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Israel und die USA ver­weigern Zusam­men­arbeit mit UNO-Men­schen­rechtsrat — Wie berichtet der Spiegel?

Die deut­schen Medien sind auf dem „israe­li­schen Auge“ blind. Jetzt hat Israel die Zusam­men­arbeit mit dem UNO-Men­schen­rechtsbüro ein­ge­stellt. Zu kri­ti­sieren hat der Spiegel daran aber nichts.

Man stelle sich einmal vor, Russland, China, Nord­korea oder ein anderes „böses“ Land würde die Zusam­men­arbeit mit dem UNO-Men­schen­rechtsbüro ein­stellen und ihm eine zum Bei­spiel „Russland-feind­liche Haltung“ vor­werfen. Wir würden Schlag­zeilen wie „Unter­drü­ckung in Russland: Autokrat Putin wirft UNO-Men­schen­rechtsbüro aus dem Land“ lesen. Oder noch viel schlimmere.

Nicht so, wenn Israel das tut. Dann lautet die Über­schrift im Spiegel: „Streit über ver­öf­fent­lichte Fir­men­liste – Israel kündigt Zusam­men­arbeit mit Uno-Men­schen­rechtsbüro auf

Der Spiegel-Artikel ist dann voll­kommen sachlich gehalten, was ja auch gut wäre, wenn der Spiegel über Vor­würfe gegen alle Länder genauso sachlich berichten würde. Aber der Spiegel bezeichnet Regie­rungen, die ihm nicht passen, als „Regime“ und benutzt noch viele andere Adjektive, die den Leser gegen eine solches Land negativ ein­stellen sollen. Wenn es jedoch um Israel geht, dann bleibt der Spiegel absolut sachlich. Man kann ihm nicht vor­werfen, er würde viel ver­schweigen, aber man sieht deutlich, wen der Spiegel schützen und wen er ver­teufeln will.

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In dem Spiegel-Artikel konnte man über Israel lesen:

„Israel schränkt die Zusam­men­arbeit mit den Ver­einten Nationen (Uno) weiter ein, nachdem das Uno-Men­schen­rechtsbüro eine Liste mit 112 Firmen ver­öf­fent­lichte, die in israe­li­schen Sied­lungen im West­jor­danland aktiv sind. (..) Israel wirft den Ver­einten Nationen und ihren Orga­ni­sa­tionen eine isra­el­feind­liche Haltung vor. Das Uno-Men­schen­rechtsbüro in Genf hatte am Mittwoch 112 Firmen benannt, die in geschäft­liche Akti­vi­täten in jüdi­schen Sied­lungen in den von Israel besetzten Gebieten invol­viert waren. Über 90 der Unter­nehmen stammen aus Israel, weitere aus den USA, den Nie­der­landen, Groß­bri­tannien und Frank­reich sowie je eines aus Thailand und Luxemburg. (…) Für Auf­sehen sorgte im November 2019 ein Urteil es Euro­päi­schen Gerichtshofs: Seitdem ist es Händlern vor­ge­schrieben, Waren aus israe­li­schen Sied­lungen zu kenn­zeichnen. Israel nennt das diskriminierend.“

Es findet sich im ganzen Artikel kein Wort der Kritik an Israel. Dabei ist das Ver­halten Israels illegal und völ­ker­rechts­widrig. Es gibt eine Reihe von Beschlüssen des UNO-Sicher­heits­rates, die Israel nach Belieben igno­riert, obwohl sie völ­ker­rechtlich bindend sind. Dazu gehört auch die Besetzung von paläs­ti­nen­si­schen Gebieten und der Bau von Sied­lungen dort.

