Lange blieb es still um Ghislaine Maxwell, der engsten Vertraute des Milliardärs und Kinderschänders Jeffrey Epstein. Nach seinem Tod in der Gefängniszelle war sie wie vom Erdboden verschluckt. Es tauchte einmal ein Foto auf, auf dem sie lesend in einem Straßencafé sitzt. Doch es blieb seltsam still um die Frau, die aktiv junge Mädchen aufspürte, mit falschen Versprechen köderte und dann Mr. Epstein und seinen Elite-Kunden als Beute zum Fraß vorwarf. Die New York Times meldete gestern Abend, dass Mrs. Maxwell festgenommen wurde.
William F. Sweeney Jr., der Leiter des FBI-Büros in New York, sagte auf der Pressekonferenz zur Verhaftung, dass man Mrs. Maxwell in Bradford, New Hampshire, festgenommen habe. Die Behörden sollen den Aufenthaltsort von Frau Maxwell „diskret überwacht“ und kürzlich erfahren haben, dass sie in ein „wunderschönes Herrenhaus“ im Bundesstaat New Hampshire gezogen sei.
Fast ein Jahr ist es her, dass Mr. Jeffrey Epstein in einer Anklageschrift der US-Bundesstaatsanwaltschaft wegen sexueller Ausbeutung und Misshandlung von Dutzenden minderjähriger Mädchen angeklagt worden war. Die Mädchen wurden in Mr. Epsteins Villa in Manhattan, seinem Anwesen in Palm Beach in Florida, auf Little St. James Island und an anderen Orten nicht nur von ihm, sondern auch von seinen Gästen sexuell missbraucht.
Ghislaine Maxwell – des Teufels Quartiermacherin
Frau Maxwell war eine langjährige Vertraute und Begleiterin von Herrn Epstein. Seit Jahren wird sie beschuldigt, bei der Beschaffung und bei dem „Abrichten“ junger Mädchen zum Missbrauch eine führende Rolle gespielt zu haben.
In der Anklageschrift wird Mrs. Maxwell zur Last gelegt, Mr. Epstein dabei geholfen zu haben, mehrere Mädchen zu „rekrutieren und ihr Vertrauen zu erschleichen, um sie für den Missbrauch vorzubereiten“. Es waren sehr junge Mädchen im Alter von 14 Jahren darunter.
„Der Fall gegen Ghislaine Maxwell ist die Fortsetzung des früheren Falles, den wir gegen Jeffrey Epstein eingereicht haben“, erklärte auf einer Pressekonferenz am Donnerstag die amtierende US-Anwältin für den Südbezirk von New York, Mrs. Audrey Strauss.
Ghislaine Maxwell, die Tochter des britischen Verlagsmagnaten Robert Maxwell, war auch in die Verwaltung der Immobilien von Herrn Epstein involviert. Sie stellte Mr. Epstein den Prominenten und Geschäftsleuten vor, die sie aus den höheren Kreisen ihres Vaters kannte.
Ghislaine Maxwells brisanter Hintergrund
Der angebliche Ex-Mossad-Agent Ari Ben-Menashe beschreibt in seinem Buch „Epstein: Dead Men Tell No Tales“ (Epstein: Tote Männer erzählen keine Geschichten), aus welchem „Stall“ die schlanke, attraktive Ghislaine Maxwell kommt und wie unverzichtbar sie für Jeffrey Epstein war.
Ben-Menashe ist durchaus ein undurchsichtiger, in Iran geborener, israelischer Geschäftsmann. Er behauptet, von 1977 bis 1987 für den Mossad gearbeitet zu haben. Er wurde 1989 in den USA wegen Waffenhandels verhaftet. Im Jahr darauf wurde er jedoch erstaunlicherweise freigesprochen, nachdem die Jury akzeptierte, dass er dabei im Auftrag Israels gehandelt habe. Israel versuchte, sich offiziell von ihm zu distanzieren: Er habe nie etwas mit Geheimdiensten zu tun gehabt. Andere, gut informierte Quellen in den USA und Israel bestätigten dagegen die Behauptungen Ben-Menashes.
