Die 22jährige junge Frau, blaue Augen, völlig ungeschminkt, ein selbstsicheres, strahlendes Lächeln, blonde Locken, leicht verwuschelt, als habe gerade der Wind im Ferienlager an der Nordsee hindurchgeweht. Zu einer anderen Zeit in diesem Land ein Paradebild und heute auch wieder. Sie weiß um ihre Position und dass ihr keiner was kann. Weder politisch-ideologisch, denn sie steht auf der absolut unangreifbaren Seite der sakrosankten „Fridays for Future“-Bewegung, noch finanziell-existenziell, denn sie ist eine Privilegierte, eine aus der Reemtsma-Familie. Eine, die sich um ihre Zukunft sowas von überhaupt keine Sorgen machen muss.
Die Reemtsma-Familie stand immer auf der unangreifbaren Seite, damals wie heute. Der Begründer der Reemtsma-Dynastie war Bernhard Reemtsma. Sein goldenes Investment war 1908 eine Beteiligung an einer Erfurter Zigarrenmanufaktur. Elf Jahre später hieß der Betrieb schon „B. Reemtsma & Söhne“ , danach wurde er in „Reemtsma Cigarettenfabriken“ umbenannt.
„Zur Blüte gelangte das Unternehmen im ‚Dritten Reich‘. Philipp F. Reemtsma sagte 1932 Hitler persönlich zu, Anzeigen in den Zeitungen der NSDAP zu schalten. Ab 1933 förderten die Firmeninhaber die Partei und ihre Gliederungen durch großzügige Spenden. Weite Verbreitung fanden Zigarettenbildserien wie ‚Deutschland erwacht – Werden, Kampf und Sieg der NSDAP‘ in Zusammenarbeit mit Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann. Hermann Göring schlug 1934 ein Korruptionsverfahren gegen Reemtsma nieder und erhielt von dem Unternehmen im Laufe der Jahre Spenden von insgesamt 12 Millionen Mark. Görings ‚rechte Hand‘, Paul Körner, erhielt jährlich 40.000 Mark. Sepp Dietrich, ‚persönlicher Begleiter des Führers‘, der eine herausragende Rolle bei der Liquidierung der SA-Führungsspitze während des ‚Röhm-Putsches‘ spielte und selbst zusammen mit weiteren SS-Leuten am 30. Juni 1934 sechs prominente SA-Führer ermordete, erhielt nach diesen Taten eine Reemtsma-Spende von 40.000 Mark. Der Absatz von Zigaretten stieg mit Kriegsbeginn stark an. Jeder Soldat erhielt monatlich eine Sonderration. Hinzu kam der Verkauf von Sammelalben. Alleine das Propagandawerk Adolf Hitler kam bis 1943 auf eine Auflage von 2,38 Millionen Exemplaren.“
Alwin Siegfried Fürchtegott Reemtsma (1895–1970) war ein Sohn von Bernhard Reemtsma, Zigarettenfabrikant, Standartenführer der Waffen-SS, 1939 Träger des Ehrendegens des Reichsführers SS.
Ganz entgegen seiner Gewohnheit kramt Wikipedia die Abstammung Carlas und die Erfolgsgeschichte der Familie Reemtsma in seinem Eintrag unter „Carla Reemtsma“ aber nicht hervor. Hier ist sie nur eine deutsche Klimaschutzaktivistin. Im Prinzip ist das ja nachvollziehbar. Was kann die junge Carla für ihre Vorfahren? Pauschalisieren ist immerhin eine der neuen Todsünden.
Nun ja, möchte man da einwenden, wenn das so ist, warum werden alle Deutschen pauschal heute noch für die 12 berüchtigten Jahre zwischen 1933 bis 1945 verantwortlich gemacht, egal, ob es überhaupt irgendeinen Vorfahren in ihrer Familie gab, der jemals gemeinsame Sache mit den Nationalsozialisten gemacht hat. Den meisten Deutschen geht es doch heute so wie damals: Über ihre Köpfe hinweg wird eine ideologische Agenda durchgezogen, ihre Kinder werden fanatisiert und man muss schon wieder am Abendbrottisch mit der Familie aufpassen, was man sagt.