Die deut­schen Medien und Poli­tiker, die immer behaupten, für das Völ­ker­recht zu stehen, finden dazu kein kri­ti­sches Wort. Statt­dessen steht im Spiegel dazu:

„Die Sied­lungs­po­litik Israels ist umstritten.“

Daran ist nichts umstritten, die Sache ist ein­deutig. Anschließend kann man im Spiegel lesen:

„Der Uno-Sicher­heitsrat hatte Israel Ende 2016 zu einem voll­stän­digen Sied­lungs­stopp in den besetzten Paläs­ti­nen­ser­ge­bieten ein­schließlich Ost­je­ru­salems auf­ge­fordert. Sied­lungen wurden in der Uno-Reso­lution 2334 als Verstoß gegen inter­na­tio­nales Recht und als großes Hin­dernis für Frieden in Nahost bezeichnet.“

Dass diese Sied­lungen ein Bruch des Völ­ker­rechts sind, kommt dem Spiegel nicht über die Lippen. Statt­dessen wird es so for­mu­liert, als gäbe es dazu unter­schied­liche, völ­ker­rechtlich begründete Sicht­weisen. Und dass diese Sied­lungen, die das Paläs­ti­nen­ser­gebiet zer­stü­ckeln, ein unüber­wind­liches (und nicht bloß ein „großes“) Hin­dernis für den Frieden im Nahen Osten sind, kann auch niemand bestreiten. Diese Sied­lungen schreiben die dau­er­hafte Unter­drü­ckung der Paläs­ti­nenser fest, was dau­er­haften Terror auch für Israel und damit eine unbe­grenzte Fort­setzung der Krise im Nahen Osten bedeutet. Und nicht nur das: Eine wirklich faire Einigung auf Basis des Völ­ker­rechts könnte wohl sogar den israe­lisch-ira­ni­schen Kon­flikt beenden.

Der Artikel endet so:

„Israel hatte 1967 während des Sechs­ta­ge­krieges unter anderem das West­jor­danland und Ost­je­ru­salem erobert. Dort leben heute mehr als 600.000 jüdische Siedler. Die Paläs­ti­nenser bean­spruchen das Gebiet als Teil eines unab­hän­gigen Staates.“

Die bösen Paläs­ti­nenser „bean­spruchen“ also die Gebiete, die Israel völ­ker­rechts­widrig erobert und wo es völ­ker­rechts­widrig 600.000 Men­schen ange­siedelt hat. Dass diese Gebiete laut Völ­ker­recht tat­sächlich den Paläs­ti­nensern gehören, erwähnt der Spiegel nicht. Für ihn ist das nur eine „For­derung“ der Palästinenser.

Und noch etwas erwähnt der Spiegel mit keinem Wort: Auch die USA lehnen eine Zusam­men­arbeit mit dem UNO-Men­schen­rechtsbüro in dieser Frage ab, wie Reuters gemeldet hat:

„Die Ver­ei­nigten Staaten sind seit langem gegen die Schaffung oder Ver­öf­fent­li­chung dieser Datenbank“, sagte Pompeo in einer Erklärung. „Diese Ver­öf­fent­li­chung bestätigt nur die uner­bitt­liche anti-israe­lische Vor­ein­ge­nom­menheit, die bei den Ver­einten Nationen so weit ver­breitet ist … Ver­suche, Israel zu iso­lieren, stehen im Wider­spruch zu all unseren Bemü­hungen, Bedin­gungen zu schaffen, die für israe­lisch-paläs­ti­nen­sische Ver­hand­lungen för­derlich sind und zu einem umfas­senden und dau­er­haften Frieden führen.“

Und ein demo­kra­ti­scher US-Senator fügte hinzu:

„Der Men­schen­rechtsrat sollte seine Energie ein­setzen, um sowohl Israel, als auch die Paläs­ti­nenser zu ermu­tigen, zu Ver­hand­lungen in gutem Glauben zurück­zu­kehren“, sagte Cardin. „Die Ver­ei­nigten Staaten können nicht tatenlos zusehen, wie ame­ri­ka­nische Unter­nehmen aus dem Ausland auf­grund ihrer Arbeit in Israel, einem unserer wich­tigsten Ver­bün­deten, unter Druck gesetzt werden.“

Dass Israel die Zusam­men­arbeit mit dem UNO-Men­schen­rechtsbüro ver­weigert, berichtet der Spiegel noch. Von der Ver­wei­gerung der USA, dem „Hort der Men­schen­rechte“, erfährt der Spiegel-Leser hin­gegen nichts.

So geht objektive Bericht­erstattung bei den deut­schen „Qua­li­täts­medien“ heute.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“