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Ein­blick in den ille­galen Handel mit den ältesten Kunst­werken West­afrikas (+Video)

Der Handel mit ver­bo­tenen Antiken ist die dritt­größte illegale Ein­nah­me­quelle weltweit, neben Drogen und Waffen. Wer ver­stehen will, was diesen Mul­ti­mil­lionen-Dollar-Welt­handel antreibt, muss sich auf die Suche machen: in Abuja und Paris, in Frankfurt und New Haven. Doch die erste Station ist das Nok Valley. Ein längst über­fäl­liger Blick auf den Schmuggel von Nok-Ter­ra­kotten aus Nigeria. Die archäo­lo­gische Nok-Kultur in Zentral-Nigeria ist vor allem bekannt durch ihre ein­drucks­vollen Ter­ra­kotten. Ab etwa 1500 v. Chr. – zur gleichen Zeit, als das antike Grie­chenland blühte, sich die Kultur der Maya ent­wi­ckelte und die ägyp­ti­schen Pha­raonen ihr Reich rück­sichtslos aus­bauten – breitete sich in einem Tal in West­afrika eine hoch ent­wi­ckelte Gesell­schaft aus, die ein Gebiet von der Größe Por­tugals umfasste, dies ist die frü­heste bekannte Zivi­li­sation in West­afrika. Dies ist die traurige Geschichte des ille­galen Kunst­handels mit West­afrikas ältesten Kunst­werken. Käufer kommen aus Belgien, Frank­reich, Spanien, England und Deutschland.

Ein­blick in den ille­galen Handel mit den ältesten Kunst­werken Westafrikas

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Die Gier der Sammler zer­stört die Ver­gan­genheit ganzer Völker und fördert die orga­ni­sierte Kri­mi­na­lität weltweit. Illegale Netz­werke von Räubern und Hehlern schaffen das Kul­turgut ins Ausland: nach London, Brüssel oder München. Auk­ti­ons­häuser, Pri­vat­leute oder Inter­net­händler ver­kaufen die Ware mit gefälschten Pro­ve­ni­enzen weiter und pro­fi­tieren von den laxen Bestim­mungen in Deutschland, einer Dreh­scheibe des ille­galen Anti­ken­handels, so ein Bericht von Deutsch­land­funk­kultur, bereits 2016. Anders als im Drogen- und Waf­fen­ge­schäft sind sich End­kunden jedoch keines Unrechts bewusst. Im Mai  2020 gelang ein Schlag gegen den ille­galen Kunst­handel. Mehr als 100 Ver­haftete und rund 19.000 mut­maßlich gestohlene Kul­tur­güter: Das ist das erste Ergebnis einer Poli­zei­aktion auf meh­reren Kon­ti­nenten. Der Handel mit der Beute aus Raub­gra­bungen sei ein Mil­lio­nen­ge­schäft, so der DLF-Redakteur Stefan Kol­dehoff. Beteiligt waren Poli­zei­be­hörden unter anderem in Spanien, Italien, Kolumbien, Argen­tinien und Afgha­nistan. Zu den auf meh­reren Kon­ti­nenten sicher­ge­stellten Kul­tur­gütern zählen unter anderem Masken und Figu­rinen aus Gold, Münzen, archäo­lo­gische Objekte aus prä­ko­lum­bi­scher Zeit, his­to­rische Waffen, Reliefs und Mosaike, Gemälde und Metall­ar­beiten. Allein am Flug­hafen von Kabul wurden 971 Objekte sicher­ge­stellt, die bereits für den ille­galen Transport in die Türkei ver­packt worden waren.

Lutz Mükke  und Adie Vanessa Offiong berich­teten im Oktober 2020 von dem ille­galen Handel mit den ältesten Kunst­werken Westafrikas.

Draußen ist es Nacht geworden. Vor den Fenstern eines der groß­ar­tigsten Hotels in Abuja leuchtet der Pool tür­kisblau. Das Telefon klingelt. Es ist die Rezeption des Hotels, die einen Gast ankündigt.

Der Mann, der ins Zimmer kommt, Stunden zu spät für den geplanten Termin, heißt Umaru Potiskum. Er ist Kunst­händler. Er trägt ein dun­kel­blaues Dashiki wirkt sehr selbst­be­wusst, aber auch ein wenig miss­trauisch. Schließlich handelt es sich bei ihm um ein ille­gales Untergrundgeschäft.

„Hier habe ich viele Kunden getroffen“, sagt er – Käufer aus Belgien, Frank­reich, Spanien, England und Deutschland. Er zeigt uns, was er ver­kauft, und packt vor­sichtig zwei fili­grane Ter­ra­kotta-Statuen aus einem Stück Stoff aus.

Die Augen, die aus dem antiken Ton her­aus­schauen, sind drei­eckig, typisch für Nok-Figuren. Im Laufe der Jahr­zehnte ver­schwanden Tau­sende dieser Figuren aus Nigeria. Viele sind in einigen der renom­mier­testen Kunst­ga­lerien der Welt aus­ge­stellt, unter anderem im Louvre in Paris und in der Yale Uni­versity. Viele weitere werden jedoch nicht mehr aus­ge­stellt, da ihre Her­kunft zwei­felhaft ist.

