Das Eingangstor des BND in Pullach - By Bjs - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

“Ope­ration Rubikon”: Wie in Russland über die auf­ge­deckte Abhör­aktion von BND und CIA berichtet wird

In den letzten Tagen wurde bekannt, dass der BND und die CIA über eine Schweizer Firma mehr als 100 Länder abgehört haben. Was ist pas­siert und wie wird in Russland darüber berichtet?

Bevor ich zu dem Bericht aus Russland komme, einige Worte vorweg. Geheim­dienste gibt es (leider), damit muss man leben. Und es ist ihr Job und Exis­tenz­zweck, die Gegner einer­seits aus­zu­spio­nieren und ande­rer­seits ihnen Des­in­for­ma­tionen zu liefern. Da das per Defi­nition der Exis­tenz­zweck von Geheim­diensten ist, ist es ziemlich sinnlos, sich nun über die Tat­sache auf­zu­regen, dass der BND und die CIA offenbar mit diesem Projekt sehr erfolg­reich genau das getan haben: Sie haben spioniert.

Aller­dings ist es etwas anderes, wenn Geheim­dienste ihre „Freunde“ aus­spio­nieren. Wer Ver­bündete aus­spio­niert, zeigt offen, dass er sie nicht für Ver­bündete hält. Das sollte eigentlich Folgen haben. Und in dem Bericht des ZDF, der das Projekt auf­ge­deckt hat, kann man sehen, dass das auch der deutsche BND so gesehen hat, die CIA jedoch nicht:

„Aus den Berichten, die uns vor­liegen, geht hervor, dass CIA und BND immer wieder darüber stritten, wer die mani­pu­lierten Chif­frier­geräte bekommen sollte. Die Deut­schen wollten nicht, dass ver­bündete Staaten aus­gepäht werden, die Ame­ri­kaner wollten im Grunde jede Regierung aus­spähen, auch mit „Ver­bün­deten so umgehen, wie sie mit Dritt­welt­staaten umgehen“, so heißt es in einem der deut­schen Dokumente.“

Das ist bis heute so. Wir alle erinnern uns an Merkels Ausruf „Spio­nieren unter Freunden geht gar nicht“. Damals war bekannt geworden, dass die USA Deutschland massiv abhören und sogar die Kanz­lerin selbst abgehört wurde. Kon­se­quenzen wurden nicht gezogen, die USA machen weiter wie bisher und die Deut­schen lassen es sich gefallen.

Die nun auf­ge­deckten Doku­mente zeigen, dass das bei den USA offen­sichtlich eine lange Tra­dition hat. Sie sehen ihre Ver­bün­deten als Vasallen an, oder wie der BND for­mu­lierte, als „Dritt­welt­staaten“. Und sie tun und lassen, was sie wollen. Offen­sichtlich sind Länder wie Deutschland aus Sicht der USA Vasallen oder „Dritt­welt­staaten“, denn sie hören uns wei­terhin ab und Deutschland tut nichts dagegen.

Nach dieser Ein­leitung kommen wir zu der Frage, wie in Russland darüber berichtet wird. Dazu habe ich einen Bericht des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Die CIA spio­niert seit mehr als 50 Jahren Staaten mit Schweizer Aus­rüstung zur Über­mittlung von geheimen Infor­ma­tionen aus. Das haben Jour­na­listen des deut­schen Senders ZDF und der ame­ri­ka­ni­schen Zeitung The Washington Post her­aus­ge­funden. Etwa 120 Länder haben dieses Kryp­to­system verwendet.

Buch­stabe für Buch­stabe wurden Nach­richten von Militärs, Spionen und Diplo­maten während des Zweiten Welt­kriegs, während des Kalten Krieges und im 21. Jahr­hundert in Maschinen ein­ge­geben und dann ver­schlüsselt über­mittelt. Die Maschinen und Tech­niken wurden wei­ter­ent­wi­ckelt und per­fek­tio­niert, aber eines blieb unver­ändert: aus­nahmslos alle Ver­schlüs­se­lungs­codes hat der Schweizer Her­steller an seine Eigen­tümer über­geben, an die CIA und den deut­schen Geheimdienst.

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Dut­zende Länder von Mexiko und Chile bis Indo­nesien und Japan zahlten der Schweizer Firma Mil­li­arden für Ver­schlüs­se­lungs­geräte und über­gaben so ihre Geheim­nisse an die Ame­ri­kaner und Deut­schen. Selbst der Iran und Libyen glaubten an die Neu­tra­lität der Schweizer.

„Gaddafi hatte aus­rei­chende finan­zielle Mittel und kaufte immer die beste Aus­rüstung, um alle Kor­re­spon­denzen zu ver­schlüsseln. Er hat fast alles ver­schlüsselt“, sagt Sergej Sudakow, Mit­glied der Aka­demie der Militärwissenschaften.

