Wer denkt, man könne an der Börse nur bei steigenden Kursen Gewinne erzielen, hat noch nichts von Leerverkäufen gehört.
(von Jens Berger)
Mit diesem trotz stetiger Kritik immer noch erlaubten Finanzinstrument wetten Spekulanten auch auf fallende Kurse und machen bei einem Crash auf Kosten der Kleinanleger den großen Reibach. Ganz vorne dabei ist einmal mehr BlackRock. Der „Vermögensverwalter“ taucht bei den Leerverkäufen an allen Ecken und Enden der Spekulationskette auf. Möglich wird dies vor allem dadurch, dass BlackRock Billionen Euro verwaltet, die für die private Altersvorsorge der Menschen gedacht sind. So wird ihr privater Spargroschen zum Spielgeld im Finanzcasino und die Politik weigert sich einmal mehr, dieses Treiben zu beenden.
Covid-19 hat in den letzten Wochen die Börsen zum Beben gebracht. Vor allem die Kurse von Unternehmen, die durch die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krankheit besonders betroffen sind, befanden sich tagelang im Sinkflug. Dazu gehören in Deutschland beispielsweise die Aktie der Lufthansa (minus 50%), des Ticketanbieters CTS Eventim (minus 60%), des Flughafenbetreibers Fraport (minus 64%) und des Touristikkonzerns TUI (minus 78%). Wer im Januar oder Februar darauf gewettet hat, dass diese Aktien an Wert verlieren, konnte einen dicken Reibach machen. Aber wie funktioniert eigentlich eine Wette auf fallende Kurse?
Wer auf fallende Kurse spekuliert, macht dies in der Regel über einen sogenannten Leerverkauf. Und das geht folgendermaßen: Am 19. Februar notierte die Aktie der Lufthansa noch bei 15,40 Euro. Wer auf einen fallenden Kurs spekulieren will, konnte sich diese Aktie damals ganz einfach ausleihen. Nehmen wir an, die „Volkssparbank“ hat genügend Lufthansa-Aktien in ihrer Verwaltung und leiht dem Spekulanten eine Aktie für die Gebühr von 20 Cent für zwei Monate. Die Volkssparbank überträgt dem Spekulanten nun die Aktie, die dieser der Bank dann am 19. April zurückgeben muss. Nun kann der Spekulant die Aktie am 19. Februar zum Börsenkurs von 15,40 Euro verkaufen und warten, wie sich der Kurs entwickelt. Bis zum Rückgabezeitpunkt hat er nun Zeit, die Aktie zurückzukaufen. Wenn er sie beispielsweise heute, also am 24. März, zurückkauft, zahlt er an der Börse dafür 9,13 Euro. Sobald der Spekulant die zuvor geliehene Aktie dann an die Volkssparbank zurückgibt, ist das Geschäft abgeschlossen. In unserem Beispiel hat er mit diesem Geschäft 6,13 Euro (15,40 – 9,13) Gewinn gemacht, von dem nur noch die Leihgebühr von 20 Cent und anfallende Transaktionskosten und möglicherweise noch Steuern abgezogen werden müssen. So einfach kann man bei fallenden Kursen Kasse machen und es ist vollkommen legal, da es sich hierbei um einen „gedeckten Leerverkauf“ handelt. Es gibt noch die Variante des „ungedeckten Leerverkaufs“, bei der der Spekulant eine Aktie verkauft, ohne sie – wenn auch nur zeitweise – zu besitzen. Ungedeckte Leerverkäufe sind jedoch im regulierten Börsenhandel meist verboten, während gedeckte Leerverkäufe zwar reguliert, aber grundsätzlich erlaubt sind.