Wer ver­stehen will, was diesen Mul­ti­mil­lionen-Dollar-Welt­handel antreibt, muss sich auf die Suche machen: in Abuja und Paris, in Frankfurt und New Haven. Doch die erste Station ist das Nok Valley.

Eine Wiege der Zivilisation

Ein­hun­dert­fünfzig Kilo­meter nord­östlich von Abuja windet sich eine rot­braune Busch­piste durch das üppige Grün des Nok Valley auf ein Dorf zu. Mango- und Pal­men­bäume und Hir­se­felder umgeben etwa drei Dutzend Häuser und Lehm­hütten. Kinder rennen einem Reifen hin­terher, während Frauen im Schatten eines Baumes plaudern.

1928 soll hier ein aus­län­di­scher Bergmann die erste antike Ter­ra­kotta-Figur ent­deckt haben: einen Affenkopf, 10 cm hoch. Bei wei­teren Aus­gra­bungen stießen die Archäo­logen auf die Über­reste einer alten Kultur, die sie, wie üblich, nach der Umgebung benannten: Nok.

Ab etwa 1500 v. Chr. – zur gleichen Zeit, als das antike Grie­chenland blühte, sich die Kultur der Maya ent­wi­ckelte und die ägyp­ti­schen Pha­raonen ihr Reich rück­sichtslos aus­bauten – breitete sich in diesem Tal eine hoch ent­wi­ckelte Gesell­schaft aus, die ein Gebiet von der Größe Por­tugals umfasste. Laut der Zeit­schrift Archaeology ist dies die frü­heste bekannte Zivi­li­sation in Westafrika.

Zwi­schen 900 und 300 v. Chr. ent­stand in Nok eine erstaun­liche Anzahl auf­fäl­liger Ton­fi­guren, dar­unter kunstvoll sti­li­sierte Men­schen, Tiere und Phan­ta­sie­wesen, die mit Orna­menten, Schmuck und Sym­bolen aus­ge­stattet waren. Viele schienen in Scherben begraben worden zu sein. Noch heute sind diese Figuren ein Rätsel: Warum wurden sie her­ge­stellt? Was hatten sie zu bedeuten? Warum schienen so viele absichtlich zer­brochen und dann begraben worden zu sein?

Tau­sende von Figuren sind aus­ge­graben worden. Heute wird es immer schwie­riger, noch mehr davon zu finden – was die Figuren umso wert­voller macht.

Der Bezirks­vor­steher von Nok, Häuptling Beno Adamu sagt, die im Nok Valley lebenden Men­schen hätten nichts von ihrem Erbe gehabt

Der durstige Händler

Im Hotel Abuja nimmt Potiskum noch einen Drink und beginnt, von Zahlen zu reden. Seine beiden Figuren – ein Män­nerkopf und eine größere Frau­en­statue – seien mehr als 2000 Jahre alt, behauptet er, und jede Labor­analyse werde das beweisen. Er ver­langt 2.000 Euro für den Kopf des Mannes und behauptet, dass dieser für das Zehn­fache dieses Betrags an Käufer in Übersee ver­kauft werden könne. Die weib­liche Figur kostet wesentlich mehr.

Diese Summen erscheinen den Bewohnern des Nok Valley, von denen einige beim Finden und Aus­graben der Ter­ra­kotten helfen, astro­no­misch. Sie erhalten höchstens 5 € pro Tag; viele ver­dienen nur 1 € pro Tag.

Aber so funk­tio­niert es, erklärt Nigerias Minister für Infor­mation und Kultur, Alhaji Lai Mohammed. Nige­ria­nische Zwi­schen­händler kaufen die Nok-Ter­ra­kotten an der Quelle für einen Hun­gerlohn und ver­kaufen sie dann für ein Ver­mögen weiter. „Wir haben noch nicht genug getan, um unser eigenes Volk auf­zu­halten und es davon zu über­zeugen, sein eigenes kul­tu­relles Erbe zu schützen“, sagt er.

Da es kaum andere Arbeits­mög­lich­keiten gibt, ist kann der Staat diesen Handel kaum kon­trol­lieren – sehr zum Ärger des Ministers. „Diese Werke bedeuten unsere Geschichte. Sie defi­nieren, wer wir sind. Die­je­nigen, die unser kul­tu­relles Erbe ins Ausland ver­kaufen, schaden Nigeria“, sagt er. Er steht auch dem inter­na­tio­nalen Kunst­markt kri­tisch gegenüber, der nicht in der Lage zu sein scheint, den ille­galen Handel mit Ter­ra­kotten aus Nok zu stoppen, sobald sie Nigeria ver­lassen haben.

