Die drei Weis(s)en aus dem Mor­genland – wie man Ras­sismus ver­breitet, indem man ihn überall sieht

Nicht mehr lang und die Weih­nachtszeit kommt. Schon lange vorher wird in den Geschäften die Deko her­aus­geholt, Sterne, Kugeln, Glit­zerkram. Uralt Heid­ni­sches ver­bindet sich mit Christ­lichem. Freude über die ganz besondere Zeit mit großem Fami­li­enfest, aber auch Sorge, dass die Corona-Maß­nahmen alles ver­hageln könnten. Viele Mit­men­schen, die auf­grund dieser Maß­nahmen ihre Existenz ver­loren oder schmerz­hafte Ein­bußen erfahren haben, können dieses Jahr keine Geschenke machen. Und darf man sich über­haupt zu Weih­nachten besuchen und zusammen feiern? Mitten in diese Gemengelage grätscht auch noch eine Dis­kussion um den „schwarzen“ Mel­chior unter den hei­ligen drei Königen. Ras­sismus! Schreien die Gazetten.

Schon in kleinen Dorf­ge­meinden geht es los. Wie machen wir das denn dieses Jahr mit den Stern­singern? Darf Mel­chior über­haupt schwarz sein? Jemand sehr eif­riges hat da was im Internet gelesen, warum das nicht gut ist. Das ist nämlich … er hat das Wort gleich parat … „Black­fatzink“ (Black­facing). Das hat man früher in Amerika gemacht, da haben sich Weiße das Gesicht schwarz angemalt und die Schwarzen (er benutzt völlig arglos das N***-Wort) par­odiert. Was das mit Mel­chior zu tun hat, weiß er auch nicht. Aber er hat ver­standen, dass das jetzt plötzlich Ras­sismus ist und bevor man noch Ärger kriegt …

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Absur­distan. Aber eine inter­es­sante Studie, die Artikel quer durch die Pres­se­land­schaft dazu zu lesen.

Die Seite katholisch.de eröffnet mit einem lesens­werten Abriss der Geschichte, wie die „hei­ligen drei Könige“ über­haupt ent­standen sind. Ursprünglich wurden die drei Herren in den alten Quellen als die drei Weisen, die drei Stern­deuter oder Magier bezeichnet. Königs­würden hat der Volks­glaube ihnen erst im Lauf der Zeit ange­dichtet. Die Bezeichnung „Magier“ beziehe sich seit dem vierten Jahr­hundert auf zoro­as­trische Priester, schreibt die Seite. Zoroaster/Zarathustra/Zarduscht war ein Reli­gi­ons­stifter, der irgendwann zwi­schen 1000  und 500 v. Chr. im Westiran und Aser­bei­dschan wirkte und als Urvater der spä­teren, mono­the­is­ti­schen Reli­gionen gilt. Er war wahr­scheinlich ein Zeit­ge­nosse Buddhas und Kon­fuzius‘.) Überdies, gibt der Autor Christoph Paul Hartmann zu bedenken, sei aus der Bibel ganz klar zu ent­nehmen, dass es keine Angaben zur Anzahl der Magier gibt, die ihre Auf­wartung in Beth­lehem machten. Dafür aber die Infor­mation, dass sie alle aus Ländern des Nahen Ostens stammten und nicht aus Afrika.

Diese Figuren der drei „Weisen“ wurden in den fol­genden Jahr­hun­derten mit wei­teren Bedeu­tungen „auf­ge­laden“, wie der Autor berichtet:

Die Ein­zel­heiten zu den Gestalten ent­standen erst nach und nach: Nach einigen Jahr­hun­derten war von drei Königen die Rede, im sechsten Jahr­hundert bür­gerten sich in West­europa die Namen Caspar, Mel­chior und Bal­thasar ein. Das Bild wurde immer mehr auf­ge­laden: Bald standen die drei für die drei Alter des Men­schen, erst ab dem späten Mit­tel­alter ver­breitete sich dann die Dar­stellung als Ver­treter der damals bekannten Erd­teile Europa, Asien und Afrika – einer der Könige wurde also als Schwarzer abgebildet.“

