Der Werbeslogan auf der Sprühdose war schon fast rührend komisch. Der Sprühkäse, der sich auf Knopfdruck wie eine gelbe Styropor-Wurst aus der Düse schlängelte, roch intensiv nach Käse und schmeckte auch so. Ein bisschen salzig vielleicht. „With REAL Cheese!“ – mit ECHTEM Käse! jubilierte die Verpackung in großen, roten Lettern vielversprechend. Ganze 5 % Käse waren in der dottergelben Masse enthalten. Was es nicht alles im Amiland gibt! Großes Gekicher in der Runde, die gelben Käseschlangen zierten bald mehr, als nur die Toastbrotscheiben. So richtig essen wollte es aber niemand. Bei uns in Deutschland gibt es so was nicht, war die einhellige Meinung.
Aber stimmt das denn?
Wir haben in Deutschland zwar keine so spektakulären Sprühflaschen für Käse, aber wir haben durchaus Käse, der überhaupt keinen Käse enthält. Eiweiß, Wasser, Geschmacksverstärker und Öl zu einer Masse rühren, den richtigen Gelbton per Lebensmittelfarbe dazu, Salz und künstliche Aromen – fertig ist der so genannte Analogkäse, und selbst Kenner sind sich unsicher, wenn sie feststellen sollen ob das, worauf sie herumkauen, Käse oder ein Imitat ist. Ganz besonders, wenn Sie beim preiswertesten Pizzabäcker in der Stadt bestellen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das goldgelbe Zeug, was auf Ihrer Pizza so verlockende Fäden zieht, niemals einen Tropfen Milch gesehen hat. Das ist nicht nur Verbrauchertäuschung, sondern gesetzwidrig: Laut Deutscher Käseverordnung und auch entsprechender EU-Verordnung muss Käse zu 100 Prozent aus Milch hergestellt werden.
Suchen Sie mal Kalbswienerwürstel im Geschäft, und schaun Sie dann drauf, wie viel Kalbfleisch überhaupt darin ist. Sie werden staunen, das weitaus meiste darin ist Schweinefleisch. Dasselbe bei angeblicher Geflügel-Leberwurst. Nur ein Kleiner Teil davon stammt vom Geflügel, der Rest vom Schwein. Nicht, dass Schwein etwas Schlechtes wäre, aber es steht nun einmal etwas anderes drauf. Und der Käufer wollte Kalbsfleisch und Geflügelleber. Verbraucherschützer haben Produkte von neun Supermarktketten getestet. In elf von 18 Fällen war nicht einmal eine Spur von Kalbsleber in der „Kalbsleberwurst“. Das ist dreist.
Wenn Sie nach einer Packung mit Kaffeepulver greifen, kommt Ihnen meistens gar nicht erst der Gedanke in den Sinn, in der wunderbar aromatisch duftenden Packung könnte noch etwas anderes sein als nur Kaffeepulver. Meistens ist das auch so, aber die Kaffeehäuser Onko und Tschibo/Eduscho vertreiben Kaffeesorten, die mit Maltodextrin und Karamell gestreckt werden. Das hat noch nicht einmal den Zweck, den Geschmack aufzuhübschen. Die Mengenverteilung lässt laut Angela Danitschek von der Verbraucherzentrale Bayern schon vermuten, um was es hier geht. Ein Import eines Produktes das unter 90% Kaffee enthält, kostet deutlich weniger Steuern. Der Anteil an reinem Kaffeepulver in besagten Produkten beträgt denn auch folgerichtig 89%. Der Rest ist Maltodextrose und Karamell. Rechtswidrig ist diese Verfahrensweise nicht, denn wer genau hinsieht, findet diese Zutaten auch auf der Packung. Nur eben nicht besonders gut sichtbar. Gesundheitsschädlich sind die Zutaten auch nicht, aber die gesamte Erscheinungsform der Packung täuscht dem Käufer vor, er bekomme reinen, gemahlenen Bohnenkaffee. Den Preisvorteil durch die Steuerersparnis gibt der Hersteller auch keineswegs an die Kunden weiter.
Fazit: Kaufen Sie nur ganze Bohnen und mahlen Sie Ihren Kaffee selbst.
