Friedhöfe für abge­triebene Kinder: Frauen fühlen sich gebrandmarkt

Trigger-Warnung: Im fol­genden Bericht geht es u.a. um frühe Schwan­ger­schafts­ab­brüche. Als 16-jährige erlebte ich 1976 einen solchen per­sönlich. Dazu bin ich vorher nicht auf­ge­klärt worden. Gerne hätte ich anschließend meine Tochter beerdigt, doch weil sie älter als die 9. Schwan­ger­schafts­woche war, wurde an ihr zu Gunsten der Stamm­zell­in­dustrie ohne meine Zustimmung geforscht, und anschließend wurde sie in einer Müll­ver­bren­nungs­anlage in Ober­ös­ter­reich entsorgt. 

(von Gunnhild Fenia Tegenthoff)

https://www.youtube.com/watch?v=XWjYH4VjJ‑g

https://www.youtube.com/watch?v=SDAmwUq7iUc&t=180s

https://www.youtube.com/watch?v=IeOFdU3WG2k

https://www.youtube.com/watch?v=yPq-hNemzEY&t=10s

Wenn die Ange­hö­rigen von sich aus auf eigene Kosten kein Begräbnis in Auftrag geben, werden Schwan­ger­schafts­ab­brüche inzwi­schen an zunehmend mehr Orten auf der ganzen Welt – so auch in Italien – einem Begräbnis zuge­führt, für das die Ange­hö­rigen kein Geld bezahlen müssen. Die Ange­hö­rigen haben eine geringe Mit­ge­stal­tungs­mög­lichkeit, sofern die Mütter nahe dem Todes­zeit­punkt ihres Kindes von sich aus aktiv werden. Das wird den abge­trie­benen Kindern gerecht, zeigt es doch, dass sie da waren, als Men­schen, und dass um sie getrauert wird.

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Per­sönlich kann ich keine Fremd­sprachen, aber ich habe mir die Film­bei­träge auf youtube.com ange­sehen und es wurde von „Ent­sorgung“ gesprochen. Eine Ent­sorgung geschieht über Kli­nikmüll (gerne auch, nachdem ihre Lei­bes­frucht in Teilen oder als Ganzes der For­schung oder Trans­plan­ta­ti­ons­me­dizin zuge­führt wurde). Offenbar auf einem teil­weise nicht mehr aktu­ellen For­mular sind die Mütter durch die Medizin infor­miert worden, dass sie für ihr zukünftig ver­stor­benes Kind ein Bestat­tungs­recht haben auf eigene Kosten, alter­nativ werde statt einem Begräbnis ihr Kind einem Ent­sor­gungs­un­ter­nehmen zur Über­führung zu einer Müll­ver­bren­nungs­anlage über­geben. Für die oben erwähnten Ange­hö­rigen kam dieses kos­ten­freies Bestat­tungs­an­gebot über­ra­schend, denn darüber sind sie nicht infor­miert worden. Zu diesem Zeit­punkt – da sie für oder gegen ein Begräbnis unter­schreiben – haben zahl­reiche Frauen im Kopf die Info, das der Abbruch einer Schwan­ger­schaft ver­gleichbar sei mit der Blinddarm-OP. Da mehr fehlt als nur einige Zellen, bemerken die Frauen es erst, wenn es fehlt, und wenn man es merkt, hat sich bereits etwas ver­ändert. Wer die Bilder genau betrachtet, sieht das Bedürfnis zahl­reicher Ange­hö­riger, das Grab ihres Kindes mit Spielzeug, Windrad, Blumen etc. zu schmücken. Es gibt sogar mit nie­deren Zäunen umrandete Gräber!

