Lob­by­ismus kostet Mil­li­arden jährlich — Wie dreist der Spiegel diese legale Kor­ruption verharmlost

Lob­by­ismus ist ein großes Problem in Deutschland und nach Umfragen wollen über 80 Prozent der Deut­schen die Macht der Lob­by­isten ein­schränken. Gut für die Lob­by­isten, dass es den Spiegel gibt, der seinen Lesern erklärt, dass Lob­by­ismus gar nicht schlimm ist.

Lob­by­isten machen in Deutschland viele Gesetze. Das bedeutet, dass Inter­es­sen­ver­treter ihre Vor­stellung durch­drücken. Diese Vor­stel­lungen haben meistens nichts mit dem viel beschwo­renen „All­ge­meinwohl“ gemeinsam. Da viele diese Aussage für über­trieben halten, will ich zunächst Bei­spiele anführen, bevor ich darüber berichte, wie der Spiegel das Thema für seine Leser nicht bloß ver­harmlost, sondern sogar regel­recht ver­nied­licht. Der Spiegel gene­riert sich quasi als Lob­byist für Lob­by­ismus, wie wir sehen werden.

Als 2008 die welt­weite Finanz­krise aus­brach, riefen die Banken um Hilfe. Tat­sächlich stand die Welt am wirt­schaft­lichen Abgrund, denn eine mas­sen­hafte Ban­ken­pleite hätte nicht nur die Ver­mögen der (Klein-)Anleger ver­nichtet, sondern auch den Zah­lungs­verkehr aus­ge­schaltet. Und wenn man keine Löhne oder Rech­nungen bezahlen kann, steht die Welt still. Dass das ver­hindert werden musste, sieht jeder Mensch ein.

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Die Frage war, wie man das ver­hindern kann. Und das wäre ganz einfach gewesen: Der Staat gibt Garantien ab, dass er jede pleite gehende Bank über­nimmt und damit rettet. Die Aktionäre einer pleite gegan­genen Bank, hätten ihr unter­neh­me­ri­sches Risiko getragen und ihre Aktien wären wertlos geworden. Die betrof­fenen Banken wären in Staats­besitz über­ge­gangen, aber sowohl die Ver­mögen der Bank­kunden, als auch der Zah­lungs­verkehr wären nicht in Gefahr geraten.

Diese Mög­lichkeit hätte noch einen Vorteil gehabt: Wenn es nach einigen Jahren gelungen wäre, dass die Banken wieder auf eigenen Füßen stehen können, hätte der Staat seine Anteile an den Banken wieder ver­kaufen und viel­leicht am Ende sogar einen Gewinn machen können.

Aber so ist es nicht gelaufen.

Statt­dessen wurde ein Eil­gesetz erlassen, das Finanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­gesetz. Das Gesetz sollte bis zu 480 Mil­li­arden für die Rettung der Banken bereit­stellen, aber natürlich ohne dass der Staat Eigen­tümer der Banken geworden wäre. Der Staat (also wir alle) zahlt, die Aktionäre behalten ihr Geld.

Dass die Banken aus­ge­rechnet so gerettet wurden, ist kein Zufall. Der Focus zum Bei­spiel schrieb 2009 über das Zustan­de­kommen des Gesetzes:

„Stein­brücks Minis­terium ließ die Gesetz­ent­würfe sowie die Ver­ordnung zum Finanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­gesetz – die Grundlage für die staat­liche Stützung deut­scher Banken mit bis zu 480 Mil­li­arden Euro – kom­plett von Anwälten der Frank­furter Top-Kanzlei Fresh­fields aus­ar­beiten. Zu deren Man­danten gehören fast alle füh­renden Banken der Republik.“

Die Kanzlei Fresh­fields ist die weltweit füh­rende Lobby-Kanzlei für Banken. Das bedeutet, dass eine Kanzlei, die von den Banken dafür bezahlt wird, Gesetze zu erreichen, die für die Banken gut sind, das Gesetz machen durfte, das die Banken retten sollte. Wenig über­ra­schend, was dabei her­aus­kommen musste, dazu gleich mehr.