Mohammed hat keinen leichten Job. Nigeria hat eine Bevöl­kerung von etwa 190 Mil­lionen Men­schen, die mehr als 500 Sprachen sprechen. Das Land ist ein fein gewebter Teppich von Reli­gionen, Ethnien und Kul­turen, von denen viele in Emi­raten und König­reichen ver­wurzelt sind, deren Tra­di­tionen Tau­sende von Jahren zurück­reichen. Seine Grenzen sind will­kürlich und wurden von bri­ti­schen Kolo­ni­al­herren fest­gelegt, deren Ver­ständnis der lokalen Dynamik bes­ten­falls begrenzt war. Kunst und Kultur sind ein Instrument, das die Regierung hat, um diese viel­fältige Nation zusam­men­zu­bringen. Es hilft also nicht, wenn wichtige kul­tu­relle Arte­fakte immer wieder in anderen Ländern landen.

Potiskum weiß ein paar Dinge über diese bri­ti­schen Kolo­nisten. Sein Vater war ein enger Kollege von Bernhard Fagg, einem eng­li­schen Archäo­logen, der von den 1940er bis in die 1960er Jahre in der Kolo­ni­al­ver­waltung in Nigeria tätig war. Er war dafür ver­ant­wortlich, der west­lichen aka­de­mi­schen Welt von der neu ent­deckten Nok-Kultur zu berichten und sie damit in Erstaunen zu ver­setzen. Zu dieser Zeit galt „Schwarz­afrika“ in der west­lichen Welt weithin als ein Land ohne Geschichte, ein „Herz der Fins­ternis“, das nur darauf wartete, zivi­li­siert zu werden. Dieser Mythos trug dazu bei, die brutale Unter­werfung des Kon­ti­nents durch die west­lichen Kolo­nisten zu rechtfertigen.

Archäo­logie-Pro­fessor Zachary Gundu, kri­ti­siert die Arbeit deut­scher For­scher bei einem Aus­gra­bungs­projekt in Nigeria

Schon die Existenz der Nok-Kultur stellte diesen ras­sis­ti­schen Mythos in Frage. Heute wird Fagg in aka­de­mi­schen Kreisen immer noch als der große Pionier der Nok-Studien oder sogar als der „Ent­decker“ der Nok-Kultur ange­sehen. Und im Nok Valley, im gleich­na­migen Dorf, steht noch immer das Haus, in dem Fagg einst lebte. Manchmal kommen sogar Tou­risten, um es sich anzu­sehen. Aber wenn sie schöne Dinge über Fagg hören wollen, sollten sie besser nicht Beno Adamu fragen, den Dorfobersten.

Das Haus von Adamu ist aus Stein gebaut und befindet sich am Eingang des Dorfes auf der linken Seite. Im Inneren des Hauses sitzt der 75-jährige Wür­den­träger in einem großen, weichen Sessel. Seine Erin­ne­rungen und sein Wissen unter­scheiden sich stark von den Ver­sionen in den Geschichts­bü­chern. Die Vor­stellung, dass die Nok-Ter­ra­kotten von Aus­ländern „ent­deckt“ wurden, weist er zurück.

„Wir, die Ham-Men­schen hier in Nok, blicken auf eine lange, lange Geschichte zurück und haben diese Ter­ra­kotten schon immer gekannt. Unsere Groß­väter haben uns von ihnen erzählt.“ Die Ham hatten sie in ihren Schreinen, Häusern und sogar draußen auf den Feldern als Vogel­scheuchen – lange bevor Fagg sie „ent­deckte“.

Adamu traf Fagg einige Male, als er noch ein kleiner Junge war. Er erinnert sich: „Fagg bat die Leute, ihm ihre Ter­ra­kotten ins Haus zu bringen. Was sie auch taten. Dann sagte er ihnen, dass die Stücke wertlos seien. Sie sahen ihre Ter­ra­kotten nie wieder. Sie waren bereits verpackt.“

Adamu spricht offen über das, was viele Men­schen im Dorf denken: „Wir sind warm­herzige Men­schen. Wir haben gerne Gäste. Aber unsere Schätze wurden uns weg­ge­nommen, und wir sehen sie nicht wieder. Heute sind sie in England, Deutschland und Frank­reich. Viele Men­schen kamen hierher, ego­is­tisch, und benutzten uns als billige Arbeits­kräfte. Dann ver­schwanden sie, und niemand unter­stützte uns in unserer Ent­wicklung. Nicht einmal unsere eigene Regierung. Wir haben nicht wirklich etwas von unserem großen Erbe gehabt“.

Das Haus, in dem der bri­tische Archäologe Bernhard Fagg im Dorf Nok wohnte

‚Keine Sorge, ich kenne da jemanden‘

Fast jede Nok-Ter­ra­kotta, die in den letzten 50 Jahren aus­ge­graben wurde, hat Nigeria für den inter­na­tio­nalen Kunst­markt ver­lassen. Bei Gesprächen mit lokalen Regie­rungs­be­amten im Kaduna State, wo sich das Nok Valley befindet, wird deutlich, dass es nur wenige Mög­lich­keiten gibt, sie im Land zu behalten.