Inter­essant, nicht wahr? Dazu ergänzend sei ange­merkt, dass die Figur des Jesus­kindes, das in der Fut­ter­krippe im Stall auf Stroh liegt, eben­falls eine ganz andere Bedeutung hat, als nur das liebe, kleine Jesulein, dass aus Platz­mangel in den Her­bergen in einem Stall zur Welt gebracht werden musste. Der stets blonde und oft mit einem Strah­len­kranz umgebene, neu­ge­borene Junge ist viel älter als das Chris­tentum. Es ist die Wie­der­geburt des Licht- und Früh­lings­gottes Baldur/Forsyth, der durch den Mis­tel­zweig des Unter­welt­gottes stirbt (der Tod des Sonnen-Lichtes) und in der Mitt­win­ter­nacht wieder geboren wird (das Licht kommt zurück in die Welt). Unsere heid­ni­schen Vor­fahren löschten am Abend alle Herd­feuer und schlugen bei einer Zere­monie in der Win­ter­sonn­wend­nacht neues Feuer auf dem Stroh und trugen das neu ent­fachte Feuer in alle Häuser, um die Herd­feuer für einen neuen Jah­res­kreislauf zu ent­zünden. Der frische Licht­funke und das neue Feuer in Stroh ist der neu­ge­borene Baldur. Deshalb kommt in den Weih­nachts­liedern auch immer wieder die Wendung „Das Licht der Welt“ als Name für den Jesus­knaben vor. Auch hier spielen alte, reli­giöse Grund­strö­mungen eine große Rolle. Der ein­ge­wur­zelte Volks­glaube der Men­schen schafft es eigentlich überall, die „reine, theo­lo­gische Lehre“ zu über­wu­chern, aber er bringt auch Farbe, Geschichten, Emo­tionen und Fan­tasie ein und berei­chert. Die Men­schen brauchen das. Nicht einmal Mao hat es geschafft, die alten reli­giösen Denk­weisen und Bräuche aus­zu­rotten, sie beherr­schen heute noch das Denken und die Tra­di­tionen der chi­ne­si­schen Völker.

Zurück zu den drei Weisen aus dem Mor­genland. Autor C. P. Hartmann wendet sich nach seinen his­to­ri­schen Betrach­tungen den­selben Ausführungen zu, die in fast allen anderen Medien aus­ge­breitet werden. Alles übler Ras­sismus, ins­be­sondere in Ulm, wo jedes Jahr eine sehr alte Drei­er­gruppe der drei Könige zur Weih­nachtszeit auf­ge­stellt wird. Hier ist Mel­chior tat­sächlich extrem ungünstig dar­ge­stellt. Unbe­streitbar eine scheuß­liche Kari­katur eines Afri­kaners und daran ent­zündet sich auch eine Dis­kussion. Dass das die Intention des Künstlers damals war, darf aber bezweifelt werden. Wahr­scheinlich hatte er noch nie einen Afri­kaner gesehen und verließ sich auf die Beschrei­bungen, die sicher auch nicht aus erster Hand waren. Heraus kam ein solches Zerrbild.

Eine kleine Anmerkung: Ich habe so etwas in Bezug auf Europäer gesehen. In einer alten Tem­pel­anlage in Bangkok, Thailand, habe ich große Stein­fi­guren aus einer Zeit gesehen, als nur sehr wenige Europäer nach Thailand kamen. Ich hielt sie erst für gru­selige Dämonen-Dar­stel­lungen mit großen, vor­ste­henden Glotz­augen, unför­migen Nasen, Bull­dog­gen­ge­sichtern und merk­wür­digen Hüten. Ich war ver­blüfft, als ich erfuhr, das sei eine Dar­stellung von weißen Euro­päern. Da hatte sich der Künstler offenbar auch an Beschrei­bungen ori­en­tiert, die durch „stille Post“ über mehrere Sta­tionen ziemlich ent­glitten sind.