Die Kanzlei hat aber natürlich auch dem Finanz­mi­nis­terium eine Rechnung geschickt, denn sie hat ja das Minis­terium beraten. Sie hat sich also von den Banken bezahlen lassen, um für das Minis­terium ein Gesetz nach Wunsch der Banken zu schreiben, wofür sie vom Minis­terium sogar auch nochmal bezahlt wurde. Das glauben Sie nicht? Der Focus schrieb damals auch:

„Es ist ein loh­nendes Geschäft. So kas­sierten Kanz­leien wie Fresh­fields allein für die Beratung des Bundes bei der Rettung der Hypo Real Estate im Herbst 2008 ins­gesamt 766503 Euro.“

Und das war nur das Honorar für die Rettung einer ein­zigen Bank. Es mussten aber viele Banken gerettet werden und das Gesetz haben sie ja auch nicht umsonst geschrieben, auf dessen Basis sie dann die Banken gerettet haben. Gibt es eigentlich eine Stei­gerung für das Wort „Selbst­be­die­nungs­laden“?

Und das ganze wurde für Sie per­sönlich richtig teuer. Zehn Jahre später hat die „Welt“ eine Bilanz gezogen und berichtet, dass diese Ban­ken­rettung jede Familie in Deutschland 3.000 Euro gekostet hat. Ganze 59 Mil­li­arden wurden den Banken in den Rachen geworfen, damit die Aktionäre nicht ihr Geld ver­lieren. Im Gegenzug hat der Staat nichts bekommen, außer Post von den Lobby-Kanz­leien, denn die haben ja ihre Rech­nungen geschrieben.

Aber wer glaubt, dass das schon das Ende der Dreis­tigkeit ist, der täuscht sich. Im von Fresh­fields geschrie­benen Gesetz wurde auch das soge­nannte Finanz­markt­gremium geschaffen, das in geheimer Sitzung seit 2008 über die Ver­teilung der 480 Mil­li­arden ent­scheidet. Als der Cum-Ex-Unter­su­chungs­aus­schuss 2017 Sit­zungs­pro­to­kolle ange­fordert hat, um den Cum-Ex-Skandal auf­zu­klären, wurde die Her­ausgabe ver­weigert:

„Die Bun­des­tags­ver­waltung lehnte die Her­ausgabe des Pro­to­kolls ab. Das Finanz­markt­gremium tage laut Gesetz geheim. Die Regeln sähen nir­gends vor, dass davon Aus­nahmen möglich seien. Ins­be­sondere lasse das Gesetz „keinen Raum für eine Abwägung zwi­schen einem Geheim­hal­tungs­in­teresse und einem öffent­lichen Infor­ma­ti­ons­in­teresse“, heißt es in der Stel­lung­nahme einer Bun­des­tags­ju­ristin vom 16. Januar 2017 (…) Das 2008 von der dama­ligen Großen Koalition beschlossene Gesetz zur Ban­ken­rettung sei nun mal sogar strikter gefasst als die Regeln bei der Kon­trolle der Geheim­dienste, argu­men­tierte die Haus­ju­ristin. Dort seien Aus­nahmen möglich. Bei den Banken nicht.“

Fresh­fields hat ganze Arbeit geleistet. Selbst Ver­brechen der Banken, um die es bei Cum-Ex ja geht, können nicht auf­ge­klärt werden, weil das Finanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­gesetz das ver­hindert. Fresh­fields hat aus Sicht der Banken einen Superjob gemacht, der den Staat min­destens 60 Mil­li­arden gekostet hat und auch noch Ver­brechen deckt. Dass der Staat bei dem Cum-Ex-Skandal eben­falls um Mil­li­arden betrogen wurde, ist dabei noch gar nicht eingerechnet.

