Am Sonntag titelte die „Welt“: “Donald Trump greift nach deutscher Impfstoff-Firma“ und behauptete in dem Beitrag, US-Präsident Donald Trump versuche, mit viel Geld – die Rede war von einer Milliarde Dollar – die deutsche Firma CureVac zu kaufen, die gerade einen Impfstoff gegen Corona entwickelt. Und dass Präsident Trump diesen Impfstoff nur exklusiv für die USA haben will.
Das wisse die „Welt“ aus Regierungskreisen, schreibt das Blatt. Ein anonymer Informant, selbstverfreilich. Der Artikel wartet mit Details auf und behauptet sogar, es sei zu einer handfesten, wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und den USA gekommen. Und Daniel Menichella, der bis vergangenen Mittwoch Chef der Firma CureVac gewesen sei, habe Anfang März an einem Treffen von Pharmamanagern mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus teilgenommen.
Die Bundesregierung, so die „Welt“, versuche nun, Trump zu stoppen. Heroisch, möchte man fast andächtig anmerken. Das Problem sei aber, dass die CureVac eine private Firma ist, und da sei ein Verkauf an die USA (oder vielleicht gar an Präsident Trump persönlich? Das wäre dem Höllenschuft doch sicher zuzutrauen?) eben nicht so einfach und nur unter „besonderen Bedingungen“ möglich.
Aber dennoch sei die Bundesregierung dabei, das Problem zu lösen:
„Der Bund geht derzeit aber einen anderen Weg: Vertreter des Gesundheits- und des Wirtschaftsministeriums verhandeln mit CureVac. ‚Die Bundesregierung ist sehr daran interessiert, dass Impf- und Wirkstoffe gegen das neuartige Coronavirus auch in Deutschland und in Europa entwickelt werden‘, bestätigte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums WELT AM SONNTAG. ‚Diesbezüglich ist die Regierung in intensivem Austausch mit der Firma CureVac.‘
Deutschland, so ist in Berlin zu hören, bemühe sich, das Unternehmen mit finanziellen Angeboten zu halten. Bis Freitagmittag war man sich aber nicht einig geworden. CureVac selbst lehnte die Beantwortung von Fragen ab.“
Das ist natürlich eine Bomben-Nachricht, und so fand sich diese Skandalgeschichte auch gleich am selben Sonntag in vielen anderen Mainstreammedien und Nachrichtenagenturen wieder. Jeder regte sich auf: Der Nachrichtensender n‑tv titelt „Begehrter Corona-Impfstoff – Trump greift nach deutscher Pharma-Firma“. Die Welt selbst legt nochmal eine Kohle nach: „Der unverschämte Angriff auf CureVac ist ein Weckruf für Deutschland“.
Kostproben gefällig?
„US-Präsident Trump hat für sein unmoralisches Angebot, seinem Land Exklusivrechte an einem Impfstoff gegen Covid-19 zu sichern, eine deutliche Abfuhr kassiert. Der Fall sollte Deutschland zu denken geben – und es aufrütteln.“
„Ein Gutes aber hat die Kaltschnäuzigkeit, mit der US-Präsident Donald Trump seine alte Idee eines ‚America First‘ im Fall der Firma CureVac offenbar auf die pervertierte Spitze treiben wollte. Der allzu plumpe Versuch, wertvolle Technologie und kluge Wissenschaftler aus Tübingen mit viel Geld nach Amerika zu locken, hat Deutschland aufgerüttelt.“
„Dass aus dem bösen Deal tatsächlich nichts wurde, hat das Land aber vor allem einem zu verdanken: CureVac-Eigentümer Dietmar Hopp“
Potzdonner, da hat aber die „Welt“ mal so richtig mit der flachen Hand in den Breiteller gehauen. Präsident Trump hat nicht ein Angebot gemacht, er hat nach CureVac „gegriffen“ (!) und zwar unmoralisch (!) mit einem „bösen Deal“. Und natürlich, wie kann Donald Trump auch anders sein, kaltschnäuzig, plump und pervertiert.
Noch am selbigen Sonntag wurde Innenminister Seehofer auf einer Pressekonferenz von der New York Times auf die ganze Sache angesprochen und gefragt, ob denn dieses Gerücht stimme. Minister Seehofer bestätigte, er habe es von mehreren Kabinettskollegen gehört, das treffe zu.
Das Manager Magazin titelt am Montag: „CureVac-Haupteigner Dietmar Hopp lässt Donald Trump auflaufen“. Die Süddeutsche schreibt ebenfalls sofort am Montag darüber und zitiert ein Gespräch mit dem „CureVac-Eigner“ Hopp. Herr Hopp redet über dies und das, dass im Herbst im Idealfall ein Impfstoff verfügbar sein könne.
Das hat er aber gar nicht der Süddeutschen, sondern dem Sender „Sport 1“ erzählt.
Und da wird es doch etwas seltsam. Herr Hopp antwortet auf die Frage von „Sport 1“, warum er denn nicht auf das Angebot des US-Präsidenten eingegangen sei: „Für mich ist das selbstverständlich, es kann gar nicht sein, dass eine deutsche Firma den Impfstoff entwickelt und dieser in den USA exklusiv genutzt wird. Das war für mich keine Option.“
(Hätte Herr Hopp als Mehrheitseigner denn eigentlich die Firma überhaupt nach Gutdünken verkaufen können?)
