Titelbild: Tanne: Freestockphoto, Montage: Niki Vogt

Von der ange­kün­digten „Novem­ber­hilfe“ noch immer kein Cent an Unter­nehmer ausgezahlt

Der erste Lockdown hat viele Betriebe in arge Bedrängnis gebracht. Das war der Bun­des­re­gierung voll­kommen klar, sie hat es dennoch gemacht und – welch glo­riose Idee! — die Mel­de­pflicht für Insol­venzen einfach aus­ge­setzt. Nicht, dass Öko­nomen nicht schon damals gewarnt haben. Auch davor, dass de facto insol­vente Unter­nehmen durch ihre Zah­lungs­un­fä­higkeit ihre Zulie­ferer mit in den Abgrund reißen. Das ist ähnlich, als würde man die Covid-19-Pan­demie dadurch aus­sitzen wollen, dass man jeden, der schon schwer krank fiebrig durch die Gegend röchelt, für gesund erklärt, damit die Sta­tis­tiken schön aus­sehen. Gestorben wird trotzdem. Immerhin wurde damals schnell und unbü­ro­kra­tisch über­wiesen. Jetzt, beim zweiten Lockdown funk­tio­niert auch das nicht mehr.

Es war gegen Ende Oktober, als die rechte Hand der Bun­des­kanz­lerin Frau Dr. Merkel, Peter Alt­maier, den ent­setzten Unter­nehmen gar tröst­liche Ver­hei­ßungen machte: Wir lassen in dieser ernsten Lage unsere Unter­nehmen und ihre Beschäf­tigen nicht allein, sondern erweitern nochmals unsere Hilfs­an­gebote für die betrof­fenen Selbst­stän­digen, Unter­nehmen und Einrichtungen.“

Hier bestellen!

Ein tröstend‘ Wort zur rechten Zeit, ver­breitet stille Duld­samkeit. Schöne Ver­spre­chungen hielten den wütenden Protest des Mit­tel­standes in Grenzen, es gibt ja Geld. Gott­seidank, wenn es auch weder reicht, noch wirklich die Firma rettet.

Nun ist bald der November vorbei und die gebeu­telten Betriebe haben immer noch keinen Cent von den ver­hei­ßenen fünfzehn Mil­li­arden Euro Novem­ber­hilfe gesehen. Ins­be­sondere Frei­zeit­ein­rich­tungen, Fit­ness­center, Tanz­schulen, Kinos, Theater, Come­dians, Schau­spieler, Theater und Opern samt ihrer Dar­steller, Bars, Hote­liers, Spaß­parks, Restau­rants, Bor­delle, Kon­zert­hallen, Gemein­de­zentren, Volks­hoch­schulen, Semi­nar­räume, Sport­vereine etc. etc. haben kaum oder keine Rück­lagen mehr. Schmerzhaft zähes Warten auf Godot – oder besser Alt­maier – ist angesagt.

Die neu­esten Nach­richten aus Berlin dürften die Laune der in Not gera­tenen Betriebe erst richtig in Fetzen reißen. Laut der „Welt“ müssen sich die von den Ein­schrän­kungen geschä­digten Unter­nehmen auf noch viel längere War­te­zeiten ein­stellen. Vor allem, wenn es um höhere Summen geht: Es könne sich „bis in den Januar hin­ein­ziehen“, dass die für den November ver­spro­chenen Gelder auch auf dem Konto sind. Es dauert eben, bis die Büro­kratie den „Schimmel Amts“ auf­ge­sattelt hat. Nur beim Aus­rufen von neuen Ein­schrän­kungen und beim Aus­setzen von ver­fas­sungs­mäßig garan­tierten Grund- und Bür­ger­rechten oder dem Durch­peit­schen von wahr­scheinlich ver­fas­sungs­wid­rigen Gesetzen, da geht der Gaul schon durch, bevor er den Sattel über­haupt gesehen hat.

„Und bei den Dezem­ber­hilfen“, warnt die Welt die Firmen schon einmal vor, „könnte es sogar noch länger dauern“. Das ist mal öko­no­mi­scher Top-Experten-Sach­ver­stand, lieber Leser. Die Korn­felder ver­trocknen lassen und dann mit dem Gieß­kännchen auf das ver­dorrte Stroh tröpfeln und fri­sches Brot fordern.

