Last­wa­gen­fahrer: Helden der Nation in der Krise – doch die Autohöfe sind nicht gerade eine Hilfe

Der Chef­rad­akteur des Magazins „Fern­fahrer“ hat einen Brand­brief an die Auto­hof­be­treiber geschrieben. Während sich die Leute in den Super­märkten um Nudeln und Klo­papier zanken, sind die Fern­fahrer die­je­nigen, die dafür sorgen, dass in den Super­märkten noch Waren stehen. Aber unter welchen Bedin­gungen? Die Zustände an den Ver­la­de­sta­tionen und den Autohöfen sind mit­unter eine Zumutung und in der Corona-Krise eine Kata­strophe. Hat jemand nur den lei­sesten Schimmer, was pas­siert, wenn diese Männer und Frauen auf­geben? Wenn die Brummis nicht mehr fahren?

Die Fahrer sind zurzeit quasi unun­ter­brochen auf der Straße und stehen unter hohem Druck. Die Bun­des­re­gierung hat die „Lenk- und Ruhe­zeiten“ gelo­ckert, um die Ver­sorgung der Bevöl­kerung mit Lebens­mitteln und dem Not­wen­digen zu sichern. Das bedeutet aber für die Fern­fahrer (natürlich männlich und weiblich!), dass sie länger und öfter unterwegs sind als übli­cher­weise. Ihre Pausen und die Mög­lichkeit, etwas zu essen bekommen, finden in den Autohöfen und Rast­stätten statt. Doch da scheint man sich bis­weilen nicht allzu sehr um die Fern­fahrer zu kümmern. Ja, es mag Eng­pässe geben, das ist sicher richtig, aber ein belegtes Brötchen darf nicht 3,95 € kosten. Die LKW-Fahrer bekommen langsam das Gefühl, dass die Auto­hof­be­treiber die Situation benutzen, um mehr Geld herauszuholen.

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An vielen Tank- und Rast­stätten werden nun plötzlich die Toi­letten und Duschen nicht mehr geöffnet. Fern­fahrer ist kein leichter Job, die vor­ge­schrie­benen Regeln haben ihren Grund. Die Männer und Frauen brauchen ihre Pausen, ihre Nachtruhe, anständige Duschen und ordent­liches Essen. In seinem Brief schreibt Chef­re­dakteur Markus Bauer:

Wer jetzt wichtige Güter trans­por­tiert und ent­spre­chend noch länger unterwegs ist, braucht umso mehr einen sicheren Hafen, um die Akkus wieder auf­zu­füllen, oder wenigstens zu duschen, sein Geschäft in einer sau­beren Toi­lette zu ver­richten und etwas Warmes zu essen. Das sind Grund­be­dürf­nisse, die jedem unserer Fahrer zustehen müssen. Die Fahrer fahren teil­weise bis zur Erschöpfung, um auch für Sie die Ver­sorgung zu sichern.

Während die Rast­stätten von Tank & Rast den Fahrern weiter, wenn auch teils etwas ein­ge­schränkt, eben diese Grund­ver­sorgung noch bieten (müssen), erreichen uns zunehmend Anrufe und Zuschriften von Fahrern, die genau das auf vielen Autohöfen nicht mehr auf­finden. Auch einige Ver­lader ver­weigern den Fahrern den Zutritt zu sani­tären Anlagen, dafür stehen ver­dreckte Dixi-Klos auf dem Hof.

Dabei geht es nicht um ein ein­ge­schränktes Angebot und etwas weniger Luxus. Es geht wirklich um absolute Grund­lagen. Dass Fahrer ihre Speisen nicht mehr im Restaurant ver­zehren dürfen, sondern gege­be­nen­falls in ihre Kabine aus­weichen müssen, mag noch erträglich und ver­ständlich sein. Es darf aber nicht sein, dass ihnen der Gang auf die Toi­lette oder zur Dusche ver­wehrt wird. Ein Fahrer berichtet gar, dass man nicht einmal seinen Was­ser­ka­nister auf­füllen wollte.“

Brum­mi­fahrer sind in der Regel nicht dafür bekannt, allzu zim­perlich im Nehmen zu sein. Sie sind sehr boden­ständige Leute, die ihr Geld hart ver­dienen. Wer von uns möchte unter der Woche Tag für Tag, Stunde um Stunde auf der Autobahn kleben, immer nur in Rast­stätten essen (meistens keine Haute Cuisine!), auf die wenig schönen Kabi­nenklos gehen, nach dem Schlüssel für die Dusche fragen, öfter sicher auch mal warten, wenn alle besetzt sind und die ihre Nächte ent­weder in einer Schlafkoje im LKW ver­bringen oder in einem wenig gemüt­lichen Rast­stätten- oder Hotel­zimmer? Und das für oft nicht mehr als 1800 € im Monat?

Kein Zugang zu Toi­letten und Duschen, Park­ge­bühren für den LKW bezahlen, aber dafür auch noch zu wenig, schlecht und teuer essen… obwohl man sich den Rücken kaputt fährt, dass alle anderen auch in einer Kri­senzeit wie dieser trotzdem alles kaufen können, was sie brauchen? Das kann nicht sein, heißt es in dem offenen Brief.