Ben Menashe stellt sich in seinem Buch als Mossad-Führungsagent des Vaters von Ghislaine Maxwell dar.
Robert Maxwell war ein einflussreicher Großverleger und Medienpapst und bekanntermaßen ein Mossad-Agent. Ben-Menashes Beschreibungen zufolge war es auch Maxwell, der seine Tochter Ghislaine und auch Epstein in den israelischen Geheimdienst eingeführt habe. Tatsächlich untermauern laut der „Sun“ auch britische Akten, die im Jahr 2003 veröffentlicht wurden, die Darstellung Ben Menashes. Auch eine Freundin der Familie, Laura Goldman, schrieb ein Buch über die Maxwells, in dem sie vermutete, dass Vater Maxwell wahrscheinlich ein Agent der Russen, der Israelis und der Briten war und dass Ghislaine seine Arbeit wahrscheinlich fortgesetzt habe. Auch Ben-Menashe behauptet in seinem Buch, Ghislaine Maxwell habe wahrscheinlich auch für andere Regierungen als Doppel- oder Mehrfachagentin gearbeitet. Und er deutet an, dass ein Mitglied des britischen Königshauses ein Ziel des Agentenpärchens Epstein-Maxwell war, nennt aber nicht ausdrücklich Prinz Andrew.
Das liegt aber nahe, denn im Rahmen der Untersuchung der Mitarbeiter von Herrn Epstein hatten die Bundesbehörden Prinz Andrew von Großbritannien dringend ersucht, sich zu den Vorwürfen des Missbrauchs der damals minderjährigen Virginia Roberts (Giuffre) zu äußern und sich zu seiner langjährigen Freundschaft mit Frau Maxwell und Herrn Epstein zu erklären.
In einem ungewöhnlichen Schritt hatten Staatsanwälte öffentlich bekanntgegeben, dass seine königliche Hoheit, Prinz Andrew, sich weigere, bei den Ermittlungen zu helfen. Die Anwälte des Prinzen ließen dann verlauten, er habe zugestimmt, den New Yorker Staatsanwälten eine schriftliche Erklärung vorzulegen, für ein Gespräch werde seine königliche Hoheit aber nicht zur Verfügung stehen.
Am Donnerstag sagte die amtierende US-Anwältin für den Südbezirk von New York, Mrs. Audrey Strauss, die Bundesanwaltschaft würde aber doch sehr gerne mit Prinz Andrew sprechen. Die Untersuchung sei nämlich noch nicht abgeschlossen, und man fordere weitere Opfer des Herrn Epstein und seiner Freunde auf, sich an die Behörden zu wenden.
Ghislaine Maxwell – eine vielseitige Person mit besonderen Verbindungen
Herr Ben-Menashe wird in seinem Buch ziemlich direkt:
„Sehen Sie mal, herumzuf*cken ist kein Verbrechen. Kann peinlich werden, aber es ist kein Verbrechen. Aber vierzehnjährige Mädchen zu f*cken, das ist ein Verbrechen. Und er [Epstein] machte Fotos von Politikern, wie sie vierzehnjährige Mädchen f*cken – um das mal so klar zu sagen. Sie [Epstein und Maxwell] waren damit in der Lage, einfach Leute zu erpressen, sie konnten ganz einfach mal so Leute erpressen.“
(„See, f**king around is not a crime. It could be embarrassing, but it’s not a crime. But f**king a fourteen-year-old girl is a crime. And he was taking photos of politicians f**king fourteen-year-old girls — if you want to get it straight. They [Epstein and Maxwell] would just blackmail people, they would just blackmail people like that.“)
Auch ein ehemaliger Beamter des CIA, Philip Giraldi, Experte für Terrorismusbekämpfung und Geheimdienstoperationen und heute ein bekannter Journalist zu diesen Themen kommt zu den gleichen Ergebnissen, wie Ben-Menashe. Auch er hat sich eingehend mit dem Fall Epstein beschäftigt. Epstein hatte all seine teuren Villen komplett verwanzt. Überall in den Schlafzimmern waren versteckte Kameras und Mikrophone installiert, mit denen er die Sexspiele zwischen den minderjährigen Sex-Sklavinnen und den prominenten Männern aufzeichnete.
