Das Robert-Koch-Institut — Oder: Wie ein großer Name rui­niert wird

Robert Koch zählt zu den bedeu­tendsten For­schern auf dem Gebiet der Medizin und Natur­wis­sen­schaft, die Deutschland, ja die Welt vor­weisen kann. Einer in der Reihe der großen Namen von Wis­sen­schaftlern, die einst Deutsch­lands Ruhm auf fast allen Gebieten der For­schung und Technik begründet haben.

Eine gute Dar­stellung des Lebens und der Leis­tungen dieses bedeu­tenden Mannes findet man hier: https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Robert-Koch-Die-Revolution-der-Medizin,robertkoch101.html

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1891 wurde in Berlin das „Königlich Preu­ßische Institut für Infek­ti­ons­krank­heiten“ in Berlin gegründet, dessen erster Leiter Robert Koch war. Koch erhielt für seine bahn­bre­chenden For­schungen auf dem Gebiet der Infek­tio­logie 1905 den Nobel­preis für Medizin. Das von ihm anfangs geleitete Institut erhielt dann 1912, zum 30. Jah­restag seiner Ent­de­ckung des Tuberkel-Bazillus, den Namens­zusatz „Robert Koch“.

Über das heutige Robert Koch-Institut (RKI) kann man lesen:„Es ist eine selbst­ständige deutsche Bun­des­ober­be­hörde für Infek­ti­ons­krank­heiten und nicht über­tragbare Krank­heiten. Als Ein­richtung der öffent­lichen Gesund­heits­pflege hat es die Gesundheit der Gesamt­be­völ­kerung im Blick und ist eine zen­trale For­schungs­ein­richtung der Bun­des­re­publik Deutschland. Es ist direkt dem Bun­des­mi­nis­terium für Gesundheit unterstellt.“

Das Robert Koch-Institut ist in der „Corona-Krise“ wohl inzwi­schen zur bekann­testen Behörde der Bun­des­re­gierung geworden.

Tag­täglich erfolgen Ver­laut­ba­rungen, die über sämt­liche Medien ver­breitet werden. Das geht inzwi­schen soweit, dass BILD schon fragt: „Werden wir von RKI-Viro­logen regiert?
Je länger die Krise dauert, umso mehr häuft sich die Kritik an den Bekannt­ma­chungen des Instituts mit dem großen Namen. Und die „Bild“-Zeitung mokierte sich schon: „So oft lag das RKI mit Pro­gnosen daneben“. Der „Spiegel“ spöt­telte über eine große „Mel­de­lücke“ des Instituts.

Anhand der nach­fol­genden Kapitel will ich die Fehl­griffe, Fahr­läs­sig­keiten und Ver­säum­nisse dieses Instituts mit dem großen Namen darstellen.

Ein­schätzung der Risikolage

Trotz des mas­siven Aus­bruchs in Italien und der Zunahme der Coro­na­virus-Fälle in Deutschland sah das Robert-Koch-Institut Ende Februar nach wie vor kein erhöhtes Risiko. „Das Risiko ist als gering bis mäßig ein­zu­schätzen“, sagte RKI-Vize­prä­sident Lars Schaade am Freitag (28.2.) vor Jour­na­listen in Berlin.

Nach Bekannt­werden eines Falls, indem sich ein Patient in Mailand infi­ziert hatte, wurde diese Region nicht sofort in die Risi­ko­ge­biete-Liste des RKI auf­ge­nommen. Erst einige Tage später erfolgte dann eine eher unauf­fällige Änderung, indem das RKI „Region Lom­bardei und die Stadt Vo in der Provinz Padua in der Region Venetien“ in Italien aufnahm.

Erst hieß es „Risiko gering bis mäßig“ und jetzt hört man aus dem Mund des RKI Chefs Wieler: „Krise hat unvor­stell­bares Ausmaß“.

Wer sich auf das Gebiet der Risi­ko­ab­schätzung in einem wis­sen­schaftlich geprägten Kontext begibt, muss fun­dierte Fakten besitzen und nicht etwa Pro­gnosen aus dem Bauch (eines Fisches?), abhängig vom Vogelflug oder durch Blick in die Kris­tall­kugel abgeben. Man kann wohl mit Fug und Recht behaupten, dass das RKI offen­sichtlich nicht über wirklich belast­bares Wissen ver­fügte und verfügt.

