Die Börsenindizes legten eine atemberaubende Aufholjagd nach der schmerzhaften Corona-Delle hin und erklommen wieder schwindelerregende Höhen. Dabei ging es aber nach Einschätzung der Kenner nie um langfristige Anlagen in bestimmte Firmen (außer anscheinend Tesla?), sondern darum, auf steigende Kurse zu wetten. Diese sind ja tatsächlich eingetreten, es war mehr oder weniger eine selbsterfüllende Prophezeiung. Nun steigen die ersten Investoren aus: Die Kurse sind traumhaft, ein echtes Wirtschaftswachstum gibt es nicht und wenn sich jetzt ab Herbst der ganze Jammer der coronageschädigten Wirtschaft offenbaren sollte, werden die Aktienkurse in die Tiefe rauschen. Zeit für Gewinnmitnahmen?
Die Anleger misstrauen immer mehr der V‑förmigen Erholung und dem Altmaierschen „Wumms“, der uns alle aus der Corona-Krise katapultieren soll. Sie machen sich ernste Sorgen um die Entwicklung der Konjunktur. Und das, obwohl der sehr beachtete „Standard & Poor“ (S&P) eine neue Rekordmarke gerissen hat. Es liegt in der Luft, dass da noch ein dickes Ende nachkommt. „Die Unsicherheit an der Börse wächst“, schreibt der Focus.
Gerüchte vom Lockdown senken das „Sentiment“
Dazu trägt auch das Gerüchtegemunkel von einer Zweiten Welle, von Lockdowns und Grenzschließungen bei. Schon jetzt befürchten Ökonomen und Informierte, dass nachdem die Aussetzung der Anzeigepflicht für Insolvenzen abgelaufen sein wird, aus den fast 10 Millionen Kurzarbeitern möglicherweise X‑Millionen Arbeitslose werden, weil sehr viele Firmen in Insolvenz gehen werden. Ein zweiter Lockdown wäre verheerend – und schon die Andeutungen der Politik sorgen dafür, dass viele Börsenanleger sich auf einen geordneten Rückzug vorbereiten. Lieber jetzt die großen Gewinne mitnehmen, als zuzusehen, wie in wenigen Tagen das Aktienvermögen auf die Hälfte oder weniger schrumpft.
Die Medien berichten landauf, landab, dass die Party auf der Börsentitanic zwar noch im Gange sei und der Champagner noch fließe, doch der Eisberg schon in Sicht sei. Das Handelsblatt berichtete schon Mitte August, dass sich die Zeichen der Überhitzung an den US-Börsen mehren. S&P sowie Nasdaq sausten immer weiter hoch im Börsencasino, obwohl die Unternehmensgewinne schon wieder schwächeln. Doch der „Angst & Gier Indikator“ liege bereits bei 74%, sagt Börsenexperte Stephan Heibel, und dass man ab 75% von „extremer Gier“ spreche, einem Warnsignal für einen überhitzten Markt – und daher sei Vorsicht geboten. „Es ist ein Zeichen für ein bereits fortgeschrittenes Stadium einer Rally, wenn das Bullenlager trotz steigender Kurse größer wird“, sagt Heibel.
Die Börse sendet Korrektur-Signale
Doch die Aufwärtskurve flacht sich ab. Die Kursgewinne werden weniger und seltener. Dann fangen die Vorsichtigen an, zu verkaufen und generieren damit nachlassende Kurse, die wiederum weitere Verkaufssignale generieren. Noch steigen die Kurse, aber die Sorgen wachsen mit und der Rally geht langsam die Puste aus. Die Ersten springen ab.
Letzten Freitag gab es noch ein deutlicheres Signal. Die US-Techwerte fielen weiter. Und der Dax folgte ihm. Optimisten hatten gehofft, dass Schnäppchenjäger die Kurskorrektur am Donnerstag nutzen würden, um noch einmal günstiger einzusteigen, aber das geschah nicht. So ging die Börse am Freitag noch weiter nach unten. Zwar sagen Börsianer, dass in Bullenmärkten Korrekturen immer besonders heftig ausfallen, eine Beruhigung ist das aber für die Anleger anscheinend nicht.