Dem Gefäng­nis­leiter ist kein Häftling bekannt, der wegen ille­galen Grabens oder Schmuggels von Kul­tur­gütern inhaf­tiert wurde. Der Poli­zeichef sagt, seine Prio­ri­täten seien Ent­füh­rungen, Ban­di­tentum und Kon­flikte zwi­schen Vieh­hirten und Bauern. Er habe keine Zeit, sich über die Ter­ra­kotten Sorgen zu machen. Der Immi­gra­ti­onschef hat an Work­shops über das kul­tu­relle Erbe und dessen Schutz teil­ge­nommen, hat aber noch keine geschmug­gelten Arte­fakte beschlagnahmt.

Im Hotel­zimmer prahlt Potiskum: „Keine Sorge, der Export ist kein Problem. Wo immer ich liefern muss, liefere ich. Ich brauche nur die Adresse.“ Er kennt die Zoll­be­amten; Grenz­schutz­beamte in Lagos; eine inter­na­tionale Spe­di­ti­ons­firma, die ihm hilft. Den Export kann er sogar über andere west­afri­ka­nische Länder wie Togo, Benin und Ghana orga­ni­sieren. Dort hat er ein gut funk­tio­nie­rendes Netzwerk.

Und die Export­pa­piere? „Ich kann alles besorgen“, ver­spricht er. Dabei spielt es keine Rolle, dass er auch Mit­glied der Arte­facts Res­cuers Asso­ciation of Nigeria ist, einer Orga­ni­sation von Kunst­händlern, die vorgibt, das nige­ria­nische Kul­turerbe zu schützen.

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Potiskum sagt, es lohne sich nicht, über dem Gesetz zu stehen. Er sagt, er habe der Natio­nalen Kom­mission für Museen und Denk­mäler (NCMM) einmal 72 Nok-Ter­ra­kotten über­geben, aber nicht ein ein­ziges Naira dafür gesehen – trotz des Ver­spre­chens der Regierung, für gerettete Anti­qui­täten zu bezahlen. Er behauptet, die NCMM schulde ihm 65 Mil­lionen Naira (etwa 170.000 US-Dollar).

Der Kunst­händler wird ein wenig ent­spannter. Er spricht seine Refe­renzen an und erwähnt „meine Freunde Peter Breunig und Nicole Rupp„. Breunig und Rupp sind zwei deutsche Archäo­logie-Pro­fes­soren von der Frank­furter Goethe-Uni­ver­sität. Zwi­schen 2005 und 2020 lei­teten sie ein Gra­bungs­projekt in Nigeria, das von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) gefördert wurde. Doch bei den Aus­gra­bungen zur antiken Geschichte hat das Projekt neue Wunden geschlagen.

Die Deut­schen kommen

Es ist heiß in Abuja: 42°C, und die Kli­ma­an­lagen laufen auf Hoch­touren. Im zweiten Stock eines Büro­turms in Utako betritt Zachary Gundu den Bespre­chungsraum. Gundu ist Pro­fessor für Archäo­logie an der Ahmadu-Bello-Uni­ver­sität in Zaria. Er ist ein pro­mi­nenter Aka­de­miker; unter anderem war er im Rat des Archäo­lo­gi­schen Weltkongresses.

Jeder weiß, dass Archäo­logen in Nigeria dringend inter­na­tio­nales Enga­gement und aka­de­mische Zusam­men­arbeit benö­tigen, sagt er. Aber er ist über­haupt nicht glücklich darüber, wie das deutsche Team dabei vor­ge­gangen ist. Sie wollten nicht mit nige­ria­ni­schen For­schern an den Uni­ver­si­täten in Zaria und Jos arbeiten, sagte er. Letztlich müssten sie „gezwungen“ werden, zusammenzuarbeiten.

Erst im Jahr 2012 konnten sich lokale For­scher an dem deut­schen Projekt betei­ligen. Doch selbst dann, so Gundu, bekamen die nige­ria­ni­schen Pro­fes­soren „keine nen­nens­werte Arbeit“. Noch scho­ckie­render ist für Gundu, dass das deutsche Team offenbar gerne mit ille­galen Baggern und kri­mi­nellen Kunst­händlern zusammenarbeitete.

Mit seiner Kritik steht Gundu nicht allein

Im Jahr 2012 unter­zeich­neten 48 nige­ria­nische Archäo­logen von fünf Uni­ver­si­täten ein Dokument, in dem sie u.a. kri­ti­sierten, „wie das deutsche Team die ‚insti­tu­tio­nelle Schwäche‘ des NCMM aus­nutzte“, um nige­ria­nische Archäo­logen „vom Wis­sens­aus­tausch und der Teil­nahme am Projekt auszuschließen“.

Sie sprechen von den „unethi­schen Prak­tiken des deut­schen Teams“, „der Mani­pu­lation lokaler Gemein­schaften“, der Unter­stützung von Akti­vi­täten, die „zur ille­galen Aus­grabung archäo­lo­gi­scher Stätten führen“ und dem „unbe­auf­sich­tigten Export“ von Nok-Terrakotten.