Dabei dürfen wir nicht ver­gessen: 5 Mil­li­arden für die Ein­führung einer Grund­rente sind zu viel Geld, das kann sich der Staat nicht leisten! Das haben wir letztes Jahr von den gleichen Poli­tikern gehört, die ohne mit der Wimper zu zucken in einem Eil­gesetz 480 Mil­li­arden für die Banken bereit­ge­stellt haben, von denen min­destens 60 Mil­li­arden auf Nim­mer­wie­der­sehen ver­schwunden sind.

Das war nur ein Bei­spiel, es gibt so viele, dass man darüber ein Buch schreiben könnte. So hat zum Bei­spiel die Ber­telsmann-Stiftung im letzten Jahr fast im Alleingang das Fach­kräf­te­zu­wan­de­rungs­gesetz geschaffen, damit es aus­rei­chend billige Arbeits­kräfte gibt und die Löhne in Deutschland nicht allzu sehr erhöht werden müssen.

So also funk­tio­niert Lob­by­ismus, wobei das nur Bei­spiele sind. Wir werden noch einige andere Bei­spiele in diesem Artikel sehen. Und so teuer sind die Folgen für die Steu­er­zahler. Aber der Spiegel-Leser erfährt so etwas natürlich nicht, wenn der Spiegel über Lob­by­ismus berichtet. Und das schauen wir uns nun einmal an.

Am 22. Januar hat der Spiegel einen Podcast ver­öf­fent­licht, in dem er seinen Lesern erklärt hat, was Lob­by­ismus ist. Und siehe da: Lob­by­ismus ist gar nichts schlimm. In der Ein­leitung konnte man lesen:

„PR-Beratung, Con­sulting, Inter­es­sens­ver­tretung – für das Wort Lob­by­ismus gibt es viele Syn­onyme. Aus gutem Grund: Dem Lob­by­ismus haftet ein nega­tives Image an. Wer an Lob­by­arbeit denkt, hat Hin­ter­zimmer-Deals im Kopf oder zwie­lichtige Treffen in dunklen Tief­ga­ragen. Doch meist wird Lob­by­ismus ganz normal in Büros und Kon­fe­renz­räumen betrieben.“

Der Spiegel ver­kauft seine Leser schon hier dumm. Die „Hin­ter­zimmer“, von denen der Spiegel schreibt, sind ja gerade die „Büros und Kon­fe­renz­räume“. Das Problem ist ja nicht, wo sich die Herr­schaften zusam­men­setzen, das Problem ist, dass es intrans­parent hinter ver­schlos­senen Türen geschieht.

Der Podcast wurde vom Spiegel tran­skri­piert, man kann also mit Zeit­angabe sehen, wann was gesagt wurde. Es beginnt damit, dass Schüler eines Abend­gym­na­siums gefragt wurden:

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„[00:03:47] Martin Jähnert Was ist für euch Lob­by­ismus? Ist das gut? Ist das schlecht? Was würdet ihr sagen? ….
[00:04:06] Teil­nehmer der lob­by­kri­ti­schen Führung Also, in erster Linie ist es erstmal vor­wiegend nur Inter­es­sen­ver­tretung, und das ist erst mal neutral oder positiv viel­leicht auch zu betrachten.

[00:04:18] Teil­nehmer der lob­by­kri­ti­schen Führung Aber gleich­zeitig ist es natürlich negativ behaf­teter Begriff häufig, weil ja Lob­by­isten, weiß man ja…“

Mehr konnten die dazu nicht sagen.

