Am 23. März verhängte die liebevoll besorgte Regierung ein Kontaktverbot und die Schließung fast aller Geschäfte, die nicht den lebensnotwendigen Erfordernissen dienen. Es ging darum, Leben zu retten und so überzeugte man das gutgläubige Volk davon, dass Distanz Fürsorge ist, dass die Verwundbaren unter uns nicht gefährdet werden dürfen. Ja, und abermals Ja!
Aber seltsamerweise galt das auch für alle gesunden, jungen Bürger, ein Novum in der Medizingeschichte. Im Prinzip sind wir seitdem alle mehr oder weniger in Quarantäne und können erst seit Montag – aber nur mit Gesichtsmaske! — in die wiedereröffneten Geschäfte. Wie kam es dazu, dass diese rigorose Maßnahme widerstandslos durchging? Warum haben nicht schon damals so viele Menschen wie heute dagegen aufgemuckt, Fragen gestellt, ihre Bürgerrechte eingefordert?
Ganz einfach. Alle hatten Angst. Das Robert-Koch Institut hatte noch einen untadeligen Ruf und war Herrscher über die Zahlen. Und es begab sich just zu dieser Zeit, dass die Zahlen geradezu alptraumhaft klangen. Nachrichtenseiten, wie n‑tv präsentierten 24 Stunden am Tag nonstop den Coronaticker mit Fallzahlen, Neuinfektionen, Totenzahlen in Deutschland, Europa und weltweit.
Die Zahlen waren beeindruckend. Daher schwiegen wir alle und waren nicht einmal allzu böse, dass wir uns daheim einigeln sollten. Jeden Tag schossen sie „noch exponentieller“ in die Höhe. Hier eine Grafik des RKI mit den damals gezeigten und aktuellen Zahlen:
Wir sehen die Reproduktionszahl der Covid-19 Infektionen. Was sagt uns die Kurve dazu? Am 9. März steckte jeder Covid-19-Infizierte im Schnitt noch mehr als 3 Menschen an. Kurz vorher war die Kurve noch abgeflacht. Bis zum 9. März (erste, gestrichelte Linie) schoss sie hoch um danach leicht abzuflachen, erreichte den Peak etwa am 11. März mit der Reproduktionszahl von durchschnittlich ca. 3,5 Neuinfizierten pro Erkranktem, um dann am 20. März die magische Linie von 1 zu kreuzen. Dennoch wurde am 23. März eine rigorose Verschärfung der Maßnahmen vorgenommen: Der berüchtigte „Lockdown“.
Niemand beschwerte sich, denn diese Kurve sah keiner. Stattdessen meldeten die Medien, dass am 9. März 300 Neuinfektionen zu vermelden waren, am 16.3. waren es schon 1.900 Neuinfektionen (dabei war die Reproduktionsrate bereits auf ca. 1,75 gefallen, zweite gestrichelte Linie) und am 23. März erfuhren wir die Schocknachricht von 3.200 Neuinfektionen. Da lag die Reproduktionsrate unter eins, das bedeutet, die Ausbreitung fiel in sich zusammen. Und das bevor der Lockdown verhängt wurde.
Erfahren haben wir das nicht. Was wir zu sehen bekamen, waren solche Grafiken:
Der Anstieg bis zum 17. März ist respekteinflößend. Das schürt Angst in der Bevölkerung.
Hier ist die Grafik bis zum 26. April von Statista zu sehen:
Solche Bilder suggerieren sofort eine immense Gefahr. Trotz Lockdown am 23. März türmt sich eine Corona-Tsunamiwelle auf. Ein ganz anderes Bild, als bei der Kurve ganz oben. Die Bevölkerung sieht solche Statistiken und verschanzt sich freiwillig daheim, um nicht von dieser „Tsunamiwelle“ erfasst zu werden.
Was aber bei all dem unerwähnt bleibt ist die Tatsache, dass man umso mehr Neuinfizierte entdeckt, je mehr Tests man durchführt. Wenn man bei hundert getesteten Personen 25 Infizierte findet und in die Statistik einträgt, am nächsten Tag zweihundert Personen testet und dabei 50 Infizierte diagnostiziert und in die Statistik als Neuinfektionen einträgt, am folgenden Tag 400 Personen mit 100 Infizierten, ebenfalls in die Statistik einträgt, erhält man die Musterparabel aus der Oberstufenmathematik, die steil unendlich nach oben abfliegt und einfach schon beim Anblick eine Horrormeldung ist. Was aber für die tatsächliche Zahl der Infizierten aber wenig Aussagekraft hat. Man findet einfach nur mehr, wenn man mehr Personen testet. Auch wenn die Infektquote, wie in diesem Beispiel, konstant bei 25% stehen bliebe. Was theoretisch bedeutet, dass in dem Moment, wo alle Menschen aus dem vorhandenen „Pool“ an Menschen durchgetestet sind, die Neuinfektionen schlagartig auf Null stürzen würden.