Giraldis Erfahrungen nach stinkt die gesamte Planung, Anlage und Ausstattung der Verwanzung und Kamerainstallationen sowie die Vorgehensweise nach einer präzise geplanten und ausgeführten Geheimdienstoperation. Die so kompromittierten, prominenten Zielpersonen haben keine andere Wahl mehr, als sich in ihr Schicksal zu ergeben und widerstandslos den Anweisungen ihrer Erpresser Folge zu leisten, wollen sie nicht alles verlieren und im Gefängnis landen – oder Schlimmeres. Sie werden ihre Geheimnisse ausplaudern und auf Befehl ihrer Handler auch ihre Macht und ihre Möglichkeiten einsetzen, um deren Wünsche zu erfüllen. Solche Personen werden im Geheimdienstjargon „Einflussagenten“ genannt. Sie sind willfährige Marionetten, die von ihren Erpressern benutzt werden, um verdeckt in andere Staaten „hineinzuregieren“, erläutert Geraldi.
Auch er vermutet den Mossad als den Strippenzieher hinter Epstein und Maxwell. Das gesamte Vorgehen trage die Handschrift des gefürchteten, israelischen Geheimdienstes. Der Mossad, so Geraldi, habe sich schon seit Jahrzehnten ein dichtes, perfekt geführtes Netzwerk aus solchen „Einflussagenten“ aufgebaut. Nicht nur in den USA, auch in Europa.
Ghislaine Maxwell – ein talentierter Türenöffner und Lockvogel
Ghislaine Maxwell wurde in Frankreich geboren. Die Familie zog später nach Buckinghamshire in England. Hier wuchs das hübsche Mädchen in einem noblen Herrenhaus auf. Sie war dort als Tochter eines steinreichen Mannes auf „Du und Du“ mit den Kreisen der höheren Aristokraten, sogar mit Königsfamilien hatte sie zu tun. Sie bewegte sich in dieser Umgebung wie ein Fisch im Wasser und wusste, wie man sich zu benehmen und aufzutreten hatte. Sie besuchte die Upper-Class Ausbildungsstätten in Oxford. 1991 zog sie nach New York, als ihr Vater „The Daily News“ kaufte.
Aber das Schicksal nahm eine jähe Wende, als ihr Vater, hoch verschuldet, in diesem Jahr starb. Ghislaine Maxwell zog in eine bescheidene Wohnung in der Upper East Side.
In dieser Zeit lernte sie Jeffrey Epstein kennen. Bald verbrachte sie viel Zeit in seiner Villa in Florida, um prominente Besucher aus der ganzen Welt gekonnt, gebildet und elegant zu unterhalten. Ghislaine Maxwell wurde von allen als charmant, unterhaltsam und lustig beschrieben — im Gegensatz zu Mr. Epstein.
Mrs. Maxwell, mittlerweile 58 Jahre alt, aber immer noch eine elegante Erscheinung, wird in verschiedenen zivilrechtlichen Klagen beschuldigt, für Jeffrey Epstein ein Netzwerk von Personalvermittlern geleitet zu haben, um hübsche, junge und am liebsten finanziell schwache Mädchen und Frauen anzulocken. Man versprach, ihnen bei ihrer Ausbildung und Karriere mit Geld und Verbindungen zu helfen.
„Sie (Mrs. Maxwell) hat das Ganze für Jeffrey orchestriert”, sagte Sarah Ransome, eine der Anklägerinnen von Mr. Epstein.
