Die Tat ist drei Jahre her. Der junge Mann war gleich geständig. Der heute 25-Jährige hatte ein damals dreizehnjähriges Mädchen vergewaltigt. Die Tat war nicht sein erster, sexueller Missbrauch und sie geschah, als er noch auf Bewährung frei war. Dennoch erkennt das Gericht hier einen minderschweren Fall und lässt den Mann schon wieder mit zwei Jahren auf Bewährung davonkommen.
Bereits 2014 hatte Chris V. an seiner damaligen Freundin einen „besonders schweren Missbrauch“ begangen. Man kann also nicht davon ausgehen, dass der arme Junge die Situation irgendwie missverstanden haben könnte und aus jugendlicher Unerfahrenheit einen Schritt zu weit gegangen ist. Der blonde junge Mann, gebürtiger Texaner, versteckt sein Gesicht vor den Kameras der Fotografen in den Händen, er ist rücksichtslos und brutal. Damals war er 19 Jahre alt. Bei seinem späteren Prozess ließen die Richter schon Milde walten. Er erhielt nur eine Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten.
Die neue Tat beging er im Frühjahr 2017 in einem Plattenbau im Rostocker Stadtteil Dierkow, während er noch auf Bewährung frei war. Sein neues Opfer war erst 13 Jahre alt, Chris V. 22 Jahre. Laut Anklage hat Chris V. in dieser Wohnung mit dem 13-jährigen Mädchen „den Beischlaf vollzogen“. Der Angeklagte hatte schon zur Tatzeit eine gesetzlich bestellte Betreuerin, die sich um ihn kümmerte. Er hat keinen Beruf erlernt und auch keine Arbeit. Chris V. ist allerdings bereits Vater eines acht Monate alten Sohnes.
Nach der Verlesung der Anklageschrift zog sich das Gericht, der anklagende Staatsanwalt und die Anwältin des Angeklagten zu einem „Verständigungsgespräch“ zurück, das aber ergebnislos verlief, sagte der Richter Wolfgang Strauß der Presse. Die Anwältin Beate Falkenberg hatte versucht, eine Bewährungsstrafe im Gegenzug für ein volles Geständnis ihres Mandanten zu erwirken. Da spielte jedoch der Staatsanwalt nicht mit und verwies auf das einschlägige Vorstrafenregister des jungen Mannes. Wenn der Ankläger von einem Vorstrafenregister redet, dann geht es offensichtlich um mehrere Straftaten dieser Art. Auch bei einem Geständnis des Täters kam nach Meinung des Staatsanwaltes daher nur eine Strafe von deutlich mehr als zwei Jahren in Frage.
Auf Antrag der Verteidigerin, Frau Falkenberg, wurde vor der Vernehmung der Zeugen die Öffentlichkeit bis zur Urteilsverkündung ausgeschlossen. Das dürfte auch im Interesse des Opfers sein, das sicher kein Bedürfnis danach verspürt, dass die Details ihrer Vergewaltigung öffentlich ausgebreitet werden. Das war auch die Begründung des Gerichtes: „Es kommen hier private und intime Details zur Sprache, die die schutzwürdigen Interessen verletzen.“
In einem zweiten Verhandlungstermin wurde die auf Video aufgenommene Aussage des Opfers bei der Polizei vorgeführt, ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das Geständnis des Täters deckte sich mit den Aussagen des Mädchens und dessen Mutter. Insofern gab es keine Unklarheiten, was den Tathergang betrifft.
Obwohl das Gericht feststellte, dass das junge Mädchen nach der Tat „psychische Auffälligkeiten“ aufweise, sei es aber ungeklärt, ob das dem Angeklagten zulasten gelegt werden könne und mit der Vergewaltigung zu tun habe. Statt das durch einen Psychiater oder Psychologen feststellen zu lassen, ließ es das Gericht bei der Annahme bewenden, dass hier der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gelte: „In dubio pro reo“. Andererseits bedeutet das in so einem Fall, dass es de facto „in dubio contra victima“ (Im Zweifel gegen das Opfer) wirkt, denn dass es nach einer Vergewaltigung bei einer Dreizehnjährigen zu „psychischen Auffälligkeiten“ kommt, darf als sehr wahrscheinlich angenommen werden.
Woher das Gericht die Gewissheit nimmt, dass in diesem Fall die „strafmildernden Aspekte die strafschärfenden deutlich überwiegen“, erschließt sich dem unvoreingenommenen Betrachter nicht unbedingt. So sieht das Gericht im Geständnis des Täters dessen noble Absicht, dem Kind eine zweite Aussage und dem Gericht eine umfassende Beweisaufnahme zu ersparen. Vielmehr scheint es aber so zu sein, dass der Täter sich durch das Geständnis ein milderes Urteil erhoffte, war doch das Geständnis schon vorher von seiner Verteidigerin als Verhandlungsmasse in das Verständigungsgespräch eingebracht worden.
Überdies sieht das Gericht auch in der eingeschränkten Intelligenz des Angeklagten und der positiven Sozialprognose einen Strafmilderungsgrund. Eigentlich wäre vernünftigerweise eher das Gegenteil zu erwarten gewesen. Wenn Chris V. tatsächlich schlicht zu dumm ist, zu lernen und einzusehen, dass sein brutaler, mitleids- und rücksichtsloser Umgang mit Frauen und Mädchen einfach falsch und abgrundtief schlecht ist, wird ihm allzu große Milde erst recht nicht die nötige Lektion erteilen. Dumme und empathielose Menschen lernen leider nur durch Strafe. Und wie er angesichts eines einschlägigen Vorstrafenregisters – schon in so jungen Jahren! — an eine günstige Sozialprognose kommt, bleibt ein Rätsel. Als letztes Argument zur Strafmilderung wird vom Gericht angeführt, er habe sich ja entschuldigt.
Also, da schweigt des Sängers Höflichkeit.
Und nun folgt, was das Strafmaß betrifft, die Methode „Fischhändler am Freitagabend“: „Und jetzt passen Sie mal auf! Für die zwanzig Heringe, fünf Aale und dreißig Sprotten bezahlen sie keine 20, keine 15, keine zehn, sondern nur acht Euro, liebe Leute! DAS ist doch ein Angebot!!!“
Wie der Nordkurier berichtet, ging wegen der oben angeführten „strafmildernden Aspekte“ der Strafrahmen für dieses Verbrechen der Vergewaltigung eines minderjährigen Kindes vorgesehenen bis zu 15 Jahren Gefängnisstrafe herunter auf bis zu zehn Jahre Gefängnis. Und weil das alles ein so minderschwerer Fall sei, von dem man auch noch die fehlende Intelligenz, die Entschuldigung und den Fakt, dass Chris V. ein Kondom angezogen hatte abziehen müsse, bleiben von den zehn Jahren nur noch zwei Jahre übrig – und die werden auch noch auf Bewährung ausgesetzt.
Eine unglaubliche Ungerechtigkeit gegenüber dem jungen Opfer.
Das Ende des Prozesses ist fast schon eine Posse:
Mit einem dringlichen Hinweis von Richter Wolfang Strauß an Chris V. endete der Prozess: „Ich will Sie in diesen Sachen hier nicht noch einmal sehen, ansonsten ist endgültig Schluss.“
Ach, wirklich?
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