tungen in Deutschland auf­zu­heben, würde das ganz gewiss fer­tig­bringen. Gott schütze uns davor, dass der einmal Wirt­schafts­mi­nister wird. Das wäre nach Hitler und der Zer­stü­ckelung Deutsch­lands die dritte Kata­strophe.“ Gewaltige Worte, gewaltig falsch.

Demon­tieren und verschweigen

Wie weit wir uns inzwi­schen von Erhard ent­fernt haben, zeigt die Art des Umgangs, sofern sein Ver­mächtnis über­haupt noch ein Thema ist. Aktu­ellere Lite­ratur erklärt den Men­schen nicht etwa das „Wirt­schafts­wunder“, nein, sie reibt sich an dessen Initiator. Das kommt nicht von ungefähr, denn der heutige, all­zu­ständige Nanny-Staat, eine Art Vor­hölle des Sozia­lismus, steht im dia­me­tralen Gegensatz zu den Werten von Freiheit und Selbst­ver­ant­wortung. Der „Weg zur Knecht­schaft“, so der Titel eines der bekann­testen Bücher Friedrich August von Hayeks, ist eine Autobahn geworden. Tat­sächlich waren Erhards Wei­chen­stel­lungen derart erfolg­reich, dass die Ergeb­nisse heute geradezu mär­chenhaft erscheinen: Trotz zweier ver­lo­rener Welt­kriege und zweier Wäh­rungs­re­formen konnten sich die Men­schen eines stetig wach­senden Wohl­stands erfreuen und schafften es sogar mit nur einem Haus­halts­ein­kommen ver­gleichs­weise oft in die eigenen vier Wände. Spä­testens da wird klar, warum die nüch­ternen Zahlen und Fakten der Erhard-Ära aus der Dis­kussion ver­schwunden sind und wir statt­dessen heute lieber mit kul­tur­mar­xis­ti­schen Orchi­deen­themen trak­tiert und abge­lenkt werden. Eine besondere Form der Ablenkung stellt übrigens die Behauptung dar, wir lebten im Raub­tier­ka­pi­ta­lismus – was ange­sichts absurd hoher Staats­quoten ein schlichtes Ding der Unmög­lichkeit ist. Wenn hier jemand die Krallen nach den Bürgern aus­streckt, dann ist es der Turbogeldsozialismus.

Höchst rele­vantes Metathema

Dass wir uns inzwi­schen von einer Real­po­litik auf Basis einer Ver­ant­wor­tungs­ethik – also im Zweifel etwas, das trag­fähig ist und nach­haltig funk­tio­niert – zugunsten einer Gesin­nungs­ethik auf Basis eines mora­li­schen Impe­rativs – also etwas, das weder trag­fähig ist noch funk­tio­niert – ver­ab­schiedet haben, ist aktuell auf vielen Poli­tik­feldern zu beob­achten. Insofern hat das Ludwig von Mises Institut Deutschland mit seiner dies­jäh­rigen Jah­res­kon­ferenz unter der Über­schrift „Logik versus Emotion“ ein höchst rele­vantes Meta­thema aus­ge­sucht. Selbst Gesetze sind immer sel­tener logisch nach­voll­ziehbare Maß­nahmen zur Behebung eines tat­säch­lichen Miss­stands als vielmehr eine Art Schau­fens­ter­po­litik auf der Grundlage nicht hin­ter­frag­barer Glau­bens­sätze. Im Ergebnis beob­achten wir das, was Dr. Thorsten Polleit auf der Kon­ferenz als einen „immer aggres­si­veren Fron­tal­an­griff auf die Freiheit unserer Gesell­schaft“ charakterisierte.

Befehls­wirt­schaft ahoi!