Nun, die heutige, ideologische Agenda ist rot und grün. Wer da richtig begeistert mitmacht, vielleicht auch noch „einen Tacken radikaler“ ist, als die Politik-Chefideologen, der kann es weit bringen. Das sieht auch Carla Reemtsma so und zusammen mit ihrer Cousine Luisa Neubauer, ebenfalls ein Spross der verdienten Dynastie der Reemtsmas, heizt sie der Fridays for Future-Jugend so richtig ein. Schließlich geht es wieder einmal um die Zukunft und eine neue, bessere Welt.
Es gehört zur Natur eines Ideologen, dass er seine Ideologie für die einzig wahre und gute und richtige hält, sonst täte er nicht, was er tut. Natürlich sind Skeptiker und Kritiker da nicht willkommen, denn eine Ideologie besteht aus aufeinander aufbauenden und sich gegenseitig rechtfertigenden Modulen, von denen keines herausbrechen darf, ohne dass der himmelhohe Tempel der einzigen Wahrheit, für die es all die fürchterlichen Opfer zu bringen gilt, ans Wanken käme. Die These der globalen Erwärmung ist unter Wissenschaftlern höchst umstritten. Namhafte Wissenschaftler sehen in der Ruhephase der Sonne eher Anlass, sich um eine globale Abkühlung zu sorgen. Aber man darf nicht zulassen, dass jemand daran ungestraft rüttelt, denn darauf baut die These vom CO2 als vom Menschen erzeugtes, ultragefährliches Klimagas auf. Und nur mit dem Schuldvorwurf der Weltzerstörung durch menschengemachte Erderwärmung kann man die Menschen knechten.
Um die Erde noch vor dem Aussterben allen Lebens zu retten, braucht es daher immense Anstrengungen und kein Opfer ist zu groß. Auch darin haben die Deutschen ja Übung. Eine lebensbedrohend radikal falsche Entwicklung, wie die Erzeugung des für Pflanzen lebensnotwendigen Kohlendioxids durch den verantwortungslosen Menschen, erfordert mindestens ebenso radikale Antworten – und Opfer. Und hier stehen die belligerenten Jungfrauen Carla Reemtsma, ihre Cousine Luisa Neubauer und Greta Thunberg mit der Deutsches-Mädel-Zopf-Frisur in der ersten Reihe.
Natürlich sollen die anderen in erster Linie die Opfer bringen. Carla, Luisa und Greta sind finanziell safe und ihnen steht die Welt in jedem Fall offen. Was die forsche Carla so alles fordert, um immerhin für uns alle die Welt zu retten, verriet sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel.
Zuerst einmal ist Carla frustriert und sauer mit den Politikern: „Als wir im September 1,4 Millionen Menschen auf die Straße brachten und eine halbe Stunde später die Nachricht von dem Klimapäckchen aus dem Kanzleramt kam, da haben Leute geheult, weil sie dachten, das kann nicht wahr sein.“
Mein Gott, da hätte doch wirklich etwas Großes kommen müssen, etwas das den kommenden Wirtschaftscrash durch den Lockdown zu einer Petitesse zusammenschnurren ließe! Aber Frau Reemtsma lässt sich nicht entmutigen: „Sonst hätten wir ja schon aufhören müssen nach dem Streik vor der Kohlekommission im Januar 2019. Da hatten wir in zwei Wochen 10.000 Leute mobilisiert, und die sagen: Kohleausstieg erst 2038.“
Genau, Frau Reemtsma. Alles sofort schließen, alle auf die Straße setzen, ab nächste Woche nicht nur Kohleausstieg, sondern Kohle-Abort. Stromnetz-Kollaps? Ach, Quatsch: Das Netz ist der Speicher, sagt Frau Baerbock von den Grünen . Das weiß man zwar aus dem Physikunterricht in der Schule, dass das Stromnetz nicht mehr Strom aufnehmen kann, als verbraucht wird, denn sonst bricht es zusammen. Frau Baerbock schießt nicht nur denselben, sondern dient damit als lebendes Vorbild für die Plakatsprüche der FFF-Bewegung: „Warum lernen, wenn wir eh keine Zukunft haben?!“
Auch Autos sind der forschen Dame ein Dorn im Auge. Eine Autoprämie ist natürlich des Teufels. Was heißt da „Arbeitsplätze retten“? Hauptsache, Deutschland kann als fast einziges Land das Klimaziel einhalten, das winzige Deutschland muss die ganze Erdkugel dadurch retten, dass Autofahren möglichst auf Null gedrückt wird. Die Auswirkungen? Wurscht. Erfreut zeigt sich Frau Reemtsma daher über den Zusammenbruch des Flugverkehrs. (Sicher, ich fand‘s auch wunderschön, einen strahlend blauen Himmel mit richtigen Bilderbuchwolken zu sehen, ohne die stets zu einer diesigen, den Himmel verdeckenden Suppe verschwimmenden Kondensstreifen.)
