NEWS ZU THÜ­RINGEN — CDU-Chefin will Minis­ter­prä­si­denten von SPD oder Grüne — CDU ver­liert in Umfragen massiv, AfD legt zu — Kret­schmer will Ver­stän­digung mit Linkspartei

Nach dem “Eklat” um die Wahl von Thomas Kem­merich (FDP) zum thü­rin­gi­schen Minis­ter­prä­si­denten hat CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar­ren­bauer SPD und Grüne auf­ge­fordert, eigene Kan­di­daten für das Amt des Minis­ter­prä­si­denten zu nomi­nieren. “Wir erwarten, dass es eine Bereit­schaft von SPD und Grünen gibt, einen Kan­di­daten oder eine Kan­di­datin zu prä­sen­tieren, der oder die als Minis­ter­prä­sident oder Minis­ter­prä­si­dentin nicht das Land spaltet, sondern das Land eint. Die CDU ist zu kon­struk­tiver Mit­arbeit bereit. Sie hat bereits Pro­jekte defi­niert, auf deren Grundlage eine kon­struktive par­la­men­ta­rische Sach­arbeit im Interesse des Landes möglich ist”, sagte Kramp-Kar­ren­bauer am Freitag in Berlin.Wenn der Versuch scheitere, “stabile Ver­hält­nisse zu erreichen, sind Neu­wahlen unaus­weichlich”, so die CDU-Chefin weiter. Zudem bekräf­tigte sie die Distanz der CDU zu AfD und Links­partei. “Es gibt keine Zusam­men­arbeit mit der AfD, weder in direkter noch in indi­rekter Form. Die Situation wie sie durch die Wahl des FDP-Kan­di­daten Kem­merich ent­standen ist, hat sich in den letzten Tagen gewandelt dadurch, dass Kem­merich seinen Rück­tritt ange­kündigt hat. Jetzt geht es darum, schnell für stabile und klare Ver­hält­nisse in Thü­ringen zu sorgen. Wir sind nach wie vor im Prä­sidium der Meinung, dass Neu­wahlen dafür der klarste Weg sind”, sagte Kramp-Kar­ren­bauer. Für die Bundes-CDU und die CDU Thü­ringen gelte wei­terhin, dass es von der CDU “keine Stimme für einen Kan­di­daten der AfD oder der Links­partei” gebe. Auch für einen Kan­di­daten, der auf Stimmen der AfD ange­wiesen sei, gebe es von der CDU “keine Stimme”. Bodo Ramelow (Linke) habe “offen­sichtlich keine Mehrheit im Thü­ringer Landtag”, so die CDU-Chefin weiter. Zudem bestä­tigte Kramp-Kar­ren­bauer, dass der Thü­ringer CDU-Chef Mike Mohring in der Sitzung am Don­ners­tag­abend seinen Rück­tritt als Vor­sit­zender der CDU-Fraktion im Thü­ringer Landtag “in Aus­sicht gestellt” habe. Bei der Minis­ter­prä­si­denten-Wahl im Thü­ringer Landtag hatte die AfD-Fraktion am Mittwoch ihren eigenen Kan­di­daten im dritten Wahlgang fal­len­ge­lassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kan­di­daten Thomas Kem­merich über­ra­schend zur Mehrheit ver­holfen. Der hatte die Wahl ange­nommen und sich unmit­telbar danach als Minis­ter­prä­sident ver­ei­digen lassen, am Don­nerstag aber nach Druck aus der Bun­des­partei den Rück­tritt, die Auf­lösung des Thü­ringer Land­tages und Neu­wahlen angekündigt.
NEU!!! Hier bestellen!

Forsa: CDU ver­liert in Thü­ringen massiv — Linke legt deutlich zu

In der neu­esten Forsa-Umfrage in Thü­ringen hat die CDU nach dem Eklat um die Minis­ter­prä­si­denten-Wahl in der Wäh­ler­gunst massiv nach­ge­lassen. Laut der Erhebung des Mei­nungs­for­schungs­in­stituts für RTL und n‑tv, die am Freitag ver­öf­fent­licht wurde, ver­liert die CDU in Thü­ringen gegenüber der Land­tagswahl im Oktober 2019 knapp zehn Pro­zent­punkte und kommt nun auf 12 Prozent der Stimmen, wenn jetzt erneut gewählt würde. Die Links­partei kann dagegen um 6 Pro­zent­punkte zulegen und liegt nun bei 37 Prozent.