Prä­ven­ti­ons­maß­nahmen

Die Emp­feh­lungen zu all­ge­meinen Schutz- und Vor­sor­ge­maß­nahmen wirken Gleichfall ver­wirrend. Vom RKI wird „die Benutzung von Des­in­fek­ti­ons­mitteln im all­ge­meinen All­tags­leben, auch in dieser jet­zigen Situation aus­drücklich nicht emp­fohlen. „Wir emp­fehlen eben­falls nicht die Benutzung von Gesichts­masken oder Mund-Nasen-Schutz in der all­ge­meinen Öffent­lichkeit oder im All­tags­leben.“ Heißt es.

Am Anfang der Virus-Krise ver­kündete das RKI als staat­liches Institut quasi regie­rungs­amtlich: eine Schutz­wirkung von Masken sei „bisher nicht wis­sen­schaftlich belegt (siehe auch die Hin­weise des BfArM)“.

Die Ein­schätzung des staat­lichen Instituts über­rascht im Rück­blick ziemlich. Denn in dem Sze­nario, das schon 2012 im Auftrag der Bun­des­re­gierung eine SARS-Corona-Pan­demie durch­spielte, ging es darum, durch Qua­ran­tä­ne­maß­nahmen Zeit zu gewinnen. Es heißt darin:

„Dieser Zeit­gewinn durch anti­epi­de­mische Maß­nahmen kann sehr effi­zient genutzt werden, um z. B. per­sön­liche Schutz­aus­rüstung her­zu­stellen, zu ver­teilen und über ihre kor­rekte Anwendung zu informieren.“

Nichts davon wurde vom RKI umge­setzt bzw. in die Wege geleitet.

Die Nationale Aka­demie der Wis­sen­schaften Leo­poldina beschäftigt sich derzeit mit Hoch­druck mit der Frage, wie ein nach­hal­tiges „Wie­der­hoch­fahren“ des öffent­lichen Lebens und der Wirt­schaft ange­sichts der COVID-19-Pan­demie gelingen kann. Dazu hat eine inter­dis­zi­plinäre Arbeits­gruppe der Leo­poldina heute eine zweite Ad-hoc-Stel­lung­nahme zur Pan­demie veröffentlicht.

Um die gel­tenden Maß­nahmen im Anschluss an die Osterzeit dif­fe­ren­ziert lockern zu können, emp­fehlen die Experten in dem neuen Papier mit dem Titel „Coro­na­virus-Pan­demie – Gesund­heits­re­le­vante Maß­nahmen“ eine flä­chen­de­ckende Nutzung von Mund-Nasen-Schutz, eine kurz­fristige Ver­wendung mobiler Daten sowie den Ausbau der Testkapazitäten.

Ende März appel­lierte dann auch Ärz­te­kam­mer­prä­sident Klaus Rein­hardt an die deutsche Öffent­lichkeit, Schutz­masken zu benutzen – auch selbstgenähte.
Sach­liches Resümee dieser Stellungnahmen:

Ein Mund-Nasen-Schutz redu­ziert die Über­tragung von Viren durch eine Reduktion der Tröpf­chen­in­fektion. Da sich eine große Zahl uner­kannt Erkrankter ohne Sym­ptome im öffent­lichen Raum bewege, ver­ringere er die Aus­breitung der Infektion und senke somit mit­telbar das Risiko für den Ein­zelnen, sich selbst anzustecken.

Es klingt wie ein Hohn, wenn das RKI dann rät: „Infor­mieren Sie sich bei zuver­läs­sigen Quellen.“

Welche Quellen „zuver­lässig“ sind, defi­niert das RKI selbst­herrlich in Zusam­men­arbeit mit der Presse und mit diesem, von jenen zum obersten Wich­tigtuer sti­li­sierten Prof. Drosten von der Charite*.