Das glaubte Muammar al-Gaddafi zumindest.

Hier ist ein Foto von den Gesprächen zwi­schen Jimmy Carter und dem ägyp­ti­schen Prä­si­denten Anwar Sadat. Als Sadat das Weiße Haus verließ, schickte er sofort einen ver­schlüs­selten Bericht nach Kairo. Ein paar Stunden später lag der Inhalt der geheimen Bot­schaft auf dem Schreib­tisch des ame­ri­ka­ni­schen Staatschefs.

Carter muss das System so geschätzt haben, dass er nicht einmal seinem Bruder davon erzählt hat. Geheim­dienste fingen etwas ab, was sie nicht bekommen sollten. Es wurde bekannt, dass Bill Carter – Jimmys Bruder – Mil­lio­nen­zah­lungen von Gaddafi erhalten hat. Der Fall wurde dann vertuscht.

„Nach einigen Berichten wurde das System der Crypto AG auch im Jahr 2011 ver­wendet, als die Ope­ration zur Besei­tigung Bin Ladens durch­ge­führt wurde. Diese Ope­ration wurde in einem fremden Land durch­ge­führt, in Pakistan. Und glauben Sie mir, es ist unmöglich, in Pakistan zu ope­rieren, ohne die Schlüssel zu ihren Netz­werken zu kennen“, sagte Sudakow.

Nur zwei Länder, die UdSSR und China, ver­trauten den Schweizern nicht und kauften keine Aus­rüstung bei ihnen. In Moskau und Peking wird nur eigene Aus­rüstung verwendet.

„Wir haben all die neuen Dinge, die auf­ge­taucht sind, genommen, also die tech­ni­schen Inno­va­tionen und wis­sen­schaft­lichen Erkennt­nisse. Natürlich haben Geheim­dienste daran gear­beitet, die Ver­schlüs­se­lungen und die Aus­bildung von Spe­zia­listen zu ver­bessern. Aber unsere Schule war und blieb die beste der Welt“, sagte Nikolai Ryzhak, Mit­glied der Staatsduma und bis 1991 Mit­ar­beiter der Gene­ral­di­rektion des sowje­ti­schen KGB.

Experten erzählen, dass Dut­zende von Firmen, nicht nur die Crypto AG, ver­sucht haben, uns Aus­rüstung zu liefern. Aber jedes Mal stellte sich heraus, dass die Technik, die Geheim­nisse bewahren sollte, in Wahrheit diese Geheim­nisse wei­tergibt: „Wir sind zu ver­schie­denen Firmen gelaufen. Aber was wir bekamen, war ver­dächtig. Wir haben die ent­spre­chenden Hin­ter­türen gefunden. Einige davon waren Schläfer, sie sich erst in einer Krise akti­viert hätten“, sagte Ryzhak.

Dennoch führte die UdSSR geheime Kor­re­spondenz mit den Kun­den­ländern der Schweizer Firma durch, mit dem Iran und Ländern in Latein­amerika und Afrika. Hat das sowje­tische Daten ver­wundbar gemacht? Jour­na­listen der Washington Post behaupten das in ihrer neuen Unter­su­chung. Aber rus­sische Kryp­to­graphen sind sicher, dass es nicht so ist. Um ver­schlüs­selte Kor­re­spondenz zu führen, müssen Spe­zia­listen an beiden Enden der Leitung die Aus­rüstung des­selben Her­stellers verwenden.

„Wenn sowje­tische Aus­rüstung auf der einen Seite der Leitung ver­wendet wird und auf der anderen Seite der Leitung steht Aus­rüstung der Crypto AG, ist Kom­mu­ni­kation unmöglich. Es ist prak­tisch undenkbar, dass die Sowjet­union ihre Schlüssel Unbe­kannten über­geben hat. Das sind wohl eher die Fan­tasien der Jour­na­listen der Washington Post“, sagte Vartan Khach­a­turov, CEO von „Kryp­tonite“.

Doch selbst in dieser Situation kommen einige ame­ri­ka­nische Jour­na­listen zu dem Schluss, dass die Schuld für die totale Über­wa­chung nicht die USA tragen, sondern die Russen. Warum? Weil die besten Mathe­ma­tiker und Kryp­to­graphen aus Russland kommen. Sogar der Gründer der Crypto AG und Erfinder ihrer ersten Maschine, Boris Heiglin, wurde in unserem Land geboren. Aus Russland kam auch sein Partner William Friedman. Also, schreiben die Ame­ri­kaner, liegt die Ver­schlüs­selung den Russen im Blut und die CIA benutzt sie nur.

Ende der Übersetzung


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“