In dem Podcast ging es dann darum, dass Lob­by­isten „Nähe zu Poli­tikern schaffen“. Dazu wurden hübsche Bei­spiele ausgewählt:

„[00:05:25] Martin Jähnert Am besten hat man Freun­dinnen und Freunde in der ganzen poli­ti­schen Aus­ein­an­der­setzung. Und Freunde kann man sich unter anderem schaffen, indem man Men­schen schmei­chelt. Und das tut die Braue­rei­wirt­schaft, indem sie jährlich eine größere Ver­an­staltung schmeißt. Und da wird dann der Bot­schafter oder die Bot­schaf­terin des Bieres gekürt, der Ehren­preis, jedes Jahr.“

Das ist doch niedlich, oder? Es wird ein Poli­tiker zum „Bot­schafter des Bieres“ ernannt und das ist demnach Lob­by­ismus. Klingt nicht pro­ble­ma­tisch, oder? Dann geht es weiter:

„[00:05:42] Sebastian Spallek Und das heißt, die Lob­by­isten suchen die Nähe zur Politik, damit sie dann eben Ein­fluss, lang­fris­tigen Ein­fluss auf die Politik nehmen können und eben so ihrer Branche Vor­teile bringen.
[00:05:52] Mat­thias Kirsch Und dieses Nähe­suchen, von dem du geredet hast, wie sieht das in der Rea­lität aus?
[00:05:58] Sebastian Spallek Also mal ein Bei­spiel: Der Bier-Bot­schafter dieses Jahres ist Sigmar Gabriel. Und dadurch, dass der Brauerei-Verband eben diesen Preis ver­geben hat, haben die schon so eine Art Nähe geschaffen. Und solche Preise gibt es doch relativ viele. Der FDP-Chef Christian Lindner, der ist gerade Brot-Bot­schafter und da steckt der Zen­tral­verband des Deut­schen Bäcker­hand­werks dahinter.“

Das klingt doch nach nied­licher Folklore, oder? Bier­bot­schafter und Brot­bot­schafter. Alles gar nicht so schlimm. Ob wohl auch ein „Ban­ken­bot­schafer“ gekürt wird?

Was der Spiegel nicht erwähnt ist, dass mit solchen Preisen meist auch Geld ver­bunden ist. Poli­tiker bekommen von Lob­by­isten Geld bezahlt, wenn sie auf deren Ver­an­stal­tungen eine Rede halten. Das kann – wir erinnern uns an Stein­brück, der nach der Annahme des Finanz­markt­sta­bi­li­sie­rungs­ge­setzes sechs­stellige Summen für Reden bei Banken und Ver­si­che­rungen kas­siert hat – sogar richtig viel Geld sein.

Aber das ist natürlich keine Kor­ruption, das ist völlig legal in Deutschland: Stein­brück hat als Finanz­mi­nister das Gesetz von Fresh­fields schreiben lassen und den Banken über 60 Mil­li­arden geschenkt und hat anschließend von den Banken gigan­tische Honorare für kurze Vor­träge bekommen. Da das legaler Lob­by­ismus und keine Kor­ruption ist, berichtet Trans­pa­rency Inter­na­tional auch nicht darüber. Diese angeblich kri­tische Orga­ni­sation gegen inter­na­tionale Kor­ruption ist ein eigenes Thema, Details finden Sie hier.

Und weil das alles legal ist, ver­dient zum Bei­spiel „Brot­bot­schafter“ Lindner pro Jahr über 300.000 Euro pro Jahr an solchen Vor­trägen. Und die Regeln des Bun­des­tages zwingen ihn nicht, offen­zu­legen, von wem er wie viel wofür bekommen hat. Man weiß nur, dass er das Geld für 50 Vor­träge bekommen hat. Lindern bekommt also für eine kurze Rede im Schnitt über 6.000 Euro. Die Details dieser in Deutschland legalen Form der Kor­ruption habe ich hier auf­ge­zeigt.