Zah­len­spie­le­reien

In einem Interview für die Zeit sagte der Phy­siker Dirk Brockmann, der für das Robert Koch-Institut die welt­weite Aus­breitung des Coro­na­virus berechnet:

„Wir haben vor ein paar Jahren bemerkt, dass die Modelle, die ver­suchen, alles zu model­lieren, nicht funk­tio­nieren. Das ging bei Ebola nicht gut und auch nicht bei der H1N1-Influenza oder beim Mers-Coro­na­virus. Deshalb kon­zen­trieren wir uns zunächst auf den Aspekt der Mobi­lität – weil man die Aus­wir­kungen sehr gut vor­her­sagen kann – und auf relative, also ver­glei­chende Aus­sagen. Wir können dann sagen, dass in Süd­korea zehnmal mehr Fälle zu erwarten sind als in Deutschland.“

Da lag er schon mal gewaltig daneben, wie man bei den „Fak­ten­findern“ der ARD fest­stellen kann.
Und mit solchen Fehl­pro­gnosen arbeitet das RKI offensichtlich.

In einem neueren The­sen­papier meh­rerer Autoren aus Medizin, Natur­wis­sen­schaften und Pflege wird Kritik am RKI betr. dessen Umgang mit Zahlen geübt. Es werden Tat­be­stände auf­ge­führt, welche von angeb­lichen Ver­schwö­rungs­theo­re­tikern oder „Ver­harm­losern“ stets rekla­miert wurden, von Ärzten, Infek­tio­logen, Sta­tis­tikern – alle außerhalb der von den Medien und der Regierung so hoch gepushten Virologen.

  1. Die Zahl der täglich beim RKI gemel­deten Fälle wird in hohem Maße durch die Test­ver­füg­barkeit und Anwen­dungs­häu­figkeit beeinflusst.
    2. Unter Berück­sich­tigung dieser anlass­be­zo­genen Test­stra­tegie ist es nicht sinnvoll, von einer sog. Ver­dopp­lungszeit zu sprechen und von dieser Maßzahl poli­tische Ent­schei­dungen abhängig zu machen.
    3. Die Dar­stellung in expo­nen­tiell anstei­genden Kurven der kumu­la­tiven Häu­figkeit führt zu einer über­zeich­neten Wahr­nehmung, sie sollte um die Gesamtzahl der asym­pto­ma­ti­schen Träger und Gene­senen kor­ri­giert werden.
    4. Die Zahl der gemel­deten Fälle an Tag X stellt keine Aussage über die Situation an diesem Tag dar, sondern bezieht sich auf einen Zeit­punkt in der Vergangenheit.
    5. Ungefähr zwei Drittel der Infi­zierten werden zu diesem Zeit­punkt nicht erfasst.
    6. Über­le­gungen zu popu­la­ti­ons­be­zo­genen Stich­proben (Nationale Kohorte) müssen inten­si­viert werden.

Ursa­chen­for­schung

Die in-vivo-Dia­gnostik von Virus­in­fekten ist eine kom­plexe Ange­le­genheit mit vielen Grau­zonen, was hier nicht weiter aus­ge­breitet werden soll, auch auf­grund der unzu­rei­chenden Fach­kennt­nisse des Autors. Dieses Video hilft viel­leicht, nach­zu­voll­ziehen, mit welch kom­pli­zierter Materie und mit welchen Irr­tums­mög­lich­keiten man es zu tun hat: http://viaveto.de/media/files/Corona.mp4

Ent­scheidend für die Ein­schätzung der Gefähr­lichkeit dieser Pan­demie ist die Zahl der Defekt­hei­lungen und die reelle Zahl der Todes­fälle, welche durch Corona bedingt sind und nicht etwa die Zahl der Toten mit Infektion oder Kon­ta­mi­nation mit Corona.
Wenn jemand durch einen Herz­in­farkt zu Tode kommt, oder durch ein schweres Trauma bei gleich­zei­tiger Kon­tagion mit Corona, ist eben der Herz­in­farkt usw. die Todesursache.
Um dies­be­züglich Klarheit bei der Fülle von Toten mit unter­schied­lichster Mor­bi­dität zu erhalten – besonders auch bei dem bevor­zugten Kol­lektiv der Alten – kann nur eine Obduktion durch einen Patho­logen bzw. Gerichts­me­di­ziner konkret helfen. Nur dadurch erhält man dif­fe­ren­zierte, wis­sen­schaftlich saubere Aus­sagen über die wahren Todes­ur­sachen – durch, mit und ohne Corona.