Gundu sagt, west­liche Intel­lek­tuelle und inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen sollten gegen das, was er als „post­ko­lo­niale Unge­rech­tigkeit“ bezeichnet, zusammenarbeiten.

“ […] Afrika wird oft als Labor miss­braucht, in das euro­päische Wis­sen­schaftler einfach hin­ein­gehen, dort expe­ri­men­tieren und Daten sammeln, mit denen sie ihre Vor­stel­lungen über den Kon­tinent über­prüfen können“, sagt Gundu. Und dann werden diese Wis­sen­schaftler – Men­schen wie Breunig – als die glo­balen Afrika-Experten ange­sehen. „Er wird jetzt weltweit als der Nok-Experte ange­sehen“, sagt Gundu.

Über den archäo­lo­gi­schen Skandal wurde in den nige­ria­ni­schen Medien berichtet, die das Vor­gehen der Deut­schen als „Plün­derung“ und „Raub“ bezeich­neten. In Deutschland gab es aber kaum Bericht­erstattung. Statt­dessen wurde die Aus­stellung Nok: Ein Ursprung afri­ka­ni­scher Kultur„, die 2013–14 in der Lie­bieghaus-Skulp­tu­ren­sammlung in Frankfurt gezeigt wurde, statt­dessen aus­führlich besprochen. „Wie viele Nige­rianer konnten die Aus­stellung besuchen? Wäre es nicht anständig gewesen, eine so wichtige Aus­stellung zuerst in Nigeria zu zeigen?“, fragt Gundu.

Seine heftige Kritik an dem Frank­furter Projekt brachte Gundu in Schwie­rig­keiten. Er erhielt anonyme Dro­hungen. Hatte der Pro­fessor mächtige Gegner in der NCMM ver­ärgert? War er das Ziel des „Händ­ler­kar­tells“, wie er ver­mutet? Es gibt viele Ver­däch­ti­gungen und Gerüchte.

Doch für den deut­schen Pro­fessor Breunig wurde es noch gefähr­licher. Am Morgen des 22. Februar 2017 arbeitete er mit seinem deut­schen Team und etwa 80 lokalen Mit­ar­beitern an einer Aus­gra­bungs­stätte in der Nähe des Dorfes Janjala. Plötzlich tauchten einige Männer mit Kalasch­nikows auf. Sie ent­führten Breunig und einen wei­teren deut­schen Mann, Johannes Beh­ringer, und for­derten für ihre Frei­lassung ein Lösegeld von 60 Mil­lionen Naira. Sie wurden drei Tage später frei­ge­lassen. Die Polizei bestreitet, dass ein Lösegeld gezahlt wurde.

Das deutsche Team zog sich sofort aus dem Gebiet von Nok zurück. Ihre dortige For­schungs­station – kom­plett mit bunten Rund­häusern, einem großen Gene­rator und einem Fisch­teich – blieb ver­waist, bis sie im Januar 2020 an das NCMM über­geben wurde.

Aus­grabung einer schwie­rigen Geschichte

Breunig, 68 Jahre alt, sitzt in seinem großen, hellen Büro im Haupt­ge­bäude der Goethe-Uni­ver­sität. Der Pro­fessor hat einen her­vor­ra­genden Blick über die Frank­furter Skyline. Viele Dinge sind jetzt klarer.

Zwei­fellos hat er sich einen Platz in den modernen Geschichts­bü­chern der Nok-Zivi­li­sation gesi­chert. Seine For­schungen haben viel zu dem bei­getragen, was wir über die antike Gemein­schaft wissen. Seine wich­tigste Schluss­fol­gerung nach 15 Jahren For­schung war, dass es keinen Beweis für die Existenz eines spek­ta­ku­lären Nok-König­reichs gibt. Er fand keine Paläste als Beweis für ein solches Königreich.

Statt­dessen glaubt Breunig, die Nok lebten in „kleinen, mobilen Bau­ern­gruppen“. Er glaubt, die Ter­ra­kotten seien irgendwie mit Gräbern ver­wandt, obwohl keine Knochen gefunden wurden. Viel­leicht hatte die Säure in der Erde alles zersetzt.

Breunig ist seinem nige­ria­ni­schen Kol­legen Gundu „teil­weise dankbar“ für seine scharfe Kritik. Ohne sie wären die Uni­ver­si­täten in Jos und Zaria über­haupt nicht beteiligt gewesen. Der NCCM war zu Beginn des Pro­jekts gegen jede Zusam­men­arbeit mit lokalen Uni­ver­si­täten – wahr­scheinlich, weil er eigene Leute für das Projekt ein­setzen wollte, spe­ku­liert Breunig.

Aber er reagiert ver­ärgert auf die Anschul­di­gungen, die die nige­ria­nische Presse gegen ihn erhebt. „Reine Lügen! Plün­de­rungen finden in großem Umfang statt, aber niemals durch uns“, sagt er. Jeder Fund wurde sorg­fältig doku­men­tiert und wie ver­einbart nach Abschluss der Recherchen in Deutschland nach Nigeria zurück­ge­schickt. Ins­gesamt wurden in seinem Projekt 100 große Ter­ra­kotten und 3.000 kleinere Frag­mente aus­ge­graben, die später alle an das Natio­nal­museum in Kaduna geschickt wurden.

