Bild: Screenshot YouTube https://www.youtube.com/watch?v=2pDhQXQ_19M

Fan­tasie oder fan­tas­tisch? Das rus­sische Fern­sehen über die Krise der CDU und eine “ele­gante Lösung”

Die Krise der CDU hat sich bis nach Russland her­um­ge­sprochen und das rus­sische Fern­sehen hat darüber kurz, knapp und objektiv berichtet. Aber es hat auch eine sehr über­ra­schende Schluss­fol­gerung geliefert.

Zu den Vor­fällen in Thü­ringen habe ich mich in einem Kom­mentar geäußert. Mehr möchte ich selbst zu dem poli­ti­schen Zirkus, der derzeit in Deutschland ver­an­staltet wird, nicht schreiben. Aber da es für viele inter­essant sein dürfte, wie man im Ausland auf die Vor­gänge in Deutschland reagiert, habe ich einen Beitrag des rus­si­schen Fern­sehens dazu übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Ein großer poli­ti­scher Skandal erschüttert Deutschland. Angela Merkels Nach­fol­gerin will nicht mehr Bun­des­kanz­lerin werden. Die uner­wartete Ent­scheidung von Annegret Kramp-Kar­ren­bauer hat in der Regie­rungs­partei CDU eine Krise aus­gelöst. Schließlich muss jetzt dringend nach einem neuen Kan­di­daten für die Füh­rungs­po­sition gesucht werden. Warum hat Merkels Schützling die Kanz­lerin ver­lassen und können sich die Pläne der Kanz­lerin, 2021 die poli­tische Bühne zu ver­lassen, ändern?

Angela Merkel hat ihre Nach­fol­gerin ver­loren. Aus dem Kanz­leramt heißt es, die Kanz­lerin selbst habe nichts von Annegret Kramp-Karen­bauers Plänen gewusst, die im Dezember 2018 durch Merkels Unter­stützung CDU-Chefin wurde.

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„Ich werde nicht als Kanz­lerin kan­di­dieren. Ich bleibe aber Par­tei­vor­sit­zender, bis eine Ent­scheidung über einen neuen Kan­di­daten fällt. Ich werde das Amt der Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin auf Wunsch von Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel behalten“, erklärte die Vor­sit­zende der CDU und Bun­des­ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Annegret Kramp-Karenbauer.

War das wirklich eine Über­ra­schung für die Kanz­lerin? Das ist zwei­felhaft. Schon kurz nach der Wahl Kramp-Karen­bauers zur Par­tei­chefin gab es Stimmen, dass die ehe­malige Minis­ter­prä­si­dentin von der Saar nicht für die Bun­des­ebene tauge.

Und selbst die Tat­sache, dass Merkel ihr im Juli 2019 das Amt der Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin ange­boten hat, hat ihr kein zusätz­liches poli­ti­sches Gewicht gebracht. Irgendwie hatte sie kein Glück und all ihre Hand­lungen und Aus­sagen wurden von Poli­tikern und Wählern nicht als etwas Eigenes oder Sinn­volles wahr­ge­nommen, sondern als den immer wieder erfolg­losen Versuch, nicht als „Mini-Merkel“ zu erscheinen. End­gültig abge­schossen wurde sie aber aus Thü­ringen. Merkel selbst ließ ihr keine Wahl.

„Dies ist ein schreck­licher Tag für die Demo­kratie. Ein Tag, der den Werten und Über­zeu­gungen der CDU zuwi­der­läuft“, sagte Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel.

Am 5. Februar wählte der Thü­ringer Landtag den Minis­ter­prä­si­denten des Landes. Einen Tag lang war es Thomas Kem­merich, ein Ver­treter der FDP, die die Fünf-Prozent-Hürde knapp über­sprungen hatte. Skan­dalös wurde diese Sen­sation dadurch, dass seine Kan­di­datur zusammen mit der CDU von der rechten „Alter­native für Deutschland“ unter­stützt wurde. Und während lokale Christ­de­mo­kraten Absprachen leugnen, ist es schwer, die Tat­sache der Zusam­men­arbeit mit der „Alter­native“ zu bestreiten, die von den Medien und den meisten Poli­tikern als Nazis bezeichnet wird. Und ja, Kem­merich ist zurück­ge­treten, aber mit ver­däch­tiger Verzögerung.