Damit hatte Polleit (vgl. Beitrag auf S. 10) schon ein wesent­liches Stichwort geliefert – das Ver­drängen der Ratio nämlich ist eben kein spon­tanes oder zufäl­liges Ereignis, sondern hat Methode. Spä­testens dann, wenn einem nun aller­orten der Sozia­lismus – also allen Ernstes der Sozia­lismus – als ulti­ma­tiver Pro­blem­löser ver­kauft wird, sollten die Alarm­glocken schrillen. Denn diese Ideo­logie ist ganz grund­sätzlich eine schlechte Idee (siehe Interview mit Dr. Markus Krall ab S. 28), und das hat sie in der Geschichte auch zur Genüge bewiesen. Es ist daher nur kon­se­quent, dass jene, die jetzt – unter welchem Vorwand auch immer – den Sys­tem­wechsel fordern, die Aus­ein­an­der­setzung auf der Ebene von Sach­ar­gu­menten und Empirie scheuen und sich statt­dessen über die Emotion in die Herzen der Men­schen mani­pu­lieren. Wie konnte es pas­sieren, dass die Politik und – was fast noch schlimmer ist – auch die meisten Medien zunehmend den gesunden Men­schen­ver­stand aus­ge­schaltet haben, fragte sich der Vor­stand des Ludwig von Mises Institut Deutschland, Andreas Mar­quart. Dabei gehe es nicht um „Peanuts“, sondern um The­men­felder von ele­men­tarer Bedeutung: Geld- und Euro­po­litik, Migration, Klima – allesamt Themen, bei denen wir auf der Basis eines nur ange­maßten Wissens mit großen Schritten in Richtung Befehls­wirt­schaft marschieren.

Gier nach dem guten Gefühl

Gerade die Deut­schen scheinen besonders anfällig für irra­tionale Lösungen zu sein, die sich aber irgendwie gut anfühlen. Dieser regel­rechten Gier nach dem Gefühl, ein guter Mensch zu sein, spürte der Ber­liner Autor und Künstler Raimund Unger (siehe Interview auf S. 20) nach. Er zeichnete ein hoch span­nendes Psy­cho­gramm der deut­schen Gesell­schaft, wobei er ein trans­ge­ne­ra­tio­nales Kriegs­trauma iden­ti­fi­zierte, das sich heute in der Gene­ration der Baby­boomer Bahn bricht. Der Mecha­nismus wurde von Sigmund Freud noch als „Gefühls­erb­schaft“ bezeichnet, ist aber auch mit den aktu­ellen Erkennt­nissen der Epi­ge­netik kom­pa­tibel: Stress­marker werden demnach „ange­schaltet“, um Fol­ge­ge­nera­tionen zu warnen. Wie diese dann damit umgingen, sei eine Frage ihrer Resi­lienz. Die inter­na­li­sierte „toxische Scham“ sitze aber sehr viel tiefer als ein Schuld­gefühl und eröffne den Betrof­fenen keine Hand­lungs­op­tionen; sie müsse daher ein Leben lang kom­pen­siert werden. Im Ergebnis seien in der Kriegs­en­kel­ge­neration daher mas­senhaft bedürftige, nar­ziss­tische Per­sön­lich­keiten anzu­treffen, die sich durch ihre Hyper­moral selbst sta­bi­li­sierten – ein neuer und ori­gi­neller Erklä­rungs­ansatz für die zu beob­ach­tende Emo­tio­na­li­sierung und Infan­ti­li­sierung der deut­schen Gesellschaft.

Die geschei­terte Idee, die nie stirbt

Unab­hängig von den deut­schen Befind­lich­keiten ist der Sozia­lismus im Wind­schatten einer kräftig geschürten Kli­ma­hys­terie aktuell aber auch weltweit auf dem Vor­marsch. Das laufe nach dem immer gleichen Muster in drei Phasen ab, wie Pro­fessor Philipp Bagus mit Bezug auf das Buch „Socialism: The Failed Idea That Never Dies“ von Kristian Nie­mietz aus­führte. Nach den Flit­ter­wochen – die Zeit, in der hau­fen­weise west­liche „Intel­lek­tuelle“ in frisch ent­standene sozia­lis­tische Para­diese pilgern – kommt es unwei­gerlich zur Ernüch­terung, die mit Durch­hal­te­pa­rolen über­spielt wird: Man könne eben kein Omelett backen, ohne Eier zu zer­schlagen. Nach dem unaus­weich­lichen end­gül­tigen Scheitern werde dann von den gleichen Intel­lek­tu­ellen fest­ge­stellt, dass es sich gar nicht um echten Sozia­lismus gehandelt habe. Beim nächsten Versuch in dieser End­los­schleife ist dann natürlich wieder einmal alles ganz anders.

