Putins Artikel über den Zweiten Welt­krieg wurde ver­öf­fent­licht (+Video)

Ende 2019 hat Putin ange­kündigt, einen Artikel über die Vor­ge­schichte des Zweiten Welt­krieges zu schreiben. Der sehr lange Artikel ist am Freitag ver­öf­fent­licht worden, und sein Inhalt dürfte viele über­ra­schen. Ich habe Putins Artikel übersetzt.

Da Putins Artikel in der Tat sehr lang ist, erlaube ich mir dazu ein paar ein­lei­tende und zusam­men­fas­sende Worte, die aus meiner Sicht beim Ver­ständnis des Artikels helfen.

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In seinem Artikel schlägt Putin einen sehr weiten Bogen. Er schreibt über das, was er in Archiven über den Weg in den Zweiten Welt­krieg und über den Verlauf des Krieges gefunden hat und beruft sich auf neue, in Russland ver­öf­fent­lichte Ori­gi­nal­do­ku­mente. Das macht den größten Teil des Artikels aus.

Aber Putin schlägt dann den Bogen weiter zur Nach­kriegszeit und bis heute. Er plä­diert dafür, aus der Ver­gan­genheit zu lernen, nicht die Geschichte umzu­schreiben oder bestehende Regeln und Insti­tu­tionen, die seit 1945 einen neuen Welt­krieg ver­hindert haben, zu schwächen. Im Gegenteil plä­diert Putin für die Bei­be­haltung und die Achtung des nach 1945 ent­stan­denen Völ­ker­rechts und er plä­diert für das, was manche Jour­na­listen als „neue Jalta-Kon­ferenz“ bezeichnet haben, wie Putin ganz am Ende des Artikels schreibt. Auf dieser Kon­ferenz – so Putins Wunsch – sollen sich die „Großen Fünf“ auf Regeln einigen, die auch in Zukunft einen glo­balen Kon­flikt ver­hindern können.

Zum Ver­ständnis des Artikels ist es auch wichtig, Russland ein wenig zu kennen, denn ein Teil des Artikels ist durchaus auch für das rus­sische Publikum bestimmt. Im Zweiten Welt­krieg hat jeder siebte Sowjet­bürger sein Leben ver­loren, jede Familie hat Men­schen ver­loren, der Krieg ist tief ein­ge­brannt in die rus­sische Seele und in das kol­lektive Gedächtnis der Russen. Der Zweite Welt­krieg ist in Russland immer noch präsent, wesentlich stärker, als in allen west­lichen Ländern.

Daher ist der Tag des Sieges über den Faschismus der wich­tigste Fei­ertag in Russland und mit nichts zu ver­gleichen, was wir im Westen kennen. Vor kurzem wurde von der rus­si­schen Zivil­ge­sell­schaft eine neue Tra­dition ins Leben gerufen: Das Unsterb­liche Regiment. Dabei ziehen die Men­schen mit Fotos ihrer Vor­fahren, die im Krieg gekämpft haben und gestorben sind, durch die Städte. Die Pro­zession dauert Stunden und am Stra­ßenrand sehen Zehn­tau­sende zu. Es sind Mil­lionen Men­schen an dem Tag auf den Straßen und gedenken der Opfer und den Ent­beh­rungen ihrer Vor­fahren. Ich kenne keinen Fei­ertag in anderen Ländern, an dem die Men­schen in so großer Zahl teilnehmen.

Die Atmo­sphäre ist dabei nicht aggressiv oder „anti-deutsch“, es ist eine fried­liche Atmo­sphäre, eine Mischung aus Gedenken, Respekt und Stolz. Zum Mit­machen müssen die Men­schen nicht gezwungen werden, sie machen es aus eigenem Antrieb, weil ihnen dieses Gedenken wichtig ist. Das muss man zum Ver­ständnis einiger Pas­sagen dieses Artikels wissen.

Putins Artikel ist so etwas wie ein Grund­satz­pro­gramm. Putin erklärt in dem Artikel sowohl den ein­fachen Russen, als auch den wich­tigen Poli­tikern der Welt, wie er geschicht­liche Zusam­men­hänge sieht und vor allem, welche Lehren seiner Meinung nach daraus für die heutige und zukünftige Politik gezogen werden sollten. Die geschicht­lichen Fakten, die er nennt, sind unbe­streitbar, sie erheben aber keinen Anspruch auf Voll­stän­digkeit, der Artikel ist kein Geschichtsbuch. Die Lehren, die Putin aus der Geschichte zieht, kann man dis­ku­tieren und genau dazu ruft er auf.
https://youtu.be/kz2MhkQha4Y