Rück­blick 31.1.2007: Nach einer Abtreibung ist in der Lom­bardei eine Beer­digung künftig Pflicht

In der nord­ita­lie­ni­schen Lom­bardei müssen abge­triebene Föten künftig beerdigt werden. Dies gelte auch für Abtrei­bungen bis zur 20. Schwan­ger­schafts­woche, heißt es in einem Beschluss des Regio­nal­rates.
“Es geht um die Würde des Fötus”, erklärte der Gou­verneur der Region, Roberto Formigone.
“Das ist eine Regelung, die bereits als revo­lu­tionär betrachtet wird”, kom­men­tiert die Mai­länder Zeitung “Cor­riere della Sera”. Ärzte melden aller­dings Bedenken an, berichtet das Blatt. Die Regelung würde die ohnehin häu­figen Schuld­ge­fühle von Frauen nach einer Abtreibung ver­stärken. Dagegen sagt For­migone: “Die Eltern haben die Mög­lichkeit, die Beer­digung zu regeln.” Wenn sie dies nicht tun, “dann kümmert sich das Kran­kenhaus darum und beerdigt den Fötus in einem Mas­sengrab”. Bisher würden Kran­ken­häuser abge­triebene Föten zumeist im Son­dermüll ent­sorgen, wird berichtet. In Italien ist eine Abtreibung bis Ende des dritten Schwan­ger­schafts­monats erlaubt, in beson­deren Fällen bis zum fünften Monat (20. Woche).

Zei­tungen melden im Herbst 2007: Es gab in der Lom­bardei zwei Zentren, die sich dem Thema „früher Schwan­ger­schafts­ab­bruch“ ver­schrieben hatten. Vier bzw. acht Monate nach der oben erwähnten Geset­zes­än­derung schlossen beide Abtrei­bungs­an­gebote für immer ihre Türen, weil For­schungs­ar­beiten als abge­schlossen galten.

Eine weitere Folge der oben erwähnten Geset­zes­än­derung war, dass sich in ganz Italien Angebote ent­wi­ckelt haben, die bereit waren, sich um abge­triebene Kinder und deren Begräbnis zu kümmern, wenn die Mutter sich selbst nicht um das Begräbnis ihres Kindes kümmern möchte. Lei­bes­früchte werden nicht mehr ent­sorgt, sondern in jedem Fall beerdigt, auch dann, wenn die Mutter selbst nicht für die Begräb­nis­kosten auf­zu­kommen hat. Daher waren Monate später die Frauen über­rascht, auf einem Friedhof ein Grab ihres abge­trie­benen Kindes zu finden – mit dem Namen der Mutter auf dem Kreuz.

Warum fühlten sich die Frauen gebrand­markt? Welche Fehler wurden gemacht? Was kann wie ver­bessert werden? Viel­leicht hilft bei der zukünf­tigen Gestaltung das Wiener Bei­spiel: Die Gruppe 35b wurde am 6.12.2000 mit röm. kath. Ritus durch Mag. Karl Wagner – Rektor der Fried­hofs­kirche am Wiener Zen­tral­friedhof geweiht, und zeit­gleich fand das erste Sam­mel­be­gräbnis von 38 Fehl­ge­burten statt. Zwi­schen dem 6.12.2000 und dem 31.12.2000 wurden die ersten 7 Tot­ge­burten in der Gruppe 35b unkre­miert beerdigt. Darüber berichtet jetzt die Ver­waltung der Wiener Friedhöfe sehr ungern und gibt statt­dessen lieber den Hinweis: Mit 1.1.2001 begann der Regel­be­trieb – Urnen­schacht für Fehl­ge­burten Gruppe 35b: Fehl­ge­burten werden in der Feu­er­halle Wien Sim­mering in einem großen Feu­ersarg gesammelt, welcher anschließend kre­miert wird. So lange keine Kre­mierung statt­ge­funden hat, können die Ange­hö­rigen auf eigene Kosten ein Begräbnis in Auftrag bei einem Bestatter ihrer Wahl gegeben haben. Die Daten der Mütter laut Kli­nikakte sind der Ver­waltung der Feu­er­halle Wien Sim­mering bekannt, werden aber nicht ver­öf­fent­licht. Fehl­ge­burten können einzeln kre­miert werden und die Asche kann in einer Urne zu Hause auf­be­wahrt werden. (Wei­ter­füh­rende Info: https://www.sternenkind.info/beerdigung-im-auftrag-der-mutter/schmuck-kinder-miniurne)