Eine umfas­sende Zuführung aller Todes­fälle zu einer Obduktion wäre natürlich illu­so­risch und ist unsinnig. Es würden Stich­proben in einer defi­nierten und sta­tis­tisch vali­dierten Masse/Population aus­reichen und auch hin­rei­chende Ergeb­nisse liefern.
Obduk­tionen im Zusam­menhang mit Corona lehnt das RKI jedoch ab mit frag­wür­digen Hin­weisen auf den Infektionsschutz.
Zitat:

„Eine innere Lei­chen­schau, Aut­opsien oder andere aero­sol­pro­du­zie­renden Maß­nahmen sollten ver­mieden werden. Sind diese not­wendig, sollten diese auf ein Minimum beschränkt bleiben.“

Daraus spricht eine maßlose Arroganz oder auch Ignoranz. Jeder Pathologe oder Foren­siker ist geschult und gedrillt in der Ein­haltung von Infek­ti­onschutz­maß­nahmen. Das ist genauso, als würde man heute einem Chir­urgen unter­stellen, er würde unsteril, mit unge­wa­schenen Pfoten oder ohne Schutz (Op)-Kleidung seiner Tätigkeit nachgehen.

Ich kann mir diese Bor­niertheit des RKI nur damit erklären, dass man um wesent­liche Ele­mente seiner Deu­tungs­hoheit fürchtet.

Ist das RKI (noch) eine Forschungsstätte?

Das RKI und seine Ver­ant­wort­lichen haben sich im bis­he­rigen Verlauf der Krise mehrfach bla­miert, haben fahr­lässige Stel­lung­nahmen abge­geben und müssen auf­passen, am Ende nicht zum Gespött in der Szene zu werden.

Egal wie wir aus der Krise her­aus­kommen werden, es ist zu erwarten, dass das RKI mit Hilfe seiner vor­ge­setzten Poli­tiker und den Medien sich weiter als der Helfer und Retter sti­li­sieren wird. Egal, wie oft man jetzt mit seinen Pro­gnosen dane­benlag oder mittels seiner medialen Macht hilf­reiche oder sogar not­wendige Maß­nahmen unter­drückt oder schlecht gemacht hat.

Kri­tikern wird man unter anderem gewiss ent­ge­gen­halten, dass man die Aufgabe des RKI als Behörde falsch ein­schätze oder verkenne.

Dann möge man aber auf den Anspruch einer „For­schungs­stätte“ ver­zichten, behaupte ich mal.

Es werden Flecken auf der Weste dieses Instituts mit angeb­lichem Weltrang bleiben – und es werden wohl noch welche dazu­kommen – und der gute Name „Robert Koch“ wird nach­haltig beschädigt bleiben.

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Bei der Beschäf­tigung mit dem Thema kam mir unsere Natio­nal­hymne in den Sinn, wie man in der zweiten Strophe von deut­schen Dingen singt, welche „in der Welt behalten (sollen) ihren alten schönen Klang.“
Man möchte es mir ent­schul­digen, ich habe es mal die­serart umgedichtet:

Deut­sches Weisheit, deutsche Forscher,
deutsche Technik und Entdeckertum –
Sollten in der Welt behalten
Ihren einstens großen Ruhm.

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* Charité, auch dieser Name stand für den Weltruhm deut­scher Medizin.
Über die Hälfte aller deut­schen Nobel­preis­träger für Medizin oder Phy­sio­logie ent­stammt dieser Heil- Lehr- und For­schungs­stätte, ange­schlossen der Ber­liner Hum­boldt-Uni­ver­sität. Im Kai­ser­reich – um die Jahr­hun­dert­wende – war die Charite für die ganze Welt das „Mekka“ der medi­zi­ni­schen For­schung und der Heil­kunde. Zu den berühmten (alten weißen!) Männern zählten Robert Koch, Rudolf Virchow, Hermann von Helm­holtz, Paul Ehrlich, Emil Adolf von Behring, Fer­dinand Sau­er­bruch, Ernst von Leyden, August Bier, Bernhard von Lan­genbeck, Theodor Billroth, Gustav von Bergmann – und viele andere.


Dieser lesens­werte Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von Peter Helmes – www.conservo.wordpress.com