In China wird nun, nachdem wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, eifrig am neuen Coronavirus geforscht. Ein Team von Wissenschaftlern aus Wuhan und Shenzhen will herausgefunden haben, dass die verschiedenen Blutgruppen der Menschen auffällige Unterschiede in der Anfälligkeit und dem Verlauf der Covid 19-Infektionen zeigen.
Sie gehen sogar so weit zu sagen, dass die Blutgruppe möglicherweise einer der Hauptfaktoren ist, der bestimmt, ob und wie schwer man Covid 19 bekommt. Die Auswertung ihrer Studie ist im medizinischen Fachblatt medRxiv zu lesen.
Die Wissenschaftler konnten auf eine Gruppe von 2.173 Infizierten zurückgreifen, die in verschiedenen Kliniken behandelt worden waren. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zeigten, dass die Blutgruppe nicht nur einer der dominierenden Faktoren dafür ist, wie schwer oder leicht die Erkrankung verläuft, sondern auch bestimmt, wie leicht der Betreffende infiziert werden kann.
Die anfälligste Blutgruppe ist A. Diese Blutgruppe war die Größte unter den Erkrankten und vor allem den schwer Erkrankten zu finden. Sie sind am wenigsten resistent und tragen leider das größte Risiko einer Ansteckung mit schwerem Verlauf. Weniger Menschen gehörten zur Blutgruppe AB oder B und relativ selten erwischte die Blutgruppe 0 das Virus und wurde auch bei Infektion seltener wirklich krank. Die Ergebnisse waren in allen Kliniken und beiden Städten nahezu identisch. Die Studie untersuchte allerdings nicht zusätzlich die Risiken nach Geschlecht und Alter im Zusammenhang mit der Blutgruppe.
Es wurde allerdings zur Vorsicht geraten, was die Bewertung dieser Studienergebnisse betrifft. Diese Ergebnisse seien vorläufig und starke Hinweise, müssten aber durch weitere Untersuchungen – vor allem weltweit — noch bestätigt oder widerlegt werden.
Dr. William A. Petri, Jr. von der University of Virginia in Charlottesville, prüfte die Studie und schätzte die Studieenergebnisse als „plausibel“ ein: „Diese Arbeit ist eine sehr vorläufige, aber es ist biologisch plausibel, dass verschiedene Blutgruppen verschieden anfällig für COVID-19 sein können“
(“The work is very preliminary, but it is biologically plausible that different blood groups might vary in their susceptibility to COVID-19.”)
Der Wissenschaftler erläuterte das so, dass Coronaviren an ihrer Oberfläche bestimmte Proteine haben, die an verschiedene Zuckerarten auf Oberflächenzellen des Körpers andocken können. Welche Zuckerart das ist, wird von den Antigenen der jeweiligen Blutgruppen bestimmt: „Wenn du Blutgruppe A hast, hast du einen besonderen Zucker auf der Oberfläche deiner Zellen, sogenanntes ‚anacitosales Glucosamin‘, den du nicht hast, wenn deine Blutgruppe 0 ist”, erklärte Petri. Und dieser Zucker ermöglicht dem Virus, leichter anzudocken an die Zellen und einen „Wirts-Rezeptor“ anzuschalten. Das ist das Problem, denn normalerweise sollten jetzt die Antikörper im Blut aktiv werden und die Invasion des Virus in die Zelle blockieren.
An und für sich sind die verschiedenen Blutgruppen und ihre Eigenschaften schon seit über 100 Jahren von Forschern untersucht und kategorisiert worden. Dass die verschiedenen Gruppen durchaus Einfluss auf die Reaktion bei Infektionskrankheiten haben, wurde Anfang der 19er Jahre schon festgestellt. Damals drehte es sich in erster Linie um Malaria und auch, als die „Spanische Grippe“ 1918 wütete, versuchte man, über die Analyse der Blutgruppe weiterzukommen.
In Bezug auf den neuen Coronavirus ergab sich für die Forscher, dass die Häufigkeit der Blutgruppen in Wuhan folgendermaßen verteilt war:
Typ A = 31%
Typ B = 24%
Typ AB = 9%
Typ 0 = 34 %
Im Vergleich dazu war der Anteil der Infizierten:
Typ A = 38%
Typ B = 26%
Typ AB =10%
Typ 0 = 25%
Fast das identische Bild ergab sich in Shenzhen.
Obwohl also die Menschen mit der Blutgruppe 0 die größte Einwohnergruppe stellen, nämlich 34%, sind sie aber unter der Menge der Infizierten nur mit 25% vertreten. Umgekehrt stellen die Einwohner mit Blutgruppe A in der Bevölkerung 31%, machen aber 38% der Infizierten aus. Die Bluttypen A und AB liegen dagegen fast identisch mit ihrem Einwohneranteil auch im Prozentsatz der Angesteckten: 24% von Wuhans Bürgern haben Blutgruppe B und stellen25% der Infizierten, Gruppe AB stellt 9% der Bürger Wuhans und bilden 10% der Infizierten.
Das bedeutet aber auch, dass Menschen mit Blutgruppe A nicht panisch werden müssen. Die Zahlen zeigen zwar einen signifikanten Unterschied, aber es ist auch nicht so, dass Menschen mit Blutgruppe A fast alle Covid 19 bekommen und die mit Blutgruppe 0 sicher vor der Infektion sind. Es geht nur um einige Prozentpunkte. Diese Ergebnisse könnten der Wissenschaft aber Hinweise darauf geben, wie die Ansteckung und Erkrankung im Immunsystem wirkt und welche Mechanismen im Körper die Ansteckung verhindern. Daraus lässt sich vielleicht ein maßgeschneidertes Medikament entwickeln oder eine Behandlung, die effektiver ist, als bisher.
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