Das ‚Kreuz mit dem Kreuz‘ hatten wir bis 2008 auch in Wien bei Begräb­nissen auf Kosten der Gesell­schaft, z.B. bei Tot­ge­burten in der Gruppe 35b am Wiener Zen­tral­friedhof. Es ging nicht nur um das Kreuz vor dem Namen auf der Tafel, welche sich am Grab statt eines Grab­steines befindet, sondern es stand auch der Ver­dacht im Raum, dass in Ver­bindung mit jedem Kreuz die Stohl­gebühr (ca 80€ Begräb­nis­gebühr) an die röm. kath. Kirche vom Steu­ergeld abge­führt wird.

(Wei­ter­füh­rende Info https://www.sternenkind.info/armenbegraebnis-humaner-klinikmuell/oesterreich/grabinschrift-das-kreuz-am-wiener-armengrab/)

Gesetzlich geregelt: Für die Namens­gebung ist auch bei einem still gebo­renen Kind die Mutter zuständig. Daraus ergibt sich: In Wien steht bei Tot­ge­burten auf dem Holz­brett am Grab ent­weder ‚Kind‘, ‚Knabe‘ oder ‚Mädchen‘, und der Fami­li­enname der Mutter laut Kran­ken­blatt. Oder – wenn die Mutter von sich aus nahe zum Todes­zeit­punkt mit der Bestattung Wien Kontakt auf­ge­nommen hat und die Mutter gesagt hat, was auf der Tafel stehen soll – die Angaben der Mutter. Da die Angaben am Grab (-stein) nicht mit dem Daten am Stan­desamt über­ein­stimmen müssen, kann auch der Fami­li­enname des Vaters mit dem Fami­li­en­namen der Mutter erwähnt werden.

Das Kreuz hat zahl­reiche Eltern zutiefst gekränkt, vor allem, weil sie erst am offenen Grab vor oder während dem Begräbnis von dem röm. kath. Todes­symbol Kenntnis erhielten. Das, was ich mit eigenen Augen sah, habe ich doku­men­tiert und an den Verein „ZARA — Bera­tungs­stelle für Opfer und Zeu­gInnen von Ras­sismus“ im April 2008 gesendet und fol­gende Antwort erhalten: „Am 2. Sep­tember 2008 wurde nunmehr von der Bestattung Wien GmbH und der Friedhöfe Wien GmbH beschlossen, dass zukünftig bei Bestat­tungen nach § 19 WLBG Gedenk­tafeln ohne der Bei­fügung eines Kreuzes auf­ge­stellt werden. Die Daten der Ver­stor­benen werden auf diesen Tafeln wei­terhin fest­ge­halten sein. Es freut mich, dass gegen­ständ­liche Anfrage zum Anlass genommen wurde, die in den letzten Jahren gängige Praxis zu über­denken und in Zukunft eine andere Vor­gangs­weise zu wählen.“ Ende.

Aktuell habe ich den Verein Zara mit fol­gender Dis­kri­mi­nierung kon­fron­tiert: „Frühe Fehl­ge­burten werden in Wien aktuell noch nicht der Sammel-Kre­mierung von Fehl­ge­burten zuge­führt. Die Aus­nah­me­be­stimmung von der Toten­be­schau für Fehl­ge­burten unter einer Schei­tel­s­teiß­länge von 120 mm (§ 1 Abs. 5 Z 2 Wiener Leichen- und Bestat­tungs­gesetz — WLBG) ist seit 17.09.2004 in Geltung. Heißt das: Erst ab der 18. — 24. SSW werden in Wien Fehl­ge­burten einem Begräbnis zugeführt?“

Mal schauen, was die Zukunft bringt!

www.sternenkind.info