Noch verweisen die Charttechniker darauf, dass eine echte Trendwende erst dann zu erkennen sei, wenn der Dax nach dem Absacken und dem darauf folgenden, erneuten Anstieg nicht mehr auf seine alten Hochs komme, sondern vorher noch tiefer abfällt. Die Korrektur von Donnerstag und Freitag, so die Meinung vieler Börsenexperten, war zwar deutlich, sei aber auch kein Grund für Unruhe.
Die Börse in der KGV-Blase
Die wahre Gefahr liegt in der Losgelöstheit der Aktienkurse von der Realwirtschaft. Die Krisenbewältigungs-Maßnahmen haben ein deutliches Signal geschickt, dass jetzt Milliarden in die Märkte gepumpt werden und damit auch die Börse befeuert. Aber die Milliarden sind Luftgeld. Luft, die eine riesige Blase aufgepumpt hat, die früher oder später zerplatzen wird.
Denn das Verhältnis der Unternehmensgewinne zum Kurs der Aktien ist ein Ungesundes. Das sogenannte Kurs-Gewinn-Verhältnis, das KGV ist ein Signal dafür, wie gesund das Unternehmen ist, wie robust seine Ertragskraft und wie begehrt darum seine Anteile, um sie dauerhaft zu besitzen. Das KGV dient auch dazu, Unternehmen in ihrem Wert und ihrer Leistung zu vergleichen. Die Regel: Liegt der Kurs ungefähr beim 15-fachen des Unternehmensgewinns pro Aktie, ist das ein sehr gesunder Wert und bietet dem Anleger eine Rendite auf die Aktie zwischen 6 und 7%.
Je höher der Kurs der Aktie im Verhältnis zum Unternehmensgewinn steigt, umso höher ist das KGV und umso niedriger der Rendite-Zinssatz.
Zurzeit bewegt sich das KGV an der New Yorker Börse um die 30. Besonders überbewertet sind beispielsweise die Kurse der Apple-Aktien im Verhältnis zum Gewinn des Unternehmens. Die Aktienkurse sind momentan doppelt so hoch, wie es gesund wäre – und das gilt praktisch global. Das bedeutet dann: Der Markt ist „überhitzt“. Der DAX, der deutsche Aktienindex, liegt noch in einer der etwas gemäßigteren Zone, aber auch schon beim Quotienten 27.
Die Gewinne, die hier in die Berechnung des Kurs/Gewinnquotienten einfließen, stammen natürlich immer aus den Vorjahresbilanzen. Das macht die Sache besonders brenzlig, denn sie spiegeln nicht die Verluste und Probleme aus der (immer noch nicht ausgestandenen) Coronakrise wider. Sollte sich daraus eine richtige Rezession entwickeln, wird es möglicherweise dramatisch.
Börsenprofis verkaufen massenhaft
Das wissen die Profi-Börsianer auch. Das Problem ist nur, dass es kaum lohnendere Anlageformen gibt. Das beliebte Instrument „Staatsanleihen“ ist keins mehr, denn nur Staaten, die schon vollkommen überschuldet sind, bieten einigermaßen brauchbare Zinsen – aber das Total-Ausfallrisiko ist beachtlich. Bei Staatsanleihen noch relativ solider Staaten, liegt der Zinssatz nahe Null. Damit ist kein Staat zu machen. Also laufen Börsianer und Privatleute in die Aktien, um überhaupt noch Erträge zu erwirtschaften. Allerdings liegen die an der Börse mittlerweile hauptsächlich im Aktienkurs und nicht in den Dividenden, den Gewinnausschüttungen der Unternehmen an die Eigentümer, den Aktionären. Schon das ist ein Warnsignal: Es gibt kaum noch Gewinnausschüttungen, weil es kaum Gewinne gibt.
