Nach dem Chaos in der CDU wird Friedrich Merz nun wieder ins Spiel gebracht. Wofür steht der Mann und was können wir unter ihm als Kanzler erwarten?
Friedrich Merz ist ein eingefleischter Transatlantiker, was nichts anderes bedeutet, als das er politisch der Position Washingtons folgt. US-Interessen, die in Deutschland gerne als „transatlantisch“ bezeichnet werden, sind ihm weit wichtiger, als die Interessen der Menschen in Deutschland. Ganze zehn Jahre, von 2009 bis 2019, war er Vorsitzender der Atlantik Brücke, einer der führenden Lobbyorganisationen für die US-Politik in Deutschland. Daher steht zu befürchten, dass er noch kompromissloser für die US-Politik stehen wird, als es eine Merkel tut. Merkel setzt sich beim Thema Nord-Stream 2 zumindest mal für deutsche Interessen ein, unter einem Kanzler Merz dürfte auch das ein Ende haben und Deutschland dürfte anfangen, teures US-Frackinggas zu importieren.
Die Ziele der Atlantik Brücke stellt Merz allerdings auf seiner eigenen Homepage ganz anders dar:
„Von 2009 bis 2019 war er Vorsitzender der Atlantik-Brücke, die sich für Multilateralismus, offene Gesellschaften und den freien Handel einsetzt.“
Merz wird nachgesagt, er sei gut für die Wirtschaft, was ja als etwas Positives gilt. Aber was bedeutet das tatsächlich? Es bedeutet nichts anderes, als das Merz dafür sorgen wird, dass Deutschland auch weiterhin ein Niedriglohnland in Westeuropa bleibt und die Gewinne der Konzerne weiterhin steigen.
Und beim Thema Rente ist zu befürchten, dass Merz das (kommende) Problem der Altersarmut noch verschärfen wird, denn er tritt für eine Privatisierung der Rente ein. Was gut klingt, bedeutet nichts anderes, als dass die Beiträge an Fonds gehen und damit das Risiko besteht, dass die Renten in einer Finanzkrise verspielt werden. Das konnten wir anschaulich in den USA beobachten, wo in der Finanzkrise 2008 hunderttausende Menschen ihre Ersparnisse, die sie für´s Alter zurückgelegt haben, verloren haben. Als Führungskraft bei Blackrock, einem der größten Fonds für solche privaten Renten, macht Merz immer wieder mit Vorschlägen in diese Richtung Schlagzeilen.
Und als wäre das noch nicht genug, hat Merz auch noch ein sehr zweifelhaftes Demokratieverständnis. Das zeigte ein Spiegel-Artikel am 12. Februar anschaulich auf, der gleich mit folgendem Absatz begann:
„Der Unionspolitiker Friedrich Merz will die Parteimitglieder nicht an der Bestimmung einer neuen CDU-Spitze beteiligen. „Ich halte davon überhaupt nichts“, sagte Merz laut der Nachrichtenagentur dpa auf dem Jahresempfang des Wirtschaftsrats der CDU Sachsen-Anhalt in Magdeburg. „Wir können Mitglieder befragen, aber eine Entscheidung zu treffen, dafür haben wir Gremien.“
Merz hält also nichts davon, dass die Parteimitglieder demokratisch entscheiden, wer die Partei führen soll, er findet es besser, wenn „Gremien“ hinter verschlossenen Türen entscheiden. Merz beruft sich darauf, dass die SPD gerade gezeigt hat, dass ein Mitgliederentscheid kein gutes Personal an die Spitze der Partei gebracht hat. Damit hat er sicher recht, aber die SPD hat vorher schon ungezählte Vorsitzende gehabt, die von den „Gremien“ ernannt worden sind. Trotzdem war die SPD seit Jahrzehnten glücklos bei der Wahl ihrer Vorsitzenden. Das ist kein Problem, das der Mitgliederentscheid geschaffen hat.
Nach meiner Meinung sollte Merz schon Ende 2018 Parteichef der CDU werden. Dass AKK damals die Wahl knapp gewonnen hat, war wohl eher ein Betriebsunfall. Und der Gegenwind, den sie vom ersten Tag in Partei und Medien hatte, bestätigt das in meinen Augen.
Nun ist zu erwarten, dass Merz einen zweiten Anlauf macht, um Parteichef der CDU und wohl auch nächster Kanzler zu werden.
Im Spiegel konnte man auch noch lesen:
„Neben Mitgliederbefragungen warnte Merz auch vor anderen Formen der direkten Demokratie. „Sie können in Großbritannien sehen, was aus Volksbefragungen und der Laune des Augenblicks heraus wird“, sagte Merz mit Blick auf den Brexit. Im britischen Unterhaus habe es niemals eine Mehrheit für den Austritt der Briten gegeben.“
Man muss ja kein Freund des Brexit sein, aber als Demokrat muss man anerkennen, wenn die Wähler etwas wollen. Und dass der Brexit in Großbritannien von der Mehrheit gewollt wird, hat nicht nur das Referendum gezeigt. Die vorgezogene Neuwahl Ende 2019 war eine Abstimmung über den Brexit: Johnson, der sich für den kompromisslosen Brexit eingesetzt hat, hat haushoch gewonnen und Corbyn, der gegen den Brexit war, hat krachend verloren. Das muss man nun einmal anerkennen.
Dass es im britischen Unterhaus keine Mehrheit für den Brexit gegeben hat, zeigt höchstens auf, wie sehr sich das Parlament vom Willen des Volkes entfernt hat. Aber für Merz scheint der Wille der Abgeordneten, die über Parteilisten aufgestellt werden, wichtiger zu sein, als der Wille des Volkes, das die Abgeordneten wählt.
Wenn das Deutschlands neuer Kanzler wird, dann werden sich viele wohl schon bald sogar eine Merkel zurückwünschen.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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