Der Tagesspiegel traut sich, bei aller Einigkeit in dem Thema, sogar frech nachzufragen „Haben Sie mal ausgerechnet, wie viel CO2 Ihre Netzdemos verursachen?“ und wird prompt angepampt: „Nee. Das fällt in so eine verquere Konsumlogik zurück: Du bist auch schon mal Auto gefahren? Ihr nutzt alle Handys? Ihr seid nicht alle Veganer? Dann dürft ihr keine Aktivisten sein! Das verkennt die Dimension. Unsere Server sind alle grün gehostet, aber als Einzelkonsumenten sind wir ja trotzdem oft abhängig.“
„Verquere Konsumlogik“, aha. Was heißt das? Wenn man im Namen des Klimaschutzes Auto fährt und zu Kongressen fliegt, ist das nicht schädlich? Die grün gehosteten Server benutzen Windenergie oder Solarenergie? Und wie sind die Windräder produziert worden? Schonmal die Energiebilanz eines Windrades angeschaut und wie viele Insekten und Vögel so ein Windrad zerschreddert? Und was der gigantische Betonsockel so mit der Natur macht, ob auf dem Hügel oder Offshore? Die Verwüstungen in den umgebenden Biotopen? Mal nachgeschaut, wie viel Energie die Herstellung von Solarpaneelen verschlingt?
Dass die Dinge nicht ganz so einfach sind, wie sie sich Frau Carla Reemtsma so vorstellt und die Wirklichkeit eben doch nicht durch Ideologie zu besiegen ist, weil Wirkungen auch immer Nebenwirkungen haben, zeigt ein Beispiel:
„Doch nicht einmal die Kohlendioxidbilanz der Windenergie ist zurzeit ein Argument. Es mehren sich Stimmen, die darauf hinweisen, dass der Ökostromausbau heute zu einem erhöhten Kohlendioxidausstoß führt. Ursache dafür ist, dass Gaskraftwerke sich nicht mehr rechnen, weshalb wieder vermehrt Kohlekraftwerke eingesetzt werden. Das Fördersystem für erneuerbare Energien sorgt so dafür, dass mit jedem neuen Windrad mehr Kohle verfeuert und daher zusätzliches Kohlendioxid ausgestoßen wird.“
Aber Frau Reemtsma ist auch schon etwas angekränkelt vom Ungeist des Kompromissemachens, was ja durchaus sympathisch ist: „Wenn meine Oma am Zweiten Weihnachtsfeiertag eine Suppe mit Rindfleisch macht, und das ist das einzige Essen, dann mache ich keinen Aufstand. Ich kann das essen, bevor wir drei Stunden Familiendrama haben. Wenn ich im Urlaub mit fünf Leuten mal in einem Auto sitze, dann ist das kein Weltuntergang. Man muss wegkommen von diesem Ideal des perfekten Menschen, der noch nie in seinem Leben aus einer Plastikflasche getrunken hat.“
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