„Thomas Kem­merich hat die richtige Ent­scheidung getroffen, aber 24 Stunden zu spät“, sagte CDU-Gene­ral­se­kretär Paul Ziemiak.

Ob die CDU mit der „Alter­native“ zusam­men­ge­ar­beitet oder ob die Rechten das Ver­fahren der geheimen Abstimmung genutzt haben, um Merkels Partei eine Falle zu stellen, ist unklar. Wenn letz­teres stimmt, hat die „Alter­native“ einen bril­lanten Schachzug gemacht und eine weitere Regie­rungs­krise in Deutschland pro­vo­ziert. Die deutsche Sozi­al­de­mo­kratie, die als poli­tische Partei ihren eins­tigen Ein­fluss fast voll­ständig ver­loren hat, glaubt, dass nun das gleiche Schicksal auf Merkels Partei wartet.

„Wir erleben das Ende der zweiten großen Volks­partei in Deutschland. Nach der SPD wird sich auch die CDU nicht retten können. Die Dis­kre­panzen in der Partei sind zu groß. Gleich­zeitig ist die Bun­des­re­gierung zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit gelähmt. Ich vermute, dass in naher Zukunft mit Neu­wahlen zu rechnen ist“, sagte Sigmar Gabriel, der 60-jährige ehe­malige deutsche Vize­kanzler und ehe­malige deutsche Außenminister.

Vor­ge­zogene Wahlen sind möglich, ein vor­ge­zo­gener CDU-Par­teitag ist unaus­weichlich. Kramp-Karen­bauer will ihn im Sommer abhalten und die Frage nach einem neuen Par­teichef klären. Es gibt mehrere Kan­di­daten für die freie Stelle. Der erste ist Friedrich Merz, ein Invest­ment­banker, Trans­at­lan­tiker und Kri­tiker Merkels. Der zweite ist der der­zeitige Minis­ter­prä­sident des größten deut­schen Landes Nord­rhein-West­falen, Armin Laschet. Das sind die zwei rea­lis­ti­schen Lösungen für die Per­so­nal­krise. Aber es gibt eine andere Option, eine aus dem Bereich der Fan­tasie, also eine „fan­tas­tische“ Option:

Angela Merkel selbst.

Die Kanz­lerin bereits ange­kündigt hat, nach der Wahl 2021 die große Politik zu ver­lassen. Aber niemand kann ihr das Recht nehmen, ihre Meinung zu ändern. Nur die Gründe dafür müssen sehr gut sein. Zum Bei­spiel eine Bedrohung der poli­ti­schen Sta­bi­lität oder der demo­kra­ti­scher Werte. Und genau das ist es, was man heute in Deutschland beob­achten kann.

Ende der Übersetzung

Das rus­sische Fern­sehen glaubt offen­sichtlich nicht an Merkels Rückkehr und auch ich halte das für aus­ge­schlossen. Obwohl: Sollte die CDU keine Neu­wahlen wollen, wäre eine Rückkehr Merkels an die Par­tei­spitze für ein Jahr durchaus möglich. Die CDU könnte dann in Ruhe einen Kanz­ler­kan­di­taten küren und dann könnte Merkel den CDU-Vorsitz 2021 an diesen Kan­di­daten übergeben.

Natürlich will Friedrich Merz das nicht, der wohl am liebsten CDU-Chef werden und auch gleich bei Neu­wahlen als Kanzler antreten möchte.

Die CDU ist aller­dings in einer Zwick­mühle, denn einige Stimmen fordern nun Merkels Rück­tritt auch als Kanz­lerin, damit Par­tei­vorsitz und Kanz­ler­schaft wieder in eine Hand kommen. Aber die SPD würde einen anderen Kanzler kaum unter­stützen und daher würde das fast zwangs­läufig zu vor­ge­zo­genen Neu­wahlen führen.

Wenn die CDU keine vor­ge­zogene Neuwahl will, wäre eine ein­jährige Rückkehr Merkels an die Par­tei­spitze und eine anschlie­ßende „geordnete Übergabe“ der beiden Ämter an einen Nach­folger tat­sächlich eine „ele­gante Lösung“.

Aber ob sich das der Partei ver­kaufen lässt?


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“