Die Briten sind keine Freunde der katholischen Kirche. Daran scheint sich nicht viel geändert zu haben, denn wieder einmal ist es die britische Presse, die altehrwürdige Financial Times, die genüsslich ausbreitet, was schon vor einem knappen Jahr zuerst auf der Insel zu lesen war: Der Vatikan mischt in der Raubtierkapitalismus-Manege fröhlich mit – und das, wo seine Heiligkeit, Papst Franziskus, doch ein Marxist ist.
Damals, Anfang des 16. Jahrhunderts, wollte König Heinrich VII eine neue Frau ehelichen. Da er aber verheiratet war, stimmt die katholische Kirche nicht zu. Seine Majestät gründete daraufhin die „Church of England“ und setzte sich auch gleich als Oberhaupt ein, sagte sich von Rom los und konnte von da an so viel Ehefrauen nacheinander heiraten und köpfen, wie er wollte. Eine seiner Töchter, Maria Tudor war die erste Frau auf dem Throne Englands. Sie herrschte nur fünf Jahre. Sie wollte den Katholizismus wiederherstellen und ließ fast 300 Protestanten hinrichten, was ihr den Beinamen „die Blutige“ bei den Protestanten und „die Katholische“ bei den Katholiken einbrachte. Es kommt immer auf die Sichtweise an.
Elizabeth I (Tudor), Marias Halbschwester, folgte ihr auf den Thron und übernahm die Aversion ihres Vaters gegen Rom. Sie wiederum verfolgte die Katholiken gnadenlos und seither ist zwischen Großbritannien und dem Vatikan keine Liebe verloren (in Schottland und Irland lebt der Katholizismus noch). So ist es auch kein Wunder, dass den britischen Zeitungen ein Skandal im Vatikan immer eine Freude ist, zu berichten. „Vatican used charity funds to bet on Hertz credit derivates“ lesen wir auf dem zart lachsfarbenen Fond der Webseite der Financial Times, die typische, traditionelle Papierfarbe der gedruckten Zeitung: Der Vatikan benutzte Wohltätigkeitsspenden, um auf Kredit-Derivate von Hertz zu spekulieren.
Das kommt besonders gut, denn gerade seine Heiligkeit hatte im November 2019 mit einem zorngeladenen Bannstrahl diese Kredit-Derivate (Credit Default Swaps, CDS) verdammt und mit meterhoher, moralischer Bugwelle gesagt: „Wenn wir es nicht verstehen, das Geld zu hüten, das man sieht, wie wollen wir dann die Seelen der Gläubigen hüten, die man nicht sieht?“
Im Oktober 2019 fielen Ermittler des Vatikans mit einem Durchsuchungsbeschluss in die Büroräume des Staatssekretärs (oberste Kurienbehörde) des Vatikans und in die der vatikanischen Finanzaufsicht ein und durchsuchten alles. Der Vatikan gab sich extrem schmallippig. Aber aus der vatikanischen Polizei hatte jemand an das Magazin durchgestochen, dass fünf Mitarbeiter der Kurie sofort vom Dienst suspendiert wurden. Darunter auch Prominenz: AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza und der Bürochef im Staatssekretariat Mauro Carlino. Auch den bis dahin unbekannten Hintergrund hatte der L‘Espresso erfahren: Das Staatssekretariat des Vatikans hatte ein sündteures Gebäude mitten in London erworben, um es mit Gewinn weiterzuverkaufen. Zwischen 150 und 180 Millionen Euro hatte die Butze gekostet.
Gut, die Kirche hat‘s ja. Was daran aber skandalös war, ist, dass das Geld dafür aus einer ständigen, weltumspannenden Spendensammlung kommt, dem „Peterspfennig“. Der Peterspfennig (Denarius Sancti Petri) sind laut der Erklärung auf der Webseite des Vatikans „die wirtschaftlichen Zuwendungen, welche die Gläubigen zum Zeichen ihrer Verbundenheit mit den vielfältigen Aufgaben des Nachfolgers Petri leisten, um dessen Sorge um die Erfordernisse der universalen Kirche und um den Liebesdienst an den Bedürftigen zu unterstützen.“
Papst Franziskus legte damals seinen beeindruckenden Empörungsauftritt hin. Offensichtlich aber hat sich seitdem nichts geändert. Jetzt ist zu der mit veruntreuten Spendengeldern gekauften Luxusimmobilie in London noch das riskante Wetten im Finanzkasino gekommen. Genau das, was seine Heiligkeit so angeprangert hatte.
Das mit dem gewinnbringenden Verkauf in London hatte nicht funktioniert, und das tolle Investment erwies sich als ein Groschengrab. Jetzt, ein Jahr später, stellt sich heraus: Der Vatikan hat mit den gemeinnützigen Spenden herumgewirtschaftet, um ein Darlehen in Höhe von 242 Millionen Euro an den Gläubiger „Credit Suisse“ zurückzuzahlen. Das Darlehen war teilweise zur Finanzierung der Londoner Immobilie gebraucht worden, hatte dem Vatikan aber im Anschluss enorme Verluste gebracht. Die Financial Times will diese Information von einem Insider erhalten haben.
Als Sicherheit für das gewaltige Darlehen hatte die Credit Suisse vom Vatikan ein Portfolio von Vermögenswerten erhalten, die aus Spenden der Gläubigen stammte — wie dem besagten „Peterspfennig“.
Dabei hat der Vatikan nicht nur diese Spenden als Sicherheit hinterlegt, sondern damit auch noch gezockt. Nur durch Glück ist nicht alles auf dem Spieltisch des Finanzcasinos geblieben. Neben der teuren Luxusimmobilie wurde die Zockerei auch mit den Spenden betrieben. Das geht aus den Ermittlungsakten der vatikanischen Staatsanwaltschaft hervor. Die Staatsanwaltschaft des Vatikans ermittelt gegen 15 Verdächtige wegen Veruntreuung, Amtsmissbrauch und Korruption. Der „Corriere della Sera“ berichtete und zitierte daraus.
Der Vatikan wettete per CDS eine hohe Summe darauf, dass die Autovermietung Hertz nicht bis Ende April 2020 insolvent wird. Das eingesetzte Geld plus Gewinn sollten zur Auszahlung kommen, wenn die Wette aufgeht. Das funktionierte, aber nur sehr knapp. Im Mai meldete Hertz Insolvenz an. Der Vatikan ist haarscharf an einem gigantischen Debakel vorbeigeschrammt, alles wäre verloren gewesen.
Eingedenk der harschen Worte des Papstes gegen solche Finanzjongleurs-Wetten ein Jahr zuvor, fördert so etwas nicht gerade das Vertrauen der Gläubigen in die Kirche. Weil solche Credit Default Swaps schon bei der großen Finanzkrise 2018 ein nicht unwichtiger Grund für den Flächenbrand in den Banken war, bezeichnete Pontifex Maximus Franziskus dieses Teufelszeug zutreffenderweise als „tickende Zeitbomben“, deren Zweck es sei, „auf das Versagen anderer zu wetten“, was aus „ethischer Sicht inakzeptabel“ sei. Wie wahr, Ihre Heiligkeit, wie wahr.
Selbstverständlich fordert der Papst nun ein „sauberes Finanzwesen im heiligen Tempel der Humanität“. Papst Franziskus setzte beredt die Tätigkeit der Inspektoren der europäischen Anti-Geldwäsche-Kommission Moneyval mit Jesu Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel gleich (Matthäus-Evangelium 21, 12–13). Die Moneyval-Inspektoren des Europarates führen seit dem 30. September die turnusmäßigen Prüfungen im Vatikanstaat durch.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.