Die Welt schreibt vor­sichtig: „Die betrof­fenen Betriebe hatten sich das anders vor­ge­stellt. Allein für den Antrag mussten sie bis zum späten Mitt­woch­nach­mittag warten. Die Ungeduld war groß. Noch am Mittag hatte der Deutsche Hotel- und Gast­stät­ten­verband ent­täuscht fest­ge­stellt, dass eine ‚Antrag­stellung noch nicht möglich‘ sei. Sie war vom Wirt­schafts­mi­nis­terium schon vor Wochen für den 25. November in Aus­sicht gestellt worden.“

Die Seite Hamburg.de der Behörde für Wirt­schaft und Inno­vation war geradezu über­glücklich, dass es doch noch im November möglich wurde, das lang ange­kün­digte Geld zu bean­tragen. Der Titel verrät es: „Endlich möglich: Novem­ber­hilfe jetzt bean­tragen! Senat fordert vom Bund, die Abschlags­zah­lungen deutlich zu erhöhen“:

„26. November 2020 11:15 Uhr

Ab sofort kann unter www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de die soge­nannte Novem­ber­hilfe bean­tragt werden. Sie richtet sich an die Unter­nehmen, (Solo-) Selbst­stän­digen, Vereine und Ein­rich­tungen, die von den aktu­ellen Ein­schrän­kungen durch die Corona-Pan­demie besonders betroffen sind und im November schließen mussten, bezie­hungs­weise von den Schlie­ßungen erheblich betroffen sind. Nach den gest­rigen Bund-Länder-Beschlüssen wird die Novem­ber­hilfe zudem in den Dezember ver­längert – eine wichtige Wei­chen­stellung, die der Ham­burger Senat eben­falls früh­zeitig gefordert hatte.“

Man darf mehr als gespannt sein, ob die von Herrn Alt­maier „noch im November“ fest zuge­sagten Aus­zah­lungen tat­sächlich noch diesen Monat kommen. Nun sollen zumindest die ersten Abschlags­zah­lungen doch noch im November auf dem Konto ein­treffen. Bis zu 50 Prozent der von den Firmen bean­tragten Summe sollen es werden. Aber: nur bis maximal 10.000 Euro. „Für größere Betriebe ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Hotel- und Gast­stät­ten­ver­bandes (Dehoga) NRW.

10.000 € reichen wirklich nicht einmal für die Löhne eines Klein-Unter­nehmens mit nur 10 Ange­stellten, um deren drin­gendste Lebens­hal­tungs­kosten zu decken. Dazu kommt, dass das Unter­nehmen ein so genanntes „Elster-Zer­ti­fikat“ haben muss (damit kann man seine Steu­er­erklä­rungen, auch die Umsatz­steuer, online abwi­ckeln). Gerade sehr kleine Firmen haben das oft nicht. Die keins haben, müssen einen Steu­er­be­rater oder Wirt­schafts­prüfer beauftragen.

Mit anderen Worten: Die betrof­fenen Firmen müssen sich wahr­scheinlich damit abfinden, dass die mit Aplomb ange­kün­digte Novem­ber­hilfe und ihre „Aus­weitung“ nicht mehr vor Weih­nachten auf dem Konto erscheint. Und die „Hilfen im Dezember werden ganz wesentlich im Januar aus­ge­zahlt werden“, erwartet Otto Fricke, Chef­haus­hälter der FDP.

Bei den Solo-Selbst­stän­digen sieht es noch dra­ma­ti­scher aus. Der Verband der Gründer und Selbst­stän­digen Deutschland e.V. titelt weniger freundlich: „Solo-Selbst­ständige von ‚Neu­start­hilfe‘ ent­täuscht – Zu wenig, zu spät und falsch gedacht.“ Die beschlossene „Neu­start­hilfe“ will Solo-Selbst­ständige mit ein­malig 5.000 Euro unter­stützen, die aber für die ganzen sieben Monate von Dezember 2020 bis Juni 2021 reichen müssen. „Im Ver­hältnis zu dem finan­zi­ellen Schaden, der ihnen ja letztlich zum Schutz der All­ge­meinheit auf­ge­bürdet wird, sind 714 Euro pro Monat zu wenig.“

Weiter sagt Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbst­stän­digen Deutschland (VGSD) e.V.: „Seit Beginn der Krise sind zudem fast neun Monate ver­gangen. Über den Gesamt­zeitraum gerechnet erhalten die Betrof­fenen aus der Neu­start­hilfe also gerade einmal 313 Euro pro Monat, auf die dann auch Steuern und Bei­träge zu zahlen sind. Zugleich ist die Hilfe so aus­ge­staltet, dass sie andere Hilfen bis auf die Grund­si­cherung ausschließt.“

Hei, wird das ein schönes Weih­nachten für viele werden! Keinen Lohn auf dem Konto, kein Geld im Porte­monnaie, keine Geschenke, kein schönes, gemüt­liches Fami­li­en­weih­nachten mit Opa, Oma, Tante, Onkel, Neffen, Nichten, Cousins und Cou­sinen, kein Weih­nachtsbaum. Billige Tief­kühl­pizza als Weih­nachts-Fest­essen. Viel­leicht auch noch in der kalten Bude, wenn‘s nicht für das Heizöl gelangt hat. Kriegs­weih­nachten-Atmo­sphäre mitten im Frieden, dank der Corona-Politik von Bun­des­kanz­lerin Frau Dr. Angela Merkel.