Auf der Fern­fahrer-Face­book­seite staunt man, wie viel Dank und Respekt den LKW-Fahrern plötzlich ent­ge­gen­ge­bracht wird. Die­selben Fahrer, die einem oft auf der Autobahn an Stei­gungen auf den Nerv gegangen sind, wenn die Ele­fan­ten­pa­trouille – dafür können sie nichts – im Schne­cken­tempo auf der rechten Spur bergan tuckert und einer dazwi­schen, der nicht ganz so langsam ist, schert nach links aus und sofort steigen die PKWs in die Eisen und ein Stau ent­steht. Da flucht so mancher PKW-Fahrer. Viel­leicht sehen wir aber jetzt einmal, wo wir wären, wenn es die „Ele­fan­ten­wan­de­rungen“ nicht mehr gibt.

Und ja, man kann ver­stehen, wenn dann bei so viel ver­dächtig spon­taner Wert­schätzung ein Fern­fahrer schreibt:

„Und wenn die Corona Krise vorbei ist und alles seinen nor­malen Gang geht, sind wir wieder der letzte Dreck“

Ein anderer:

„So lange ich denken kann werden wir ver­achtet, vor­ge­führt und ver­spottet. hinter geschlos­senen Fenstern vor denen die Fahrer stehen machen sich Mit­ar­beiter großer Häuser lustig über uns, man ver­wehrt uns Toi­letten und stellt Dixis auf, man beob­achtet uns Tag und Nacht mittels Kameras ob wir wollen oder nicht, man wirft uns Haus­ord­nungen und Arbeits­an­wei­sungen um die Ohren, nimmt uns Auto­schlüssel ab und lässt uns stun­denlang dann in “Fah­rer­lounges” sitzen. Man lässt Fahrer im Regen vor der Tür stehen, man nimmt sich heraus Fah­rer­häuser zu kon­trol­lieren und so vieles mehr. deshalb kommst du als Fahrer am besten durch wenn du die leck Mich am Arsch Ein­stellung an den Tag legst, und genau mit dieser Ein­stellung sollten wir genau so weiter machen wie vor Corona auch.“ 

Der erwähnte offene Brief ist dringlich, aber höflich. Auf der Face­book­seite wird aber durchaus Klartext geredet:

„Jahr­zehn­telang war man der Arsch der Nation, wurde beschimpft, genötigt, geschnitten, aus­ge­bremst etc. … Nun auf einmal soll alles anders sein? Denke ich nicht! Die Bevöl­kerung kennt solche Situation nur nicht! Ich habe mich in jungen Jahren mal nur von Frostis und Eistee ernährt! Lebte in einem Sozi­al­hotel mit Junkies zusammen … halbes Jahr­zehnt musste ich für den Füh­rer­schein (Aus­bildung zum BKF kämpfen) 20 Jahre lang wurde man beschimpft, belä­chelt, nie­der­ge­macht! Und nun auf einmal ist man wichtig? Das ist der­maßen lächerlich!
Jetzt werden Rast­stätten geschlossen wie Sani­tär­an­lagen! Und wer ist wieder DER ARSCH? Der BKF … Dazu kommen sämt­liche Auf­lagen wie Schu­lungen, Ärzt­liche Unter­su­chungen (in meinem Fall alle 5 Jahre), Kos­ten­punkt mit allem zusammen die 500- 800 € dafür, das man arbeiten möchte … dazu Spe­sen­sätze aus dem Mit­tel­alter. Park­platznot, Abzocke von Auto­hof­ketten, eine warme Mahlzeit weit über 10 €, Park­plätze gehen bei Ketten auf 20€ Gebühr, bei 7€ Ver­zehr­gut­schrift … duschen 3–5 € und und und … Kaffee 3.50 €, wo die all­ge­meine Qua­lität Neben­sache ist und noch mehr … das sollten sich die Bürger mal durch den Kopf gehen lassen … welche abends Zuhause sitzen und alles für selbst­ver­ständlich sehen … Situation und Rea­lität sind Welten … aber mit viel Hoffnung wird darüber nun auch mal Diskutiert!“

Da beißt die Maus keinen Faden ab. Ja, der Mann hat recht. Wir bemerken erst jetzt, was wir an diesen Männern und Frauen haben. Das sollten wir auch nicht ver­gessen. Es ist schön, dass ihnen jetzt auf der Face­book­seite der Respekt ent­ge­gen­ge­bracht wird, den sie ver­dienen. So sollte es auch bleiben. Ich per­sönlich jeden­falls habe mir das vorgenommen.

Und es gibt wohl auch Autohöfe, wo man die Fern­fahrer zu schätzen weiß und sich bemüht:

„Unser Autohof Total in Holdorf bietet wei­terhin Kaf­fee­spe­zia­li­täten und ver­schiedene Lecke­reien aus Restaurant und Bistro an, auf­grund der Ver­ordnung zum mit­nehmen … Duschen, WC und Wasch­ma­schine sind 24 Stunden benutzbar … alles wird regel­mäßig gereinigt … unsere Kol­le­ginnen und Kol­legen arbeiten 24 Stunden … wir freuen uns auf euren Besuch, bleibt gesund und allzeit gute Fahrt.“

Und was pas­siert diesem Autohof?

„Heute Mittag kam die Behörde und hat das Restaurant kom­plett geschlossen. Außer Haus ist auch nicht so einfach umzusetzen.
Man kann vorne vom Bistro was kaufen, darf es aber nicht mehr drinnen ver­zehren und auch nicht direkt vor dem Gebäude.. habe alles auf unserer fb Seite dazu geschrieben..
Die Duschen sind noch auf, aber wer weiß wie lange noch …
Ganz schlimm alles … mir tun die Fahrer sehr leid, aber ändern können wir auch nix.“
 

Doch der Autohof macht jetzt doch „Außer­haus­verkauf“ von Mahlzeiten.