Koh­le­aus­stieg — Kli­ma­schutz oder Mil­li­ar­den­ge­schenk an die Energiekonzerne?

Es wird behauptet, die „Kli­ma­hys­terie“ (Achtung: Unwort des Jahres 2019) sei nichts anderes, als ein Mil­li­ar­den­ge­schenk für die Industrie, vor allem für die Ener­gie­kon­zerne selbst. Eine Ver­schwö­rungs­theorie? Die nackten Zahlen geben die Antwort.

Die Bun­des­re­gierung hat den Koh­le­aus­stieg bis 2038 beschlossen und auch wenn nicht alle Details bekannt sind, reichen die bekannten Fakten völlig aus, um zu ver­stehen, was der Koh­le­aus­stieg tat­sächlich bedeutet.

So bekommen die Betreiber der Koh­le­kraft­werke 4,35 Mil­li­arden Euro geschenkt. Der Spiegel hat es beim Namen genannt, jedoch ohne zu erklären, was es bedeutet:

„Durch den geplanten Aus­stieg aus der Kohle-Strom­ge­winnung werden Kon­zerne wie RWE, EnBW, Uniper und der tsche­chische Ver­sorger EPH mit seinen ost­deut­schen Gesell­schaften Leag und Mibrag ihre Anlagen früher schließen müssen und daher weniger daran ver­dienen können als geplant. Das soll nun von staat­licher Seite aus­ge­glichen werden.“

Das ist ein Geschenk für die Kon­zerne. Alle ihre Kraft­werke sind lange genug am Netz, um Gewinne gemacht zu haben. Es geht also nicht darum, den Kon­zernen Ent­schä­di­gungen zu zahlen, weil sie ihre Inves­ti­tionen nicht mehr her­ein­be­kommen und hohe Ver­luste machen. Eine solche Ent­schä­digung wäre ja noch verständlich.

Nein, es geht darum, dass die Kon­zerne weniger Gewinn machen, als sie wollten.

Und dann sagen die Kon­zerne, wie viel Gewinn ihnen angeblich ver­loren geht und der Bund bezahlt das. Der Bund über­nimmt also eine Gewinn­ga­rantie für die Konzerne.

Ein Ver­gleich: Stellen wir uns vor, der Bund möchte die kleine Bäckerei um die Ecke zwingen, ihren Laden zu schließen. Und der Bäcker könnte sagen: „Ich denke, dass in Zukunft noch viel mehr Leute bei mir Brötchen kaufen, als bisher. Also berechne ich meinen Gewinn­ausfall der nächsten Jahre auf diesen Zahlen.“ Und der Bund würde das dann anstandslos bezahlen.

An diesem Bei­spiel merkt man, wie absurd das Ganze ist. 

Erstens würde der Staat nie einem kleinen Bäcker irgendwas erstatten. Oder haben Sie davon gehört, dass der Bund den Bäckern nun irgendwas erstattet, weil er sie zwingt, für jedes Brötchen einen Kas­senbon zu drucken? Auf den Kosten bleiben die Bäcker sitzen, obwohl das auch ihren für die Zukunft geplanten Gewinn schmälert.

Zweitens ist das absurd, weil niemand weiß, welchen Gewinn eine Firma nächstes Jahr macht. Und erst recht weiß niemand, welchen Gewinn sie in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren machen würde. Aber die Ener­gie­kon­zerne haben dazu Zahlen vor­gelegt und der Bund wird ihnen nun die gewünschten Summen auszahlen.

Dabei könnte es zum Bei­spiel sein, dass Kohle in zehn Jahren viel teurer ist, als heute und dass daher die Gewinne viel nied­riger wären, als nun berechnet. Der Staat nimmt den Ener­gie­kon­zernen im Zuge des Koh­le­aus­stiegs das unter­neh­me­rische Risiko ab. Und in Deutschland pro­tes­tiert niemand dagegen, weil dieser Unsinn hinter dem schönen Wort „Koh­le­aus­stieg“ vert­steckt wird. Aber bezahlen dürfen es die Steu­er­zahler und Ver­braucher in Deutschland.

Um das absurd zu finden, muss man kein „Linker“ sein, im Gegenteil. Eigentlich müssten bei so etwas alle Wirt­schafts­li­be­ralen, alle Glo­ba­li­sie­rungs­ver­fechter und wie sie sonst noch heißen, auf­schreien. Sie sind es doch, die den Markt und das unter­neh­me­rische Risiko über alles stellen. Was wir hier aber als „Koh­le­aus­stieg“ ver­kleidet prä­sen­tiert bekommen, ist Plan­wirt­schaft alter Schule.

