Deutsch ist nicht die Sprache der Täter — Anmer­kungen zur Stein­meier-Rede in Yad Vashem

Es ist für jeden deut­schen Poli­tiker keine leichte Aufgabe, am ein­drucks­vollsten Ort der Erin­nerung an den Holo­caust, also im israe­li­schen Yad Vashem, ange­messene Worte zu finden. Bun­des­prä­sident Stein­meier fand sie nicht: Denn er hat dort anlässlich des 75. Jah­res­tages der Befreiung des KZ Auschwitz durch sowje­tische Truppen selbst diese inter­na­tional so beachtete Gele­genheit abermals auch dazu miss­braucht, um in einigen Rede­pas­sagen innen­po­li­ti­schen Nutzen zu ziehen und deshalb ein schlech­teres Bild von Deutschland zu zeichnen, als es der Rea­lität hier zu Lande ent­spricht. Die Rede hatte dazu auch einen grund­sätz­lichen Makel – der deutsche Bun­des­prä­sident hielt sie absichtlich nicht in deut­scher Sprache.

(von Wolfgang Hübner)

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Stein­meiers Begründung, warum er die eng­lische Sprache mit einigen hebräi­schen Sätzen wählte, ist mehr als frag­würdig: Er wollte den vielen Zuhörern, dar­unter Holo­caust-Über­le­benden, nicht die Sprache der Täter zumuten. Diese Phrase von der „Sprache der Täter“ ist aber nichts anderes als die bewusste Stig­ma­ti­sierung einer bedeu­tenden Kultur- und Lite­ra­tur­sprache, die von etwa 100 Mil­lionen Men­schen auf der Welt tag­täglich gesprochen oder zumindest ver­standen wird. Die Haupt­täter und die meisten Mit­täter bei den mons­trösen Ver­brechen der Nazis sprachen zwei­fellos Deutsch. Aber sie waren keine Haupt­täter und Mit­täter, weil sie Deutsch sprachen, sondern weil sie einem furcht­baren mas­sen­mör­de­ri­schen ras­sis­ti­schen Wahn ver­fallen waren.

Niemand käme in den USA und England, in Russland, China, Frank­reich, Belgien oder Spanien auf die Idee, die eng­lische, rus­sische, chi­ne­sische, fran­zö­sische oder spa­nische Sprache als „Sprache der Täter“ zu bezeichnen, weil Täter mit diesen Sprachen Mil­lionen Men­schen, ja ganze Völker und Kul­turen ver­nichtet haben. Nicht die Sprachen, auch die deutsche Sprachen nicht, haben Schuld an diesen Ver­brechen, sondern die Täter. Dass auch Täter sich in irgend­einer Sprache ver­stän­digen müssen, sollte auch dem Bun­des­prä­si­denten bekannt sein. Doch in der Logik seiner Begründung des Ver­zichts auf den Gebrauch seiner Mut­ter­sprache in der Yad Vashem-Rede müsste eigentlich ganz Deutschland längst nicht mehr Deutsch reden.
Sprachen fak­tisch zu Schul­digen erklären kann nur, wer die im Kern sehr ras­sis­tische Über­zeugung vom Exis­tieren einer „Kol­lek­tiv­schuld“ hat. Diese Über­zeugung einer spe­ziell deut­schen Kol­lek­tiv­schuld war oder ist immer noch besonders in west­lichen Staaten oder bei Nach­fahren von Nazi­ver­bre­chern ver­breitet. In Russland dagegen war das nie der Fall. Selbst Stalin sagte: „Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt bestehen“. Und, das sei hin­zu­gefügt, gilt selbst­ver­ständlich auch für die deutsche Sprache von Luther, Kant, Hegel, Goethe, Schiller, Marx, Thomas Mann und dem aktu­ellen Lite­ra­tur­no­bel­preis­träger Peter Handtke.

Kein Volk auf der ganzen Welt hat sich mit den in seinem Namen began­genen Ver­brechen so intensiv und reuevoll aus­ein­an­der­ge­setzt wie das deutsche Volk, ja tut das noch immer. Kein Volk hat sich einem solch selbst­quä­le­ri­schen Selbst­rei­ni­gungs­prozess unter­zogen wie das deutsche Volk. Deshalb ist die deutsche Sprache selbst denen zumutbar, die unter den schreck­lichsten Umständen von Tätern gede­mütigt und gequält wurden, die sich in der Tat meist deutsch ver­stän­digten. Und für alle anderen in Yad Vashem wäre die deutsche Sprache auch an diesem Ort nur eine Fremd­sprache gewesen, die übrigens nicht nur der Russe Putin besonders gut spricht und versteht.

Eine Anmerkung zum Schluss: Stein­meier klagte in seiner Rede über neuen Anti­se­mi­tismus und Juden­feind­lichkeit in Deutschland. Doch war es nicht der heutige Bun­des­prä­sident, der als Außen­mi­nister der Merkel-Regierung 2015 die Grenz­öffnung für das Ein­strömen von Hun­dert­tau­senden mit­ver­ant­wortete, die als Muslime den Hass auf Juden mit im geis­tigen Gepäck hatten und haben? Es ist zutiefst wider­wärtig, das eigene Volk in Yad Vashem böser Ten­denzen zu denun­zieren, die seit 2015 tag­täglich ohne jeden Wider­stand von den Stein­meiers und Co. impor­tiert werden.


Quelle: facebook.com