Am 28. Mai 1915 zitierte das Berner Tagblatt die Paris Midi, dass Erzherzog Franz Ferdinand d’Este, Thronfolger und Neffe Franz Joseph I., des österreichischen Kaisers und Apostolischen Königs von Ungarn und Kroatien aus dem Haus Habsburg-Lothringen vom französischen Groß-Orient (Grand Orient de France) „zum Tode verurteilt“ worden wäre (Eggert (1), S. 267)!
Ein maurerisches Feme-Urteil also!
Brisant war diese Meldung aber noch aus einem anderen Grund: Die Paris Midi berichtete bereits am 1. Januar 1914 darüber, also ein halbes Jahr vor den tödlichen Schüssen in Sarajewo! Das Bündner Tagblatt gab am 25. August 1923 gar das Jahr 1912 als „Jahr des Orient-Urteils“ an – zwei Jahre vor dem Attentat (Eggert (1), S. 267).
Ein interessanter Nebenaspekt: Der „vehement deutschfeindliche“ Grand Orient (Eggert) hatte schon 1910 in Serbien die Loge Ujedinjenje gegründet, wenige Monate bevor die serbische Ujedinjenje ili smrt, der Geheimbund Die Schwarze Hand ins Leben gerufen wurde.
„’Urteile’ dieser Art sind nicht ohne Beispiel in der Tradition der Freimaurerei und wurden in der Vergangenheit auch tatsächlich vollstreckt“, meint der Historiker Wolfgang Eggert hierzu. „So war auch die Ermordung des spanischen Ministerpräsidenten Canalejas 1912 ein Werk der Loge, wie der deutsche Freimaurer Br. Ernst Freymann in seinem lesenswerten Buch Auf den Pfaden der internationalen Freimaurerei (Ausgabe von Dr. Burman, S. 69) geschrieben hat.“
Und weiter: „Es war klar: Gelang es, dieses Attentat auf dem Pulverfass des Balkan auszuführen, dann würde sich angesichts der damaligen Bündnislage der lokale Konflikt geradezu zwangsläufig zum Weltbrand ausweiten. Trotzdem plante die Freimaurerei den Mord an dem Prinzregenten. Eine ganze Reihe von Zeitzeugen – Freunde und Gegner der Loge – belegen dies“ (zitiert nach: Eggert (1), S. 267, 268).
Aufgeführt hierfür wird beispielsweise die französische Zeitung Revue internationale des Sociétés secrètes vom 12./15. September 1912, S. 787f., die berichtete, dass im „demselben Monat als die Gemahlin des Thronfolgers, die Herzogin von Hohenberg, gewarnt wurde“, Franz Ferdinand „verurteilt“ sei und auf dem Wege zum Thron „sterben“ müsse.
Das jedenfalls hätte ein führender Schweizer Freimaurer in Bezug auf den Erzherzog geäußert („Schade, dass er verurteilt (verdammt) ist. Er wird auf den Stufen des Thrones sterben“) (zitiert nach: Eggert (1), S. 268).
Konkreter darüber wird der Historiker Wolfgang Eggert: „In eingeweihten Kreisen sprach man über die Bluttat, Jahre bevor diese ausgeführt wurde“.
So schrieb etwa 1912 ein Autor mit dem Pseudonym „Athanasius“: „Vielleicht erklärt man sich eines Tages den Ausspruch eines hohen Freimaurers der Schweiz in Sachen des Thronfolgers: ‚Er ist ungewöhnlich hervorragend; schade, dass er verurteilt ist. Er wird auf dem Wege zum Thron sterben‘“ (Athanasius: Das Geheimnis der Bosheit, 1912, S. 14) (Eggert (1), S. 268).
Selbst Papst Pius X. (1903–1914) war seit 1911 überzeugt, dass Franz Ferdinand ums Leben kommen und stattdessen sein Neffe Karl den Thron der Habsburger besteigen würde. Laut dem deutschen Historiker Markus Osterrieder ging der Papst davon aus, dass ein Weltkrieg ausbrechen würde.
So sagte er etwa zu seinem Staatssekretär Kardinal Merry de Val: „Die Dinge stehen schlecht, wir werden 1914 nicht überstehen.“ Ende Mai 1913 verabschiedete er Bruno Chaves, den in den Ruhestand gehenden Botschafter von Brasilien, mit den Worten: „Seien Sie glücklich, in ihr Heim nach Brasilien zurückzukehren, so werden sie nicht hier sein, wenn der Weltkrieg ausbricht“ (Osterrieder, S. 594, 595).
Noch vier Tage vor dem Attentat, also am 24. Juni 1914, hatte der Papst durch seinen Kardinalstaatssekretär mit Serbien ein Konkordat geschlossen. Alles nur seltsame Zufälle? Selbst die mysteriöse Prophetie des Heiligen Vaters? Oder wusste er bereits über sein Netzwerk und seine Spione vom Agieren der Freimaurer, den Feinden der Katholischen Kirche, gegen Franz Ferdinand? Anders kann man sich das freilich wohl nicht erklären.
Doch was noch wichtiger war: der Erzherzog wusste bereits 1912 von dem damaligen freimaurerischen Todesurteil! Das zumindest berichtete der Zeitzeuge und Diplomat Graf Ottokar Czernin (der später auch der Präsident des Bürgervereins 1918 wurde, der am 6. März 1919, die antimasonische Veranstaltung Entente-Freimaurerei und Weltkrieg initiierte. Wenig später erschien unter gleichem Titel ein Buch von Karl Heise, der sich wiederum nach Osterrieder als „Schüler Rudolf Steiners verstand“ (Osterrieder, S. 592).
Czernin war einer von Ferdinands bedeutendsten Ratgebern, Gesandter in Bukarest und spätere außenpolitischer Ratgeber Kaiser Karls. In seinen Erinnerungen Im Weltkriege, die 1919 veröffentlicht wurden, hielt er fest:
„Eine hübsche Eigenschaft des Erzherzogs war seine Furchtlosigkeit. Er war sich vollständig im Klaren darüber, dass die Gefahr eines Attentats für ihn immer bestehe, und er sprach oft und vollständig ohne Pose über diese Eventualitäten. Von ihm erhielt ich ein Jahr vor Kriegsausbruch die Nachricht, dass die Freimaurer seinen Tod beschlossen hätten. Er nannte auch die Stadt, wo dieser Beschluss angeblich gefasst worden sei – dies ist mir entfallen – und nannte den Namen verschiedener österreichischer und ungarischer Politiker, welche davon wissen müssten“ (Graf Czernin: Im Weltkriege, Berlin und Wien 1919, S. 58).
FORSTSETZUNG FOLGT!
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
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