Breunig weiß genau, wer Potiskum ist. Tat­sächlich ist er dem Kunst­händler „sehr dankbar“ und sagt, das Team hätte ohne seine Unter­stützung viel weniger Arte­fakte gefunden. Aber er sagt [auch], Potiskum sei nicht lange bei dem Projekt geblieben, weil er im Anti­qui­tä­ten­handel weitaus lukra­tivere Mög­lich­keiten gefunden habe.

Klar ist, dass der Grat zwi­schen Archäologe und Plün­derer schmal ist und dass die beiden Berufe in gewisser Weise von­ein­ander abhängen. Beide schauen sich an, was der jeweils andere aus­gräbt, und wer das Rennen um die Aus­grabung eines wert­vollen Arte­fakts gewinnt, bestimmt sein Schicksal.

Einige enden in den gut bewachten Ver­stecken von Sammlern, andere in kleinen Expo­naten in Kaduna. Und dann gibt es die Figuren, die in den meist­be­suchten Museen der Welt landen.

Die „Satzung“ der Schmuggler

Es ist ein sechs­stün­diger Flug von Abuja nach Paris, um das Louvre-Museum zu besuchen. Zehn Mil­lionen Men­schen besuchen jedes Jahr den Louvre. Hier, im Pavillon des Ses­sions, werden zwei Nok-Ter­ra­kotten aus­ge­stellt. Sie sind ebenso beein­dru­ckend wie skandalös.

Laut Traf­fi­cking Culture, einem inter­na­tio­nalen Kon­sortium, das illegal erworbene Kunst ana­ly­siert, erwarben fran­zö­sische Beamte die Werke 1998 von einem bel­gi­schen Händler für moderate 2,5 Mil­lionen Francs (heute etwa 450 000 Dollar). Unmit­telbar danach for­derte die nige­ria­nische Mili­tär­re­gierung ihre Rückgabe und behauptete, sie seien illegal aus dem Land gebracht worden.

Der damalige fran­zö­sische Prä­sident Jacques Chirac wollte nichts davon wissen. Er sah sich selbst als großen Lieb­haber afri­ka­ni­scher Kunst und war dabei, in Paris ein modernes eth­no­gra­fi­sches Museum zu gründen, das seinen eigenen Namen tragen sollte: das Musée du quai Branly – Jacques Chirac (aus eben diesem Museum ent­fernte der kon­go­le­sische Aktivist Emery Diya­banza Anfang des Jahres tscha­dische Begräb­nis­fi­guren aus dem 19. Jahr­hundert und erklärte dabei, er sei „gekommen, das gestohlene Eigentum Afrikas zurück­zu­fordern, Eigentum, das unter dem Kolo­nia­lismus gestohlen wurde“).

Chirac soll 1999 per­sönlich mit dem damals neu gewählten nige­ria­ni­schen Prä­si­denten Olu­segun Oba­sanjo gesprochen haben, wobei sie eine Ver­ein­barung getroffen haben sollen. Frank­reich würde Nigeria als recht­mä­ßigen Besitzer der Nok-Skulp­turen aner­kennen. Im Gegenzug würde Nigeria die Ter­ra­kotten für 25 Jahre an Frank­reich aus­leihen, mit der Option auf Verlängerung.

Folarin Shyllon, Jura­pro­fessor an der Uni­ver­sität von Ibadan, nannte die Ver­träge eine „völlig unfaire Schmuggler-Satzung“. Er sagt, die Fran­zosen, als sie die Ter­ra­kotten kauften, hätten gewusst haben müssen, dass es sich um geraubte Anti­qui­täten han­delte. Dass sie sie dennoch kauften, sei Aus­druck des „beharr­lichen Chau­vi­nismus“ Frank­reichs, schrieb Shyllon in der Zeit­schrift „Art, Anti­quity and Law“; und Frank­reich zu erlauben, sie zu behalten, zeige Nigerias „völ­ligen Mangel an Natio­nal­stolz“. Das Abkommen sei „uner­klärlich“ und gewähre effektiv einen Frei­brief für die Plün­derung nige­ria­ni­scher Kulturschätze.

Heute liegen die Dinge in Frank­reich ein wenig anders, zumindest ober­flächlich betrachtet. Im Jahr 2018 ver­öf­fent­lichte die Regierung von Prä­sident Emmanuel Macron den „Bericht über die Rückgabe des afri­ka­ni­schen Kul­tur­erbes„: Toward a New Rela­tional Ethic“ ver­öf­fent­licht, in dem argu­men­tiert wird, dass unrecht­mäßig erwor­benes Kul­turgut an seine recht­mä­ßigen Eigen­tümer zurück­ge­geben werden sollte. Der Markt reagierte schnell: In jenem Jahr ver­kauften die Auk­ti­ons­häuser in der Kate­gorie „Markt der Stam­mes­kunst“ 40% weniger als im Jahr zuvor.