Der Sender fragt nach: „Wie sind die Kontakte mit dem US-Präsidenten gelaufen?“
Darauf antwortet Herr Hopp: „Ich persönlich habe nicht mit Herrn Trump gesprochen. Er hat mit der Firma gesprochen und man hat mir das dann sofort gesagt und gefragt, was ich davon halte und ich wusste sofort, dass das nicht infrage kommt.“
(Dass der US-Präsident selber einfach mal die Telefonnummer von CureVac in Tübingen wählt und sagt, „ich will euren Laden kaufen“, ist etwas seltsam.)
Und jetzt kommt‘s: Die Firma CureVac weiß aber überhaupt nichts von diesem Angebot des US-Präsidenten.
Der Stern schreibt noch am selbigen Montag: „CureVac-Geschäftsführer bestreitet Trump-Angebot, auch Dietmar Hopp äußert sich erneut“.
Der Sprecher der Firma CureVac, Herr Schüller, betont, dass überhaupt kein Angebot vorliege. Er sagt nur, dass es noch völlig offen sei, ob CureVac den Impfstoff, sobald er fertig entwickelt ist, auslizensiert, also verschiedenen anderen Herstellern die Lizenz zur Fertigung verkaufen wird, ob externe Verträge vergeben werden oder ob CureVac den Impfstoff selbst vertreiben wird. Ansonsten heißt es zu den Medienberichten über den Verkauf an US-Präsident Trump nur:
„CureVac enthält sich jeglicher Kommentare zu den aktuellen Medienspekulationen und weist die Behauptungen über den Verkauf des Unternehmens oder seiner Technologie deutlich zurück.“
Außerdem, teilte Firmensprecher Schüller mit, sei Herr Hopp gar nicht operativ bei CureVac tätig, sondern nur als Investor.
Also wir halten fest:
Die „Welt“ hat die Information von der Absicht Präsident Trumps, die Firma CureVac samt ihrem Coron-Impfstoff für eine Milliarde zu kaufen, von einer anonymen Quelle in der Bundesregierung. Diese unternehme nun alles, um den Verkauf zu verhindern. Die Kritik an dem „Schuft Donald Trump“ vergreift sich – mal wieder – komplett im Ton, das ganze erzeugt eine Empörungswelle.
Die Welt behauptet, die Bundesregierung habe mit CureVac verhandelt, obwohl die gar kein Angebot vorliegen haben wollen. Wie verhandelt man denn sowas? Der Mehrheitseigner und Investor von CureVac behauptet wiederum, das gar nicht gemachte Angebot sowieso abgelehnt zu haben. Diese Ablehnung erfolgte gegenüber jemandem, mit dem er gar nicht gesprochen hat. Und unterrichtet über die ganze Sache wurde Herr Hopp von der Firma, die von einem solchen Angebot gar nichts weiß.
Der Zusatz, Herr Hopp sei lediglich Investor, lässt tief blicken. Anscheinend heißt das, Herr Hopp habe gar nicht zu entscheiden gehabt, ob die Firma verkauft wird oder nicht.
Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hatte aber bereits am selben Tag, am Sonntag, den 15. März, in einem Tweet schon klargestellt, dass die ganze Geschichte eine Ente ist. Fake News. Desinformation. Aber eben ein allzu beliebtes und verlockendes Thema, bei dem wieder auf den US-Präsidenten eingedroschen werden konnte.
Herr Richard Grenell schreibt hier:
„Stimmt nicht. Die Welt-Story war falsch. Aber Business Insider, Reuters und andere haben es trotzdem mit verbreitet, obwohl sie keine eigenen Quellen hatten. Und jetzt rudern alle zurück.“
Wäre das nicht einmal eine gute Vorübung, das von Frau EU-Vizekommissionschefin, Frau Jourová, vorgeschlagene neue Gesetz, das gezieltes Verbreiten von Falschmeldungen unter Strafe stellt, zu testen? Um die verehrte Kommissarin für Werte und Transparenz einmal gebührend zu zitieren:
„Gesetzesänderungen könnten denkbar sein bei sicherheitsrelevanter Desinformation – beispielsweise beim Verbreiten von Nachrichten, die Panik schüren könnten“, sagte Jourová. „In manchen Mitgliedsländern gibt es strafrechtliche Verbote dafür, das könnte ein Weg für diejenigen EU-Staaten sein, wo dies noch nicht verboten ist.“
Nun? Hier ist doch wirklich eine ziemlich üble Sache geschehen. Es kam immerhin zu einer „handfesten, wirtschaftspolitischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und den USA“! Das ist relevant. Das sollte aufgeklärt werden. Da könnte die EU-Bevölkerung doch einmal blitzsauber vorgeführt bekommen, wie man so eine Desinformation aufklärt und wer da bestraft werden muss.
Also: Hat Präsident Trump tatsächlich ein Kaufangebot gemacht und vertuscht es, da es ein Skandal zu werden droht, indem er einen respektablen Diplomaten, Herrn Botschafter Grenell, vorschickt, alles zu dementieren? Und wurde dann auch die Firmenführung vielleicht erpresst, ebenfalls zu dementieren?
Oder ist die „Welt“ auf einen anonymen Wichtigtuer in Berlin hereingefallen, der sich da eine muntere Verschwörungstheorie zusammengebastelt hat, weil wohl tatsächlich ein Treffen von Pharmamanagern mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus stattgefunden hatte, wo jemand von CureVac anwesend war? Wurde da noch ein bisschen „Butter bei die Fische getan“? Konnte der Investor, Herr Hopp nicht widerstehen, sich als moralischer Leuchtturm zu inszenieren und hat einfach mal so daherformuliert, dass man glauben konnte, er habe tatsächlich persönlich Donald Trump „auflaufen lassen“?
Wer hat denn hier Desinformation betrieben und wie würden Sie die Wahrheit ermitteln, Frau Kommissarin Jourová?
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