Was dabei her­aus­kommt, wenn man sich nach Beschrei­bungen ein „Bild macht“ sei spa­ßes­halber einmal hier an mit­tel­al­ter­lichen Zeich­nungen von Ele­fanten gezeigt. Ein viel­leicht eigen­wil­liges Bei­spiel, aber (noch) nicht poli­tisch inkorrekt. Man muss ja die Kunst des Eier­tanzens beherr­schen, um sich in diesen Themen außerhalb des engen Kor­ridors der vor­ge­schrie­benen Meinung zu bewegen.

In dem ganzen Chor der Ein­heits-Mei­nungen zum Thema „schwarzer Mel­chior“, in dem immer wieder der­selbe Kanon von Ras­sismus, Black­facing, Kli­schees, Redu­zierung auf das Merkmal „Rasse“ und Ras­sen­ste­reo­typen her­un­ter­ge­betet wird, hat die Web­seite mk-online.de den Mut, auch eine andere Sicht der Dinge zu Wort kommen zu lassen. In einem Pro und Contra darf – nach Redakteur Lukas Fleischmann, der sich poli­tisch korrekt äußert und alle Schlag­wörter abar­beitet, auch Redakteur Paul Hasel zu Wort kommen, dessen Beitrag lesenswert ist. Seine Kernaussage:

„Die drei Könige ver­treten die damals bekannten drei Erd­teile Europa, Afrika und Asien. Der schwarze König steht für Afrika. Wenn die Stern­singer diese Tra­dition fort­führen, stehen sie damit für das christ­liche Men­schenbild ein: Mit der Geburt Jesu wird Gott Mensch für alle Men­schen – egal, welche Haut­farbe sie haben. (…)  Aber wie so oft, wenn es um poli­tical cor­rectness geht, wird weit über das Ziel hin­aus­ge­schossen. Das schwarz ange­malte Gesicht ist per se eine Belei­digung, des­wegen soll das niemand mehr machen. Motive und Hand­lungs­ab­sichten sind kein Beur­tei­lungs­kri­terium mehr. Aber ein solcher ein­tö­niger Mora­lismus schafft letzten Endes die gesell­schaft­liche Vielfalt ab, von der unsere Demo­kratie lebt. Und er erzeugt Ver­un­si­cherung und Angst. Im ver­gan­genen Jahr erzählte mir die Lei­terin einer Stern­sin­ger­gruppe aus unserem Pfarr­verband, dass sie keinen schwarzen König mehr haben, ‚damit es keinen Ärger gibt‘. Es einfach nicht mehr machen, damit man nicht ange­feindet wird.“

Ich stelle noch eine Frage: Ist es nicht eher umge­kehrt übler Ras­sismus zu signa­li­sieren, dass man Schwarze nicht mehr zeigen darf, außer in bestimmten, poli­tisch kor­rekten Zusam­men­hängen? Warum muss man den weisen, schwarzen König aus Afrika aus der Weih­nachts­ge­schichte ver­bannen? Er ist ja immer gleich­wertig mit den anderen zwei dar­ge­stellt. Was für ein ver­querer Ras­simus ist das denn, Dar­stel­lungen dun­kel­häu­tiger Men­schen erst einmal grund­sätzlich als Belei­digung zu sehen, sogar bei den durchweg posi­tiven Gestalten der drei hei­ligen Könige? Was, bitte, ist denn per se Nega­tives daran, schwarz zu sein?

So kommt es jeden­falls sehr oft bei Kindern an, die die kom­pli­zierten Hin­ter­gründe nicht ver­stehen können: Schwarz sein ist anscheinend ein merk­wür­diges, geheim­nis­volles Problem. Man darf auch nicht darüber reden. Auch Eltern reagieren bei Fragen danach komisch. Unter allem liegt eine unter­schwellige Drohung, dass man irgendwie bestraft werden kann. SO kann man sicher nicht einen offenen, unbe­fan­genen Umgang mit­ein­ander erreichen.