Einen Anstieg oder Abfall der Neuinfektionen kann man nur dann feststellen, wenn man die Anzahl der positiv Getesteten in Prozent der durchgeführten Tests errechnet. Wie eben beim genannten Beispiel, wo die Infektionsrate stetig bei 25% liegt.
Da es aber nach Auskunft des Bundesgesundheitsministeriums keine Meldepflicht für die durchgeführten Tests und ihre Anzahl gibt, sondern nur die gemeldeten, positiven Ergebnisse in die Statistiken einfließen, wird das Bild verzerrt.
Die Seite „multipolar“ fragte dann bei dem Robert-Koch Institut nach. Paul Schreyer schreibt:
„Das RKI reagierte zunächst ausweichend und verwies auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Auf Nachfrage, ob das RKI diese Daten nicht selbst erhebe und wie es dann die Entwicklung der Ausbreitung des Virus und dessen Gefährlichkeit seriös abschätzen könne, schwieg die Behörde über mehrere Tage. Als wir am Donnerstag nochmals nachhakten, teilte eine Sprecherin mit:
‚Zur Gesamtzahl der Tests gibt es Schätzungen. Sie liegen bei 300.000 bis 500.000 Tests pro Woche. Die Zahl der Erkrankungen pro Zeiteinheit lässt eine gute Einschätzung der Situation zu. Die Dunkelziffer kann durch Antikörpertests bestimmt werden, solche Tests sind in den kommenden Wochen zu erwarten.‘“
Da auch in dieser Auskunft keine konkreten Informationen zur Entwicklung der Anzahl der Tests mitgeteilt wurden, fragten wir erneut nach:
„Die Anzahl der Tests hat sich in den vergangenen Wochen aber aller Wahrscheinlichkeit nach stark verändert. Daher ist die isolierte Betrachtung der Fallzahlen wissenschaftlich kaum aussagekräftig, um die Veränderung der Gefährdung der Gesellschaft zu messen. Nochmals die Frage mit der Bitte um eine klare Antwort: Warum erhebt und veröffentlicht das RKI nicht auch diese Zahlen, so dass sich alle ein klareres Bild von der Situation machen können?“
Wieder kam erst keine Antwort, nach einem weiteren Nachhaken am Telefon dann aber am Freitagnachmittag schließlich die überraschende Auskunft, das RKI habe Daten dazu in seinem Lagebericht vom Donnerstag (26.3.) veröffentlicht. Offenbar war das der RKI-Pressestelle bei der Auskunft am Donnerstag selbst noch nicht bekannt gewesen.“
Man kann Paul Schreyer nur danken für seine Hartnäckigkeit und Fleißarbeit. Dadurch kam nämlich ans Tageslicht, dass sich die Anzahl der durchgeführten Tests innerhalb einer Woche verdreifacht hatte – und entsprechend schockierende Fallzahlen lieferte. Der Bericht des RKI dazu ist hier einzusehen. Zwischen dem 9. März und dem 22. März wurden in Deutschland in der 11. Kalenderwoche fast 8.000 Personen positiv getestet (in ca. 130.000 Testungen), in der Kalenderwoche 12 fast dreimal so viele, fast 24.000 (in ca. 350.000 Testungen). Dabei bleibt aber, wie in unserem obigen Beispiel der Prozentsatz an positiven Befunden fast genau gleich. In Kalenderwoche 11 waren 6% positive Testergebnisse, in Kalenderwoche 12 waren es 7%.
Die Tatsache, dass Paul Schreyer hier mehrfach nachhaken musste und auch noch andere Kriterien herausgefunden hat, die nahelegen, dass man im Bundesgesundheitsministerium und dem ihm unterstellten RKI nicht allzu sehr daran interessiert ist, auf solche Fragen zu antworten und sich in die Karten schauen zu lassen. Der unbedingte Wille der Regierung, den Lockdown einfach autoritär durchzuziehen, obwohl die Faktenlage das nur schwerlich hergibt und die wirtschaftlich-gesellschaftlichen Folgen desaströs werden könnten, lässt viele vermuten, dass es noch ganz andere, politische Gründe für den Lockdown gibt, als die Infektionsrate einzudämmen.
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