Orangenlimonade müsste eigentlich – zwar zu einem kleinen Prozentsatz, aber immerhin – Orangensaft enthalten. Schauen Sie mal auf die Zutatenliste: Nicht immer ist das der Fall. Manchmal findet sich da, wo Orangensaft in der Zutatenliste stehen sollte nur Zitronensäure, Aromastoffe und gelber Farbstoff. Es gibt sogar Wein, der nur aus Wasser, gefriergetrocknetem Weintraubenkonzentrat, Bentonit, Disulfit, Kaliumsorbat, Konservierungsmittel und Farbstoffen besteht. Das Unglaubliche: Der Verbraucher kann diesen Chemie-Experimentierkasten für Fortgeschrittene kaufen. Geliefert wird der „Wine Kit“ in Einzelteilen, mit Gebrauchsanweisung und schicken „Barolo“- Wein-Etiketten, um sie nachher auf die Flaschen zu kleben. Nachdem die Tütchen in der richtigen Reihenfolge mit Wasser verrührt sind, muss man dann die Brühe zwanzig Tage reifen lassen: Voilá! Der Hauswein lässt sich sehen und kostet nur wenig mehr als ein Euro pro Flasche.
Geschmacksstoffe, Ersatzstoffe und Aromen sind das Schlüssel- und Zauberwort zu Zitronenkuchen ohne Zitronen, Vanilleeis ohne Vanille, Käse ohne Käse, Hühnerbrühe ohne Huhn, Ananasjoghurt mit Sauerkraut und Ananasgeschmack, aber ohne Ananas. Im Grunde braucht es nur eine Trägersubstanz, die möglichst nahe an das vom Kunden erwartete Lebensmittel herankommt und passende Geschmacks- und Aromastoffe, ein bisschen Farbe, und fertig ist die Leckerei. Dann noch ausgefeilte Werbeprosa auf der Packung, die von einem Anwalt auf Prozessfestigkeit überprüft wurde, so steht nichts mehr im Wege, die schöne Packung mit dem hässlichen Inhalt in die Supermärkte zu schippern. Fällt eine allzu dreiste Trickserei auf, und selbst dem Verbraucher, der schon einiges gewohnt ist, platzt der Kragen: viel passieren kann dem Hersteller nicht. Die Verbraucherschutzverbände tun ihr bestes, die Gesetzeslage ist eigentlich auch eindeutig, aber die Abmahnungen gegen den Hersteller nutzen nicht viel. „Dann ändern die Anbieter in ihrer Werbung ein Wort, und wir müssen wieder klagen“ resigniert Martin Rücker, Sprecher bei der Organisation Foodwatch.
Selbst wenn klipp und klar „ohne Zusatzstoffe“ auf der Packung gedruckt steht, auch hier wird getrickst. Hinter der natürlich klingenden Zutat „Hefeextrakt“ verbirgt sich sehr wohl ein Geschmacksverstärker, der auch noch das gesundheitsschädliche Glutamat enthält. Sogar Bio-Produkte enthalten diese Hefeextrakte und nennen sie „Würze“ oder „Würzmittel“.
Getäuschte Verbraucher können solche Tricksereien in einem Internetportal melden: www.lebensmittelklarheit.de ist eine von der Verbraucherzentrale Hessen betreute und initiierte Seite, die solchen Schwindeleien nachgeht, bei den gemeldeten Produkten die Beschwerde prüft, den Hersteller kontaktiert und die Sache auch weiterhin nachverfolgt. Jeder kann dort Etikettenschwindel, falsche Kennzeichnung, Imitate, Tricksereien mit Zusatzstoffen oder falsche Versprechungen melden. Das gefällt der Lebensmittelindustrie natürlich nicht. So eine Seite sei ein moderner Pranger, wird gemäkelt.