Möglich ist dies nur, weil es Akteuren wie der Volkssparbank erlaubt ist, Aktien gegen eine Gebühr zu verleihen. Und hier wird es interessant. Der Akteur, der in unserem Beispiel „Volkssparbank“ heißt, ist nämlich in der Regel gar keine Bank, sondern ein Vermögensverwalter oder eine Fondsgesellschaft, die die Aktien auch nicht selbst besitzt, sondern treuhänderisch für ihre Kunden verwaltet. Und die wissen nichts von dem ganzen Treiben. Die mit großem Abstand wichtigsten „Verleiher“ von Aktien sind die ganz großen Anbieter von Indexfonds in der klassischen und modernen ETF-Variante und heißen BlackRock, Vanguard und StateStreet. Über 80% der Aktien der großen börsennotierten Unternehmen sind im Besitz sogenannter Finanzkonzerne, allein die drei größten hier genannten Konzerne besitzen im Schnitt mehr als 20% der Aktien. Diese Größe ist für die Funktion des „Verleihers“ von Aktien an Leerverkäufer auch nötig. Zur Zeit machen beispielsweise allein die fünf größten „Netto-Leerverkaufspositionen“ bei der Lufthansa rund neun Prozent der Aktien dieses Unternehmens aus. Es handelt sich also nicht um ein paar kleine Nebengeschäfte, sondern um sehr große Spekulationen, an denen Aktienpositionen beteiligt sind, über die nur die ganz Großen verfügen und dafür kommen nur BlackRock und Co. in Frage.
Dabei ist das Geschäft mit Indexfonds, dass das Kerngeschäft dieser Finanzkonzerne ausmacht, noch nicht einmal sonderlich lukrativ. Indexfonds sind schließlich vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie recht günstig sind. Doch genau hier verfahren BlackRock und Co. nach einem Geschäftsmodell, das erstaunlich dem Modell anderer US-Giganten wie Facebook oder Google ähnelt – „wenn etwas umsonst ist, bist Du das Produkt“. Nun ist die Verwaltung von Indexfonds nicht umsonst; die Boni ihrer Manager und die Dividenden für ihre Aktionäre verdienen BlackRock und Co. jedoch nicht mit der renditeschwachen Verwaltung von Fonds, sondern mit Zusatzgeschäften, wie dem Verleihen von Aktien, die sie wohlgemerkt nicht besitzen, sondern nur treuhänderisch für ihre Kunden verwalten!
Es kann also durchaus aus sein, dass BlackRock in der vergangenen Woche Aktien, die Sie indirekt über Ihre Lebensversicherung, betriebliche Altersvorsorge, Pensionskasse, Riesterrente oder den Kapitalstock Ihrer privaten Krankenversicherung besitzen, von dem indirekt von Ihnen bezahlten Verwalter BlackRock an Spekulanten verliehen wurden, deren Ziel es ist, die Kurse der betreffenden Aktien in die Knie zu zwingen und Sie damit zu schädigen. Das ist ungefähr so, als würde der von Ihnen bezahlte Verwalter Ihres Mietshauses Ihr Werkzeug gegen Gebühren an Einbrecher verleihen, die Ihre Wohnungen leerräumen wollen. Das ist kein Interessenkonflikt. Das ist die Verletzung der treuhänderischen Pflichten.
Aber es kommt ja noch schlimmer. Denn der Name BlackRock taucht interessanterweise nicht nur bei den „Verleihern“, sondern gleichzeitig auch noch bei den Spekulanten auf. Schaut man sich beispielsweise die aktuellen „Nettopositionen“ für Leerverkäufe der Lufthansa an, taucht dort hinter drei einschlägigen Hedgefonds an Position Vier mit einem Volumen von 1,31% (bezogen auf das Gesamtkapital der Lufthansa) niemand anderes als BlackRock auf. BlackRock verleiht also die Lufthansa-Aktien seiner Kunden an sich selbst, um gegen die Lufthansa und letztlich gegen die eigenen Kunden zu spekulieren. Und dies in großem Stil. Laut der veröffentlichungspflichtigen Netto-Leerverkaufspositionen im Bundesanzeiger ist BlackRock zur Zeit der mit Abstand größte Spekulant auf fallende Kurse.
Bezogen auf das zuvor genannte Beispiel ist BlackRock also nicht nur ein untreuer treuhänderischer Verwalter, der dem Einbrecher Ihr Werkzeug leiht, sondern zugleich auch noch der Einbrecher selbst. Und dieses Geschäft ist wirklich bombensicher – Krise hin, Krise her. Während Kleinsparer sich ihre Altersvorsorge nach dem Crash zum Teil abschminken müssen, verdient BlackRock prächtig, egal ob es an der Börse bergauf oder aber bergab geht. Dumm nur, dass Sie es sind, die letzten Endes die Rechnung dafür übernehmen müssen.
Quelle: NachDenkSeiten
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