Samt­pfoten-Mar­xismus

Was diesmal tat­sächlich anders ist? Dass der Mar­xismus seinen Herr­schafts­an­spruch nicht durch blutige Umstürze ein­fordert – zumindest noch nicht. Vielmehr komme er in Form des Kul­tur­mar­xismus auf „Samt­pfoten“ daher, wie Dr. Antony P. Mueller aus Bra­silien auf der Kon­ferenz aus­führte (siehe S. 16). Der Kul­tur­mar­xismus ist dabei die Umkehrung von Marxens Diktum „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ in „Das Bewusstsein bestimmt das Sein“. Die Revo­lution beginnt, böse gesagt, nicht mehr mit dem leeren Teller, sondern mit dem leeren bzw. einem mit kul­tur­mar­xis­ti­scher Theorie voll­ge­stopften Kopf, was aber in der Praxis auf das­selbe hin­aus­läuft. Und noch ein Unter­schied lässt sich aus­machen: Der Vor­marsch des frei­heits­feind­lichen Kol­lek­ti­vismus ist aktuell nicht auf ein­zelne Länder wie Vene­zuela beschränkt, sondern es handelt sich um ein glo­bales Phä­nomen. Besonders auf­ge­gangen scheint die Saat bei Kindern und Jugend­lichen zu sein, die über Jahre durch die Mühlen staat­licher Bil­dungs­ein­rich­tungen gedreht wurden. Damit wächst nun eine vom kapi­ta­lis­ti­schen Wohl­stand ver­wöhnte Gene­ration heran, die – und das ist eine echte Pre­miere – erstmals selbst den Staat um mehr Bevor­mundung und eine höhere Besteuerung regel­recht bekniet – ein Meis­terwerk der Manipulation!

Fazit

Die Themen Kul­tur­mar­xismus, Geld­so­zia­lismus, Ratio und Emotion haben im Westen eine bedrü­ckende Aktua­lität erlangt. Dass eine „gemein­ge­fähr­liche Ideo­logie“ (Polleit) wie der Sozia­lismus erneut solchen Zulauf findet, obwohl sie noch jedes Mal in der Praxis geschei­terte, ist ein sicheres Zeichen dafür, dass wir uns nicht länger in einem Wett­streit der Ideen befinden, sondern die bes­seren Ideen (Ludwig von Mises) nun gegen diffuse Gefühle antreten müssen – eigentlich ein aus­sichts­loser Kampf.

Hier können Sie alle Vor­träge der Kon­ferenz „Logik versus Emotion. Warum die Welt so ist, wie sie ist“ sehen:

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Schon als Jugend­licher wurde das Interesse von Ralph Malisch (geb. 1965) für die Börse geweckt, als der damals 17-Jährige André Kos­to­lanys „Wun­derland von Geld und Börse“ unter dem Weih­nachtsbaum fand. Nach Abschluss seines BWL-Stu­diums (die Abneigung gegen die Main­stream-VWL hatte er von Kos­tolany) führten ihn seine beruf­lichen Sta­tionen über die Kapi­tal­an­la­ge­stra­tegie einer Ver­si­cherung, die kauf­män­nische Leitung eines Mit­tel­ständlers und die Ver­mö­gens­ver­waltung eines Family Offices zu Smart Investor. Er ist von Anfang an dabei und ein „Öster­reicher“ mit Leib und Seele.


Quelle: misesde.org