Der „Pranger“ erfreute sich gleich zu Anfang so großer Beliebtheit, dass die Seite sofort unter dem Nutzeransturm einbrach. Am ersten Tag gab es 20.000 Zugriffe pro Sekunde. Schon ein paar Tage später wurde sie nachgerüstet. Es gibt ja normalerweise wenig Erfreuliches aus diesem Lebensbereich zu vermelden, aber wo es angebracht ist, soll man auch einmal loben. Diese Seite ist sehr segensreich, hier kann der Verbraucher einmal die Hersteller nach seinen Erwartungen und Wünschen beeinflussen und sich wirksam beschweren. Die Verbraucher und entsprechende Verbände haben immerhin auch erreicht, dass die Pestizidbelastung in den Nahrungsmitteln deutlich zurückgegangen ist, und zahlreiche Zuschriften und Petitionen konnten bisher verhindern, dass die Gentechnik in der Nahrungsmittelherstellung und der Landwirtschaft ungehindert Einzug halten konnte.
Sicher vor Gentechnik ist man allerdings auch bei Bioprodukten nicht wirklich. Seit 2009 darf das Biosiegel der EU auch an Lebensmitteln kleben, wenn sie ökologisch produziert sind und unter 0,9 % gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten. Das ist keine generelle Erlaubnis, ist aber zulässig, wenn die Kontamination zufällig oder durch den Herstellungsprozess unvermeidbar geschieht. Das können nicht genügen gesäuberte Transportbehälter sein, Erntemaschinen, aber auch durch Wind auf das Öko-Feld eingetragene Pollen von gentechnisch veränderten Pflanzen. Liegt die Kontamination unter jenen 0,9%, muss das nicht auf der Packung vermerkt werden.
Vitamine oder Enzyme, die aus genetisch modifizierten Bakterien gewonnen werden, selbst aber nicht genetisch verändert sind, werden ebenfalls in definierten Fällen für Bio-Lebensmittel zugelassen.
Hier kommen aber auch die Hersteller der Bio-Lebensmittel ins Spiel, die eine strengeren Schwellenwert an GVO-Kontamination ablehnen: Wenn nämlich bei gleich starker GVO-Kontamination konventionelle Lebensmittel nicht gekennzeichnet werden müssten, Bio-Lebensmittel aber schon, würde der Käufer die gekennzeichneten Bio-Lebensmittel ablehnen, den nicht gekennzeichneten, konventionellen Nahrungsmitteln aber vertrauen, weil ja nichts draufsteht.
Auch synthetische Pestizide sind im Biolandbau unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Eigentlich sollten damit zum Beispiel Pheromonfallen für Schädlinge ermöglicht werden, die in Obstplantagen etc. aufgehängt werden. Sie ziehen mit Lockstoffen die Schädlinge an und verhindern so den Befall der Früchte. Mit der Pflanze kommen diese Fallen nicht in Berührung. Durch kreative Auslegung dieser Bestimmung kommt es aber auch im Biolandbau zum Einsatz von Pestiziden, der sich mit den Vorschriften nicht verträgt.
Wer also sicher gehen möchte, dass er wirklich das bekommt, was er sich unter „BIO“ vorstellt, sollte zu den Biozertifikaten greifen, die sich selbst die strengsten Regeln setzen, anstelle den staatlichen, lockeren Bio-Regeln noch ein paar Schlupflöcher abzutrotzen. Wer zu Demeter, neuform oder Bioland-Produkten greift, bekommt die Produkte, die am sorgfältigsten hergestellt und am strengsten kontrolliert werden.
Man sollte aber im Großen und Ganzen schon den Einzug der Biosiegel in den ganz normalen Supermarkt begrüßen. Für viele Menschen ist das ein Einstieg in eine bewusste Ernährung und der Anfang davon, sich mit den „Lebens“-mitteln auseinanderzusetzen.
http://www.br-online.de/ratgeber/ernaehrung/kaese-zusatzstoffe-taeuschung-ID123926132953.xml
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/verbraucher/verbrauchertaeuschung-a-la-carte/1661310.html
http://www.lebensmittelklarheit.de
http://www.stern.de/wirtschaft/news/lebensmittel-portal-soll-nachgeruestet-werden-1708486.html
http://www.presseurop.eu/de/content/article/843641-falsches-bio-echtes-gold
http://www.zeit.de/zeit-wissen/2007/04/Aepfel-Interview-Gerber
http://www.welt.de/wirtschaft/article940304/Wo_Bio_draufsteht_darf_Gentechnik_drin_sein.html
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