Aber selbst diese angeblich harm­losen Ehrungen ver­harmlost der Spiegel noch einmal. Denn danach kommt die Frage:

„[00:06:19] Mat­thias Kirsch Also die Lob­by­isten ver­geben Preise, kommen so in Kontakt mit den Poli­tikern und können die dann lang­fristig irgendwie aus­nutzen, um Ein­fluss zu gewinnen. Das ist ja inter­essant. Aber sag mal, die Poli­tiker, die wissen doch ganz genau, was diese Ver­bände, was diese Unter­nehmen vor­haben. Die wissen doch: Die Lob­by­isten kommen mit einem ganz klaren Plan zu denen.“

Aber es ist alles ganz harmlos, wie die Antwort zeigt:

„[00:06:38] Sebastian Spallek Na klar, das wissen die auch. Den Poli­tikern, denen geht es in erster Regel ja um Informationen.
[00:06:42] Martin Jähnert Spe­ziell die Abge­ord­neten im Par­lament brauchen diese externe Expertise, dieses Fach­wissen, weil sie gar nicht genügend Res­sourcen haben, sich so intensiv in die Themen ein­zu­ar­beiten, wie das not­wendig wäre. Deshalb sagen da einige: Ich kann ohne Lob­by­is­tinnen und Lob­by­isten gar nicht arbeiten, ich brauche dieses Fach­wissen. Das Fach­wissen ist natürlich immer auch inter­es­sen­ge­leitet, natürlich – allzu inter­es­sen­ge­leitet darf es dann auch nicht sein. Denn wenn es falsch wird, dann bla­mieren sich die Abge­ord­neten, wenn sie dieses Fach­wissen annehmen, bla­mieren sich vor der Presse, vor Kol­le­ginnen und Kol­legen, und werden viel­leicht mit dem Lob­by­isten, der dieses Fach­wissen zur Ver­fügung gestellt hat, ab sofort nicht mehr reden.“

Natürlich ist das Fach­wissen nie „falsch“, es ist eben „nur“ Inter­essen geleitet. Wieder die Ban­ken­rettung als Beispiel:

Die Frage war, wie man die Ver­mögen der Anleger und den Zah­lungs­verkehr schützen kann. Und das wurde ja erreicht. Nur eben für viel mehr Geld als nötig und nebenbei wurden in erster Linie die Aktionäre, also die Eigen­tümer der Banken geschützt. „Falsch“ war es also nicht, es war nur unglaublich teuer und das Ziel hätte wesentlich effek­tiver und bil­liger erreicht werden können.

Aber das ist dem Spiegel immer noch nicht harmlos genug, daher kommt dann folgendes:

„[00:07:14] Mat­thias Kirsch Das heißt, wenn es jetzt im Bun­destag zum Bei­spiel zu einer Abstimmung, zu einem bestimmten Thema kommt und eine Poli­ti­kerin, ein Poli­tiker, die kennen sich bei diesem Thema jetzt nicht so gut aus, dann kriegen die tat­sächlich ihre Infor­ma­tionen von Lobbyisten.
[00:07:28] Sebastian Spallek Ja, das ist ganz oft so. Und das machen übrigens alle. Es sind nicht nur die großen Indus­trie­un­ter­nehmen, wie man sich das vor­stellt, die Poli­tikern eben Infos liefern, sondern auch NGOs wie Green­peace oder Amnesty – die machen genau das Gleiche.“

Was der Spiegel hier ver­schweigt ist, dass die Macht der Lob­by­isten ja nicht von der Nähe der Lob­by­isten zu Abge­ord­neten abhängt, sondern von der Nähe der Lob­by­isten zu Ent­schei­dungs­trägern in der Regierung. Es ist die Regierung, die die Gesetze ein­bringt. Und in die Nähe der Regierung kommt nur, wer genug Geld und Macht mit­bringt. Daher werden die Gesetze ange­nommen, die von reichen Indus­trie­lob­by­isten gewollt sind und nicht die Gesetze, die die bet­tel­armen Ver­brau­cher­schützer haben möchten. Das beste Bei­spiel dafür ist Gly­phosat. Bayer (und früher Monsanto) hat die Macht, dafür zu sorgen, dass das Mittel zuge­lassen wird, egal wie viele Ver­brau­cher­schützer dagegen sind.

