Mehr Über­wa­chung und Bestrafung: ZDF macht mit Corona-Mei­nungs­for­schung Stimmung

Betrachten Sie bitte die fol­gende Abbildung. Was lesen Sie heraus?

71% der Befragten im ZDF-Polit­ba­ro­meter sind dafür, wegen vor­han­dener Miss­achtung von Corona-Schutz­maß­nahmen stärkere Kon­trollen durch­zu­führen und 62% sind dafür, die­je­nigen die die Regeln nicht ein­ge­halten haben, stärker zu bestrafen.

Oder:

71% der Befragten im ZDF-Polit­ba­ro­meter befür­worten stärkere Kon­trollen und 62% befür­worten stärkere Strafen, für den Fall, dass Corona-Maß­nahmen nicht ein­ge­halten werden.

Welche der beiden Aus­le­gungen liegt nahe?

Soll wegen Miss­achtung von Corona-Maß­nahmen mehr kon­trol­liert und stärker bestraft werden?

Oder

Soll in hypo­the­ti­schen (zukünf­tigen) Fällen der Miss­achtung von Corona-Maß­nahmen mehr kon­trol­liert und stärker bestraft werden?

Wenn Sie wie wir der Ansicht sind, die gra­phische Dar­stellung legt eine Art Notwehr des Staates nahe, der sich mit mehr Kon­trollen und stär­keren Strafen gegen die Zahl derer wehren will, die seine Corona-Maß­nahmen miss­achten, dann liegen Sie ebenso wie wir daneben. Denn die sug­ge­rierte Begründung der Kon­trollen und Strafen in aktu­ellem Ver­halten ist nicht erfragt worden. Die tat­säch­lichen Fragen, die die For­schungs­gruppe Wahlen gestellt hat, lauten:

  • Wenn es um die Ein­haltung der Corona-Schutz­maß­nahmen geht, sollte es da 
    • stärkere Kon­trollen geben oder
    • sollte es die nicht geben?
  • Und wenn die Corona-Schutz­maß­nahmen nicht ein­ge­halten werden … 
    • sollte es dann härtere Strafen geben oder
    • sollte es die nicht geben.

Die erste Frage bezieht sich direkt auf die Kon­trolle der Ein­haltung von Corona-Schutzmaß­nahmen. Befür­worter sprechen sich also für prä­ventive Kon­trollen, um Ein­haltung zu gewähr­leisten aus. Die zweite Frage ist eine hypo­the­tische Frage, die für den Fall, dass Corona-Schutz­maß­nahmen nicht ein­ge­halten werden, die danach fragt, ob dann härtere Strafen ver­hängt werden sollen.

Das ZDF ver­mittelt mit seiner Abbildung somit den fal­schen Ein­druck, dass die For­derung nach mehr Kon­trollen ein Ergebnis von Nicht-Ein­haltung der Corona-Schutz­maß­nahmen sei. Das ist sie nicht.

Nun ist ein hohes Maß an Zustimmung zu einer pro­vi­so­ri­schen Maß­nahme, die immerhin die Ein­schränkung von bür­ger­lichen Frei­heiten zum Gegen­stand hat, ein heikle Sache. Dennoch stimmen 71% zu. Warum?

Nun, sie werden dazu genudged.

Zunächst ist die Frage nach “Corona-Schutzmaß­nahmen” natürlich sug­gestiv. Hätte die For­schungs­gruppe Wahlen nicht Zustimmung pro­du­zieren, sondern wirklich erfragen wollen, wie die Akzeptanz von mehr Kon­trolle und höheren Strafen ver­teilt ist, sie hätte nach “Maß­nahmen”, nicht nach Schutzmaß­nahmen gefragt. Das Nomen “Schutz” führt alleine schon dazu, dass Befragte eher zustimmen. Wer ist schon gegen Schutz. Dass hier ein affir­mation bias vor­handen ist, also eine Frage, die Zustimmung gene­riert, zeigt sich schon daran, dass nur 51% der Befragten der Ansicht sind, SARS-CoV‑2 gefährde ihre Gesundheit. Wenn nur 51% der Befragten eine Gesund­heits­ge­fährdung durch SARS-CoV‑2 sehen, aber 71% angeblich mehr Kon­trolle über die Ein­haltung der Corona-Schutz­maß­nahmen fordern, dann stimmt etwas nicht.

Hinzu kommt, dass der Sti­mulus “Corona-Schutzmaß­nahmen”, der noch zwei Fragen zuvor “Corona-Maß­nahmen” hieß, nicht nur durch die Zugabe von “Schutz” Zustimmung gene­riert, er gene­riert sie auch vor dem Hin­ter­grund der Unge­wissheit darüber, welche Corona-Maß­nahmen aktuell gerade gelten.

Und dass Unge­wissheit darüber herrscht, wo gerade welche Ein­schrän­kungen vor­handen sind, darüber haben nicht nur die öffentlich-recht­lichen Sender aus­führlich berichtet:

 

Aber: Geht es um Pro­pa­ganda und Mani­pu­lation, dann tut man beim ZDF so, als wäre jeder Bürger ein wan­delndes Lexikon in Sachen Corona-Maß­nahmen. Sage mir den Ort und ich liste die Restrik­tionen auf. Dass dieser Phan­ta­sietyp von Bürger in der Rea­lität nicht zu finden ist, ist irrelevant, denn es soll ein bisserl mani­pu­liert werden:

Was kommt wohl dabei heraus, wenn man Befragte, die nicht genau wissen welche Maß­nahmen gegen Corona gerade in ihrem Bun­desland gelten, danach fragt, ob sie irgend welchen “Schutz­maß­nahmen” zustimmen? Natürlich stimmt die Mehrheit diesen Maß­nahmen, die viele zwar nicht in Gänze kennen, die aber Schutz ver­sprechen, zu. Nur hart­ge­sottene Coro­na­maß­nahmen-Rene­gaten bleiben hart und lehnen mehr Über­wa­chung und stärkere Strafe ab. Es wäre übrigens auch etwas ganz anderes her­aus­ge­kommen, wenn man nicht nach mehr “Kon­trolle”, sondern nach inten­si­verer Über­wa­chung gefragt hätte. Die For­mu­lierung macht oft das Ergebnis.

Deshalb ist es kein Zufall, dass die For­schungs­gruppe Wahlen fragt: “Was meinen Sie zu den aktuell gel­tenden Corona-Maß­nahmen”, wenn es darum geht, deren Ver­nünf­tigkeit zu bewerten, aber von “Ein­haltung der Corona-Schutzmaß­nahmen” spricht, wenn es darum geht, einen hohen Pro­zentsatz für mehr Über­wa­chung und härtere Bestrafung zu generieren.

Die vom ZDF ver­breitete Abbildung ist aus zwei­erlei Gründen Pro­pa­ganda: Zum einen sug­ge­riert die Abbildung eine Kau­sa­lität (erst Verstoß gegen Maß­nahmen, dann ver­mehrt Kon­trolle), die es nicht gibt. Zum anderen sind die Ergeb­nisse her­bei­ma­ni­pu­liert worden, durch eine sorg­fältige Variation des Befragungsstimulus.

Stellen Sie sich die Befragung in dieser Abfolge vor und wir sind sicher, Sie hätten auch zu den­je­nigen gehört, die dann, wenn plötzlich von Schutz­maß­nahmen die Rede ist, hell­hörig geworden wären und darauf reagiert hätten.


Quelle: sciencefiles.org