Die AfD gewinnt 0,6 Pro­zent­punkte hinzu und kommt nun auf 24 Prozent. Die FDP ver­liert gegenüber der Land­tagswahl im Oktober 2019 einen Pro­zent­punkt und käme noch auf 4 Prozent. Damit würde die FDP es nicht mehr in den Landtag schaffen. Die Grüne legen um 1,8 Pro­zent­punkte zu und kommen auf 7 Prozent. Die SPD gewinnt 0,8 Pro­zent­punkte hinzu und kommt auf 9 Prozent. Rot-Rot-Grün käme zusammen auf 53 Prozent, sodass der abge­wählte Minis­ter­prä­sident Bodo Ramelow (Linke) sich auf eine regie­rungs­fähige Mehrheit stützen könnte. Für eine der sons­tigen Par­teien würden sich 7 Prozent ent­scheiden. Die große Mehrheit der Thü­ringer (77 Prozent) bewertet es laut Forsa “weniger gut oder schlecht”, dass Thomas Kem­merich (FDP) sich mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD zum Minis­ter­prä­si­denten wählen ließ. 20 Prozent der Befragten fanden dieses Vor­gehen “gut” oder “sehr gut”. 56 Prozent der Thü­ringer sind der Auf­fassung, dass die Wahl Kem­me­richs mit­hilfe der AfD Aus­wir­kungen über das Bun­desland hinaus hat: die Sta­bi­lität des poli­ti­schen Systems in ganz Deutschland sei dadurch gefährdet. 72 Prozent der Thü­ringer sind zudem der Meinung, dass Kem­merich die Wahl nicht hätte annehmen dürfen. 70 Prozent begrüßen seinen Rück­tritt, 26 Prozent der Befragten halten den Rückzug für falsch. 71 Prozent der Thü­ringer haben kein Ver­ständnis für das Ver­halten der CDU im Landtag, 26 Prozent äußern sich ver­ständ­nisvoll. 68 Prozent der Befragten sind laut Forsa für Neu­wahlen, 29 Prozent sind dagegen. Eine Mehrheit in Thü­ringen hätte gern den alten Minis­ter­prä­si­denten wieder. 65 Prozent bedauern, dass Ramelow nicht mehr Regie­rungschef ist. Wenn die Thü­ringer ihren Minis­ter­prä­si­denten direkt wählen könnten, würden sich 64 Prozent für Ramelow ent­scheiden. 6 Prozent würden Kem­merich wählen, 9 Prozent Mike Mohring (CDU) und 3 Prozent Christoph Kin­der­vater (AfD). Für die Erhebung befragte Forsa im Auftrag der Medi­en­gruppe RTL am 6. Februar 2020 ins­gesamt 1.003 Per­sonen in Thüringen.

Poli­to­logen rechnen bei Neuwahl in Thü­ringen mit AfD-Stimmenzuwachs

Nach Ein­schätzung von Poli­tik­wis­sen­schaftlern spielt eine mög­liche Neuwahl in Thü­ringen der AfD in die Hände. “Nach dem jet­zigen Tohu­wabohu, das viel­fältige Nach­weise poli­ti­scher Inkom­petenz in Handeln und Ver­ant­wortung in sich birgt, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die AfD davon pro­fi­tieren wird”, sagte der Pas­sauer Poli­tik­pro­fessor Heinrich Ober­reuter dem “Han­dels­blatt”. Gleichwohl seien Neu­wahlen “jetzt der kon­kur­renzlose Ausweg.”

Auch der Ber­liner Poli­tik­wis­sen­schaftler Oskar Nie­der­mayer rechnet mit Stim­men­zu­ge­winnen für die AfD. “Sollte es vor­ge­zogene Neu­wahlen geben, dann wird die AfD – wie sie jetzt schon in einer Pres­se­mit­teilung ver­deut­lichte — die Auf­lösung des Landtags als ‘Kniefall vor Merkels Politbüro-Befehl‘ und ‘Ver­achtung demo­kra­ti­scher Prin­zipien‘ brand­marken und sich als Opfer eines Anti-AfD-Kar­tells der Alt­par­teien hin­stellen”, sagte Nie­der­mayer der Zeitung. Da es viele Leute geben werde, “die argu­men­tieren, die Minis­ter­prä­si­den­tenwahl sei eine normale demo­kra­tische Wahl gewesen, deren Ergebnis man zu respek­tieren habe, kann das der AfD bei Neu­wahlen durchaus nützen”, so der Poli­tologe weiter. Ähnlich äußerte sich der Mainzer Poli­tik­wis­sen­schaftler Kai Arzheimer: Das Unver­ständnis und die Empörung über das Ver­halten von FDP und CDU innerhalb und außerhalb des Frei­staates sei so groß, “dass beide Par­teien bei Neu­wahlen sicher mit wei­teren Ein­bußen rechnen müssten”, sagte Arzheimer dem “Han­dels­blatt”. “Dass die AfD mög­li­cher­weise nochmals etwas besser abschneidet, ist nicht aus­zu­schließen, von wei­teren großen Zuge­winnen würde ich aber nicht aus­gehen”, so der Poli­tologe weiter.