Und so ist es bei jedem Thema. Es setzen sich am Ende die Lob­by­isten durch, die Geld haben und die den Poli­tikern auch noch gute Jobs für die Zeit nach der Politik anbieten können. Und da haben die Ver­brau­cher­schützer keine Chance gegen die Industrie.

Nachdem im Spiegel-Podcast ein Lob­byist selbst noch aus­führlich dar­stellen durfte, warum seine Arbeit ganz wichtig und unent­behrlich ist, durfte er zum Ende fol­gendes sagen:

„[00:16:08] Mat­thias Kirsch Wir haben zu Beginn unserer Folge schon gehört, warum Poli­tiker sich mit Lob­by­isten treffen. Die Poli­tiker kommen so recht einfach und schnell an Infor­ma­tionen. Aber warum besorgen sich die Poli­tiker diese Infos nicht aus einer neu­tralen Quelle, zum Bei­spiel aus Uni­ver­si­täts­studien oder ähnlichem?
[00:16:25] Andreas Geiger Studien, da haben Sie immer hundert, zwei­hundert Seiten Papier, die Sie erst mal durch­forsten müssen. Im Grunde genommen machen wir kos­tenlos genau diese Arbeit für den Abge­ord­neten, indem wir sagen: Gib uns eine halbe Stunde, eine Stunde, wir kommen, haben dir hier unsere wesent­lichsten Punkte auf einer Seite, sechs Bullet Points nie­der­ge­schrieben. Wir erklären es dir auch nochmal kurz, was das genau heißt. Das heißt, du hast von unserer Seite diese ganzen 150 Studien, die es dann eben aus der Branche zu dem Thema gibt, alles her­un­ter­ge­brochen auf einer Seite.“

Dass Studien kei­neswegs neutral sind, habe ich oft genug auf­ge­zeigt. Selbst wenn sie von einer angeblich neu­tralen Uni­ver­sität erstellt werden, muss man immer nach­prüfen, wer die Studie finan­ziert hat. Das ist kein Problem, es steht meist im Impressum mehr oder weniger offen geschrieben. Und dann wundert man sich jedes Mal, dass diese „neu­trale“ Studie rein zufällig zu einem Ergebnis kommt, das exakt den Zielen der Finan­ziers der Studie ent­spricht. Zufälle gibt es…

Zum Ende möchte ich in diesem Zusam­menhang noch auf aktuelle Mel­dungen hinweisen.

Wir haben am Bei­spiel Ban­ken­rettung gesehen, dass es die „Berater“ waren, die das Gesetz geschrieben haben, das dann den Banken zu Lasten der Steu­er­zahler Mil­li­arden in die Kassen gespült hat. Und wir haben gesehen, dass die ver­ant­wort­lichen Berater gleich­zeitig – rein zufällig – vom wich­tigsten Banken-Lob­by­isten gekommen sind.

Am 31. Januar gab es im Han­dels­blatt einen Artikel unter der Über­schrift „Bun­des­re­gierung gab für Berater 2019 mehr als eine halbe Mil­liarde Euro aus„. Die Ban­ken­rettung war 2008. Seitdem haben sich die Kosten für Berater der Minis­terien ver­viel­facht. Die Regierung bezahlt ihnen nun über 500 Mil­lionen pro Jahr, damit sie Gesetze machen, die uns schaden.

Das klingt pro­vo­kativ? Dann schauen Sie sich doch die aktu­ellen „Skandale“ an. Das Debakel mit der Maut im Ver­kehrs­mi­nis­terium ist auf dem Mist von Beratern gewachsen, die das Minis­terium beraten haben und dabei die Ver­träge so aus­ge­ar­beitet haben, dass das Minis­terium alle Risiken trägt und die Firmen, die die Maut auf­bauen sollen, eine Gewinn­ga­rantie haben.

Oder das Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium: Dort heißt der Skandal sogar ganz offi­ziell „Bera­ter­skandal“. Noch Fragen?

Auch diese Liste ließe sich fort­setzen, aber der Artikel ist auch so schon viel zu lang geworden…

 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“