Es ist aber immer noch möglich, Nok-Ter­ra­kotten in Paris zu erwerben. Tat­sächlich ist es einfach

Seit mehr als hundert Jahren ist der Pariser Stadtteil Saint-Germain-des-Prés eine globale Dreh­scheibe für den Handel mit antiker afri­ka­ni­scher Kunst. In der ersten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts bestaunte die euro­päische Avant­garde die „pri­mitive Neger- und Stam­mes­kunst“, wie sie damals genannt wurde. Der Künstler Picasso lebte hier und erwarb seine eigene Sammlung afri­ka­ni­scher Skulp­turen. Heute gibt es weltweit Aus­stel­lungen, in denen seine Gemälde neben afri­ka­ni­schen Masken und Figuren gezeigt werden. Die Ähn­lich­keiten sind kein Zufall.

Die „Tribal Art“-Galerien in den Ban­lieus machen wei­terhin gute Geschäfte. In einem Schau­fenster ruht auf einem Sockel mit Spot­be­leuchtung ein Frau­enkopf aus Ton. Es handelt sich unver­kennbar um eine Nok-Ter­ra­kotta. Der Galerist bietet die Figur für 13.000 € an.

Der Preis, so sagt er, sei „sehr attraktiv“. Nein, er verfüge nicht über alle not­wen­digen Unter­lagen, um genau nach­zu­weisen, woher sie stammt, obwohl es ein Echt­heits­zer­ti­fikat gebe, aus dem her­vorgehe, dass sie 2.500 Jahre alt sei, zusammen mit den Ergeb­nissen einer Thermolumineszenz-Analyse.

Der Galerist hatte die Nok-Ter­ra­kotta in West­afrika gekauft, aber nicht in Nigeria – das Land sei „viel zu gefährlich“. Statt­dessen erwähnte er Togo und Benin. Die Ter­ra­kotten würden in den kom­menden Jahr­zehnten nur noch wert­voller werden, sagt er, wenn die Geschichte von Nok einem brei­teren Publikum bekannter werde.

Vier von sechs nach dem Zufalls­prinzip besuchten Africana-Galerien in Saint-Germain-des-Prés ver­kaufen Nok-Ter­ra­kotten unter­schied­licher Größe und Qua­lität. Einige werden ohne Export­zer­ti­fikate oder Her­kunfts­nachweis und ohne wis­sen­schaft­liche Ana­lysen zur Datierung der Ter­ra­kotten ver­kauft. Die Preise liegen zwi­schen 4.000 € und 20.000 €. Und wenn Sie nicht nach Paris kommen können, können Sie sie auch online kaufen (auf der Website der Galerie Barakat wurde einmal eine Nok-Skulptur für 225.000 € verkauft).

Die Yale-Con­nection

Eine der weltweit größten Samm­lungen von Nok-Ter­ra­kotten findet sich noch weiter ent­fernt von Nigeria, in New Haven, einer kleinen Stadt an der Ost­küste der Ver­ei­nigten Staaten. Sie ist die Heimat der Yale Uni­versity, der die Sammlung gehört, von der einige in der Uni­versity Art Gallery in der Chapel Street aus­ge­stellt sind.

Aber wie sind sie dorthin gekommen? Selbst die Geschichte dieser spe­zi­ellen Nok-Ter­ra­kotten ist umstritten und innerhalb der Uni­ver­sität Gegen­stand erheb­licher Kon­tro­versen. Große Namen und reiche Spender sind daran beteiligt, und die Uni­ver­sität ist sehr auf ihr Image bedacht. Die Kunst­ga­lerie der Uni­ver­sität reagiert äußerst nervös auf einen Besuch und Fragen von Jour­na­listen zum Thema Nok.

Laut dem New Haven Register, einer der ältesten Tages­zei­tungen der Ver­ei­nigten Staaten, stammen die Nok-Ter­ra­kotten aus der Kunst­sammlung eines Mannes namens Bayard Rustin. Rustin war eine Ikone der Bür­ger­rechts­be­wegung, zusammen mit Leuten wie Martin Luther King, aber er ver­brachte in den 1950er und 1960er Jahren auch viel Zeit in Nigeria. Dort erwarb er die Ter­ra­kotten, behauptet die Zeitung.

Dies ist durchaus möglich. Rustin war ein Freund von Nnamdi Azikiwe, Nigerias erstem Prä­si­denten, den er vor der Unab­hän­gigkeit Nigerias in den Ver­ei­nigten Staaten kennen gelernt hatte. Azikwe ver­mit­telte ihm nige­ria­nische Kontakte.

Nach Rustins Tod gelangten die Nok-Ter­ra­kotten in den Besitz des Unter­nehmers Joel Grae und seiner Frau Susanna, die die Sammlung 2010 der Yale Art Gallery stif­teten. Grae war u. a. durch Inves­ti­tionen in die Atom­in­dustrie reich geworden.