Auch die Höhe der Ent­schä­digung spricht Bände:

„Dabei wird ab 2020 eine gewisse Menge an Stein­kohle-Leistung fest­gelegt, die vom Netz gehen soll. Dann fordert der Bund die Betreiber auf, Ent­schä­di­gungs­for­de­rungen für die Abschaltung ein­zu­reichen. Dabei wird 2020 die Höchst­summe von 165.000 Euro pro Megawatt vor­ge­geben. 2021 und 2022 beträgt die Summe 155.000 Euro, die anschließend von Jahr zu Jahr um rund 25 Prozent gesenkt wird. 2026 sind es noch 49.000 Euro. Wer die geringsten Kom­pen­sa­tionen ver­langt, erhält den Zuschlag zur Abschaltung. Nach 2026 wird gar keine Ent­schä­digung mehr gezahlt und die Anlagen nach Alter zwangs­weise außer Betrieb gesetzt.“

Ich weiß, dass Megawatt und Mega­watt­stunde unter­schied­liche Dinge sind, aber trotzdem lohnt es sich, wenn man einmal den Preis einer Mega­watt­stunde Strom an der Strom­börse anschaut. Ein Megawatt wurde dort Ende 2019 für knapp 37 Euro gehandelt, die Ent­schä­digung für eine Mega­watt­stunde beträgt aber zu Anfang bis zu 165.000 Euro.

Schon jetzt ist der Strom­preis in Deutschland der höchste in Europa. Wenn Sie jedoch ihre Strom­rechnung bezahlen, dann sind nur knapp 25 Prozent der Summe auch tat­sächlich die Strom­kosten. Über 75 Prozent sind ver­schie­denste Abgaben.

Von Lin­daholm für Strom-Report – http://strom-report.de/strompreis/, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=56470016

Dieser Anteil wird steigen, wenn das Kli­ma­paket in Kraft tritt und wie die Ent­schä­di­gungen für die Ener­gie­kon­zerne bezahlt werden, weiß ich nicht. Viel­leicht fließen auch sie in den Strom­preis ein. Wenn nicht, dann bezahlen Sie es eben über ihre Steuern, bezahlen müssen Sie es in jedem Fall.

Aber diese vier Mil­li­arden sind nur Kleingeld. Also zumindest, wenn es um Ent­schä­di­gungen für Kon­zerne geht. Die Ein­führung der Grund­rente würde ca. fünf Mil­li­arden kosten, das aller­dings gilt als teuer und kaum finan­zierbar, wenn man den Polit­clowns in der Regierung glauben will.

Zehnmal so viel soll aber in den Koh­le­aus­stieg fließen, wie wir im Spiegel lesen können:

„Im Zuge des Koh­le­aus­stiegs sind den betrof­fenen Regionen für den Struk­tur­wandel über die Jahre zudem 40 Mil­li­arden Euro zugesagt.“

„Struk­tur­wandel“ ist ein schönes Wort. Es bedeutet aber nichts anderes, als dass alle mög­lichen Kon­zerne nun in den betrof­fenen Regionen Sub­ven­tionen bekommen, wenn sie dort inves­tieren. Auch das ist also nichts anderes, als ein Rie­sen­ge­schenk, das im Gieß­kan­nen­prinzip an Kon­zerne aus­ge­schüttet wird, die sowieso irgendwo inves­tieren wollen.

Es ist ja nicht so, dass der Kfz-Betrieb oder der Bäcker um die Ecke in den Genuss dieser Gelder kommen.

Aber auch das ist noch Kleingeld. Der Spiegel hat über Super-Uschis Pro­gramm für die EU berichtet, dass von der Leyen als Kom­mis­si­ons­chefin ange­kündigt hat:

„So sollen 485 Mil­li­arden Euro aus dem EU-Budget bis zum Jahr 2030 kommen, der Großteil davon vom künf­tigen Mehr­jah­res­rah­men­haushalt, der von 2021 bis 2027 gelten wird. Das ent­spreche dem Ziel, dass etwa ein Viertel der künf­tigen Aus­gaben im wei­testen Sinne dem Kli­ma­schutz zugu­te­kommen sollten, heißt es.“

Wir können ja mal raten, wer wohl in den Genuss dieser halben Billion Euro kommen wird. Und wir können auch raten, wie viele Berater Super-Uschi wohl anheuern muss, damit sie das Geld auch ver­teilen kann.

Apropos Super-Uschi: Nachdem sie vor den Ermitt­lungen wegen Untreue und anderer Straf­taten in ihrer Zeit als Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin nach Brüssel geflohen ist, hat sie sich dort eine Abstell­kammer neben ihrem Büro für 72.000 Euro zur Dienst­wohnung umbauen lassen, kas­siert aber wei­terhin neben ihren 28.000 Euro Gehalt auch über 4.000 Euro steu­er­freie Miet­bei­hilfe netto pro Monat, obwohl sie gar keine Wohnung mietet.

Es wäre schön, wenn den Friday-Hüpfern und ihren Fans mal jemand erklären würde, wofür sie in Wahrheit hüpfen: Für Mil­li­ar­den­ge­schenke an die Industrie, die sie dann, wenn sie irgendwann mal zu arbeiten anfangen, auch noch selbst bezahlen werden.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“