Ronald Barazon, Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“, schreibt in den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:
„In den vergangenen Wochen haben die großen Fonds und die Unternehmen mit hohen Aktienbeständen so viel verkauft wie seit Jahren nicht mehr. Man nützte die hohen Kurse und stockte die Bargeldbestände auf. Schließlich kann man nach dem zu erwartenden Kursrückgang wieder günstig zukaufen. Diese Vorgangsweise der Großen lässt – zusammen mit den Fundamentaldaten wie der Wirtschaftsentwicklung und dem KGV – einen baldigen Börsenkrach erwarten, und so wirken die Turbulenzen der vergangenen Woche wie Vorboten.“
Optimisten kaufen Aktien, Pessimisten Vorräte, Realisten Gold
Was tun? sprach Wallenstein. Natürlich kann man noch in die fallenden Aktienkurse nachkaufen, denn es könnte schon sein, dass sich die Kurse nach einer neuerlichen Korrektur wieder erholen, zumal viele große Hoffnungen auf den EU-Rettungsfonds setzen. Christoph Stanger, Co-Leiter des Aktienemissionsgeschäfts in Europa bei Goldman Sachs sieht darin den Grund, dass „viel Geld aus dem Ausland nach Europa geflossen“ ist. Einer der weltweit führenden Vermögensverwalter, DWS, erwartet, dass die Euro-Zone bereits 2022 wieder auf dem wirtschaftlichen Niveau von vor der Coronakrise angekommen sein soll.
Angesichts der Überschuldung der Staaten, des immer noch historisch niedrigen Zinsniveaus (seit 2008 und kein Ende in Sicht) scheint ein nachhaltiges Aufblühen der Wirtschaft wenig wahrscheinlich. Es kann sogar zu einer richtig großen Krise kommen, wenn viele mittelständische Betriebe in einem Insolvenz-Tsunami wegradiert werden. Das wiederum sind aber sehr oft die Zulieferer für die großen Konzerne. Uns könnte also eine gefährliche Rezession und das Brechen von Lieferketten bevorstehen. Nach einer mehr oder weniger heftigen Inflation aufgrund der ungebremsten Geldschöpfung würden dann, wenn dies geschehen sollte, viele wichtige Dinge Mangelware und entsprechend teuer.
Also doch Vorräte bunkern? Das kann nie falsch sein. Aber hält nicht ewig.
Wenn Staaten Pleite gehen und ein Börsenkrach auch große Vermögen – die der kleinen Aktionäre sowieso – in Rauch aufgehen lässt, was kann der Einzelne dann tun, um sein Vermögen noch irgendwie zu retten?
Die Antwort ist einfach: Sachwerte. Zwar können Häuser im Preis sinken, aber sie sind noch da und können auch wieder steigen. Immobilie, Land, Wald sind keine schlechte Idee. Aber Edelmetalle dürften unter solchen Umständen die Vermögensanlage sein, die ihre Kaufkraft am meisten steigert und das Vermögen am wirksamsten bewahrt. Wobei man für den Lebensunterhalt dringend den kleinen Bruder des Goldes haben sollte, das Silber. Damit kann man immer passend einkaufen. Eine Unze Silber wird dann locker den Wochen- oder gar Monats-Lebensmitteleinkauf einer Familie bezahlen. Eine Unze Gold vorzuzeigen, kann lebensgefährlich sein und weckt die Gier (auch des Verkäufers).
Das Gold braucht man für nach der Krise. Dann werden sich im Wiederaufbau gute Chancen zeigen. Sei es, dass man für ein paar Unzen Gold ein gutes Haus bekommt oder eine Beteiligung in einem aufstrebenden Jungunternehmen, oder dass man selbst eine neue Existenz damit gründet.
Es gibt immer einen Weg. Zum Aufgeben ist es nie zu spät.
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