Einige Mit­ar­beiter der Galerie in Yale sind von dieser netten Erklärung nicht über­zeugt. Sie sagen, ihre Nok-Ter­ra­kotten stammten aus ver­schie­denen Samm­lungen mit unter­schied­lichen Hin­ter­gründen. Min­destens drei Dutzend von ihnen werden von der Galerie als „Alter­tümer und archäo­lo­gi­sches Material mit lücken­hafter Doku­men­tation der Her­kunft“ aufgeführt.

Es könnte sogar sein, dass einige der Nok-Figuren recht jung sind, wobei ihr Alter in Jahr­zehnten und nicht in Jahr­tau­senden gemessen wird, da sie mit einem ver­ur­teilten Fäl­scher in Ver­bindung stehen: einem Händler aus New York mit sene­ga­le­si­schem Hintergrund.

Ein Mit­ar­beiter der Galerie sagt, die Nok-Sammlung der Uni­ver­sität könne die Stu­denten viel über „Raub, Fäl­schung und Kor­ruption“ lehren. Im Jahr 2020 stellte die Galerie einen Her­kunfts­for­scher ein, um einige dieser Rätsel auf­zu­klären, aber dieser Mensch hat noch viel Arbeit vor sich, um die wahre Her­kunft der Objekte herauszufinden.

Das Internet erleichtert das Auf­spüren der Her­kunft von Kul­tur­gütern ein wenig. Gleich­zeitig kann es aber auch ein Fluch sein, sagt Sophie Del­e­pierre. Sie arbeitet für den Inter­na­tio­nalen Muse­umsrat mit Sitz in Paris, der eine Dach­or­ga­ni­sation für mehr als 47.000 Museen ist. Sie ist Bel­gierin und leitet die Abteilung für den Schutz des Kul­tur­erbes und den Aufbau von Kapazitäten.

Auf der einen Seite bringen Online-Daten­banken mehr Trans­parenz. Auf der anderen Seite sind die Online-Platt­formen „ein neuer Alb­traum“. Niemand kann einen voll­stän­digen Über­blick über diese „super­schnellen Geschäfte weltweit“ geben. Deshalb müssten Online-Märkte wie Ebay für das, was sie handeln, ver­ant­wortlich sein – genau wie bei Elfenbein.

Vom Markt zum Museum: Nok-Ter­ra­kotta-Köpfe an der Yale-Universität.

Im Jahr 2000 ver­öf­fent­lichte ihre Abteilung zum ersten Mal die „Rote Liste„, in der Kunst und Arte­fakte auf­ge­führt sind, bei denen der Handel ein­ge­schränkt oder illegal ist. Die Liste ent­stand in Zusam­men­arbeit mit der Unesco, der Welt­zoll­or­ga­ni­sation und Interpol. „Die Liste zeigt nicht ein­zelne gestohlene Stücke, sondern Objekte, die für einen ganzen pro­ble­ma­ti­schen Kontext stehen, zum Bei­spiel die Nok-Ter­ra­kotta“, sagt Delepierre.

Die Existenz der Roten Liste bedeutet, dass sich Händler, Sammler und Museen nicht auf Unwis­senheit berufen können: Sie wissen, dass alle Nok-Ter­ra­kotten Export­zer­ti­fikate und Geneh­mi­gungen ihres Her­kunfts­landes benö­tigen. Sie können also nicht über­rascht sein, wenn sie später auf­ge­fordert werden, den Gegen­stand zurückzugeben […].

„Die Rote Liste hängt überall auf der Welt wie eine rote Fahne in Flug­häfen, Poli­zei­sta­tionen und beim Zoll“, sagt Del­e­pierre. Doch der illegale Kunst­markt reagiert sehr fle­xibel auf Verbote, mit neuen Han­dels­wegen, cle­veren Trans­port­me­thoden und raf­fi­nierten gefälschten Doku­menten. „Wir sollten nicht naiv sein“, sagt Del­e­pierre. Wir leben in einer markt­wirt­schaftlich orga­ni­sierten Welt, und Museen sind auch eine Industrie“, so Delepierre.

Hat ihr Arbeit­geber, der Inter­na­tionale Muse­umsrat, jemals ein Mit­glied wegen unethi­schen Ver­haltens raus­ge­worfen? „Nicht, soweit ich weiß“, sagt sie.

Im Hotel Abuja ver­ab­schiedet sich der Kunst­händler Potiskum. Er gibt ein letztes Ver­sprechen ab und sagt uns, dass er in Zukunft noch mehr als nur antike Nok-Ter­ra­kotten erwerben kann: jahr­hun­der­tealte Ajami-Schriften, jahr­tau­sen­dealte Calabar-Kera­miken. Alles Mög­liche. Kein Problem, sagt er – und ver­schwindet in die Nacht.

Die Unter­su­chung wurde von der Deut­schen Jour­na­lis­ten­stiftung Fleiß und Mut und ihrem Mer­cator-Kar­to­gra­phen­pro­gramm unterstützt.

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Netzfrau Ursula Rissmann-Telle


Quelle: netzfrauen.org