Rentner in Corona-Zeiten — gewogen und als zu leicht befunden

Aus der Reihe „Hand­langer, Laden­hüter und Weißwestler*innen“

Heute fragte mich ein qua­dra­tisch-prak­ti­scher Rentner des Stamm­tischs, wie es mir ginge. Wahr­heits­gemäß erwi­derte ich: „Wie es einem halt so geht, wenn man selbst­ständig ist in diesen Zeiten“, und erwähnte die bewaff­neten Corona-Hilfs­she­riffs, die in Baden-Würt­temberg patrouil­lieren sollen, um all jene zur Räson zu bringen, die sich weigern, das „Schnu­tentuch“, den „Schand­lappen“, den „Maulkorb“ zu tragen.

(von Maria Schneider)

Statt mein Ent­setzen zu teilen, stimmte der feiste Wirt­schafts­wun­der­rentner dieser Maß­nahme lebhaft zu. Schließlich hätte er in der Hyp­no­sebox eine junge Frau gesehen, die sich trotz Polizei geweigert hätte, das „Skla­ventuch“ zu tragen. Und auf die „müsse man scharf schießen!“ Jawohl!! Denn Men­schen wie diese junge Frau seien schuld daran, dass die DDR-Nost­al­gi­kerin Merkel nun wieder harte Maß­nahmen ver­hängen müsse.

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Auch im Altersheim, wo seine Frau läge, gäbe es 13 neue Infek­tionen. Und zwar nur wegen dieser ver­ach­tens­werten, jungen Mas­ken­ver­wei­gerin. Vor Empörung haut der gerechte Wam­pen­rentner gar mit der Faust auf den Tisch.

Der Ärmste! Stören doch genau solch junge Frauen seine TV-Hypnose und seinen unter­wür­figen Gehorsam. Schlimm, diese wider­bors­tigen Ver­wei­gerer, die ihn zur Reak­ti­vierung seiner rest­lichen drei Gehirn­zellen und even­tuell zur Bildung neuer Syn­apsen zwingen. Unan­genehm! Und tat­sächlich — bei genauerem Hin­sehen sehe ich, wie sein Hirn ange­sichts dieser unge­wöhn­lichen, intel­lek­tu­ellen Her­aus­for­derung zu qualmen beginnt.

Denn was ist schon dabei, wenn man als Rundum-Sorglos-Pen­sionär eine schöne Wohnung hat und jeden Tag auf dem ein­ge­tre­tenen Tram­pelpfad in seine Stamm­kneipe schlurfen und mit Kumpels die „wohl­ver­diente“ Rente ver­saufen kann?

Was ist schon dabei, wenn selbst­ständige, harte Geschäfts­frauen, wie meine Kol­legin, vor Ver­zweiflung am Telefon zu schluchzen beginnen?

Was ist schon dabei, dass mein Kollege mir schon vor Wochen erzählte, dass er nun Anti­de­pressiva nimmt?

Was ist schon dabei, wenn mich sogar ein ent­fernt bekannter Kollege aus Ein­samkeit anruft und schon an Selbstmord denkt?

„Ego­isten!“, ereifert sich der Rentner und plustert die roten Hams­ter­backen auf. Sein Kumpel fängt vor Ent­rüstung am ganzen Körper zu zittern an und Zor­nes­t­ränen schießen in seine trüben Augen.

Ich frage ihn dennoch, wie weit er sich noch den Ein­schrän­kungen ergeben wolle und ob er sich in die Men­schen hin­ein­ver­setzen könne, für die die Folgen des Haus­ar­rests viel schwer­wie­gender seien als die Krankheit selbst.

Ich erwähne die offenen Grenzen, die täg­lichen Morde und Ver­ge­wal­ti­gungen durch Migranten. Ich führe das Auf­geben aller Werte und Gesetze an, die noch vor 5 Jahren galten. Und schließlich frage ich die beiden selbst­ge­rechten Zwerge, warum ich nun plötzlich für eine Plan­demie nach fünf Jahren Wildem Westen wieder Regeln ein­halten soll.

Doch wieder obsiegen der Kada­ver­ge­horsam und die Wut auf all jene, die durch Regel­bruch das Gehirnkoma der pichelnden Wohl­stands­rentner stören. Tat­sächlich ereifern sie sich nun sogar in Stereo und sind kaum mehr zu beruhigen.

Ich habe mit Bedacht mitten im Gastraum laut gesprochen und die Reak­tionen der anderen, älteren Gäste beob­achtet. Alle hören zu und schweigen. Mehr noch – von den meisten weiß ich, dass der Schand­lappen mit Wonne getragen und Abweichler mit selbst­ge­fäl­liger Ver­achtung gestraft werden.

Ihre Rente landet pünktlich jeden Monat auf dem Konto. Sie hätten nichts zu ver­lieren. Als letzte, über­durch­schnittlich große, deutsche Kohorte könnten sie sich erheben und auf die Straße gehen. Doch ziehen sie es vor, ihre Rente zu „ver­fressen“, wie meine ehe­malige Bekannte so zutreffend und schamlos zugab, statt sich für ihre Freiheit oder die ihrer Kinder und Enkel einzusetzen.

Fast muss ich mich über­geben. Aber gelernt ist gelernt und meine harte Jugend der eisernen Dis­ziplin macht sich bezahlt. Ich ereifere mich nicht, lächle die Rentner freundlich an und sage: „Ich muss jetzt gehen.“ Dabei zeige ich mein Gesicht trotz Fein­desland. Denn eine Maske trage ich nicht.