Bericht: Mohring tritt im Mai als CDU-Frak­ti­onschef in Thü­ringen ab

Mike Mohring räumt laut eines Medi­en­be­richts seinen Posten als Vor­sit­zender der CDU-Fraktion im Thü­ringer Landtag. Bis zu einer Neuwahl der Frak­ti­ons­spitze im Mai wolle Mohring den Übergang orga­ni­sieren, berichtet MDR Thü­ringen unter Berufung auf eigene Infor­ma­tionen. Seinen Posten als Thü­ringens CDU-Chef soll er offenbar behalten: Mohring hatte nach dem Eklat bei der Minis­ter­prä­si­denten-Wahl im CDU-Lan­des­vor­stand am Don­nerstag die Ver­trau­ens­frage gestellt und wurde bestätigt.

Mohring habe zwölf Ja- und zwei Nein-Stimmen bekommen, teilte Raymond Walk, Gene­ral­se­kretär der CDU Thü­ringen, am Don­ners­tag­abend mit. Dies sei ein “rich­tiges Signal für den wei­teren gemein­samen Weg”, so Walk weiter. Zwei Vor­stands­mit­glieder ent­hielten sich demnach. Bei der Minis­ter­prä­si­denten-Wahl im Thü­ringer Landtag hatte die AfD-Fraktion am Mittwoch ihren eigenen Kan­di­daten im dritten Wahlgang fal­len­ge­lassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kan­di­daten Thomas Kem­merich über­ra­schend zur Mehrheit ver­holfen. Der hatte die Wahl ange­nommen und sich unmit­telbar danach als Minis­ter­prä­sident ver­ei­digen lassen, am Don­nerstag aber nach Druck aus der Bun­des­partei den Rück­tritt, die Auf­lösung des Thü­ringer Land­tages und Neu­wahlen angekündigt.

Kret­schmer rät CDU zur Ver­stän­digung mit Linkspartei

Sachsens Minis­ter­prä­sident Michael Kret­schmer (CDU) hat seine Partei zu einer Ver­stän­digung mit der Links­partei in Thü­ringen auf­ge­rufen. “Zwi­schen AfD und Links­partei sehe ich einen großen Unter­schied”, sagte er den Zei­tungen der Funke-Medi­en­gruppe (Frei­tag­aus­gaben). “Mein Rat ist, abzu­rüsten, gemeinsame Gespräche zu suchen und die Situation nicht weiter anzu­heizen. Die Lösung liegt in einer Ver­stän­digung über Par­tei­grenzen hinweg – mit Aus­nahme der AfD.”

Zugleich riet Kret­schmer von Neu­wahlen in Thü­ringen ab. “Mit Neu­wahlen legen die Par­teien den Bürgern die Ent­scheidung über die künftige Regierung in die Hände. Aber ich sehe mir Sorgen, dass die poli­ti­schen Ränder links und rechts, die auf keinen Fall zusam­men­ar­beiten, dabei gestärkt werden könnten”, sagte er. “Das ist dann selbst­ver­ständlich Demo­kratie. Aber trotzdem kein gutes Ergebnis.” Deshalb werbe er so intensiv für ver­bales Abrüsten. Nach der Land­tagswahl im Oktober wäre der einzig ver­nünftige Weg gewesen, dass die rot-rot-grüne Regierung mit einem geschäfts­füh­renden Minis­ter­prä­si­denten Bodo Ramelow (Linke) im Amt geblieben wäre, betonte Kret­schmer. “Und bei zen­tralen Fragen, die für die Zukunft Thü­ringens ent­scheidend sind, sucht man Mehr­heiten im Landtag – unter Betei­ligung der CDU. Das gebietet schon die staats­bür­ger­liche Ver­ant­wortung.” Die AfD sei von einer Aggres­si­vität, Geschichts­ver­ges­senheit und Bös­ar­tigkeit in der Wortwahl, dass er “über­haupt nicht ver­stehen kann, wie man auch nur im Ansatz gemeinsame Pro­jekte auf den Weg bringen kann”. Des­wegen hätten FDP und CDU mit der Wahl von Thomas Kem­merich zum Minis­ter­prä­si­denten “einen fatalen Fehler gemacht”. Das Wahl­er­gebnis in Thü­ringen zeige ganz deutlich, dass es für keine poli­tische Kon­stel­lation eine Mehrheit gebe. “Erwachsene, ver­ant­wor­tungsvoll han­delnde Men­schen stellen sich dieser Wahrheit”, sagte der Minis­ter­prä­sident. “Zu viele haben das Wahl­er­gebnis igno­riert und die eigenen Inter­essen über alles gestellt.”


Berlin (dts Nach­rich­ten­agentur) — Foto: Annegret Kramp-Kar­ren­bauer, über dts Nachrichtenagentur