In der vorliegenden Anklageschrift der US-Bundesstaatsanwaltschaft werden Frau Maxwell mehrere Anklagepunkte vorgeworfen. Darunter „Verführung von Minderjährigen zum Reisen, um sich an illegalen sexuellen Handlungen zu beteiligen, der Transport eines Minderjährigen mit der Absicht, sich an sexuellen Aktivitäten und Meineid zu beteiligen.“
In der Anklageschrift werden drei Fälle zwischen 1994 und 1997 beschrieben, in denen Mrs. Maxwell sich bewusst mit Mädchen anfreundete, indem sie mit ihnen zum generösen Shoppen und ins Kino ging, usw. Nachdem Frau Maxwell auf diese Weise eine Beziehung zu den Mädchen aufgebaut hatte, „normalisierte sie den sexuellen Missbrauch“, das heißt, sie gewöhnte die Mädchen an eine sexualisierte Beziehung, indem sie sich vor ihnen auszog oder scheinbar vertraulich und frei über sexuelle Themen sprach, heißt es in der Anklage.
„Maxwell köderte minderjährige Mädchen, brachte sie dazu, ihr zu vertrauen, und lockte sie dann in die Falle, die sie und Epstein für sie aufgestellt hatten“, sagte Frau Strauss. Frau Maxwell war beispielsweise auch manchmal anwesend, wenn Herr Epstein Mädchen sexuell missbrauchte, was laut Anklage „dazu beitrug, die Opfer zu beruhigen, weil eine erwachsene Frau anwesend war“.
Wenn Mr. Epstein dann auch noch anbot, manchen der Mädchen ihre Reise- und Bildungschancen zu bezahlen, ermunterte Mrs. Maxwell die naiven, jungen Dinger, sich so eine Chance auf ein tolles, luxuriöses Leben nicht entgehen zu lassen und seine Unterstützung anzunehmen, schreibt die Anklage.
„Dadurch fühlten sich die Opfer in der Schuld und verpflichtet und glaubten wirklich, dass Maxwell und Epstein versuchten, ihnen zu helfen“, stellen die Ankläger fest.
Jeffrey Epstein hatte viele Wohnsitze und Herrenhäuser, zum Beispiel in New York, New Mexico, Florida und London. Überall soll er sich und seine Gäste mit den von Mrs. Maxwell angelockten, zum Sex abgerichteten, minderjährigen Mädchen vergnügt haben, so die Anklage.
Viele Jahre lang hatte all das dem Ruf und dem Ansehen von Ghislaine Maxwell nichts anhaben können. Im Jahr 2013 noch stand sie sogar mit Lloyd C. Blankfein, dem damaligen Geschäftsführer von Goldman Sachs und Michael R. Bloomberg, dem damaligen Bürgermeister von New York, bei einer Veranstaltung zur Gleichstellung von Frauen im Rampenlicht. Als die Wahrheit ruchbar wurde und Virginia Giuffre als eine der ersten Zeuginnen über die massenhafte Missbräuche blutjunger Mädchen auspackte, fiel auch Ghislaine Maxwells Name. Seitdem war sie nur noch sehr selten im Rampenlicht und auf den Glitzerevents der High Society zu sehen.
Ein Strafverfahren gegen Ghislaine Maxwell könnte alles das, was durch den „Selbstmord“ Jeffrey Epsteins irgendwie aus den Schlagzeilen verschwunden war und anfing, Gras drüber zu wachsen, wieder ins Rampenlicht rücken. Ob nun die „Akte Epstein“ oder die „Akte Maxwell“ aufgeschlagen wird: Bestimmten Leuten aus den obersten Schichten kann das gar nicht gefallen. Es sind dieselben, grauenhaften Untaten, dieselben illustren Namen, die jetzt wieder an‘s Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden könnten.
Ob Mrs. Ghislaine Maxwell wohl eine Gerichtsverhandlung erleben wird?
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