Euro­parat rügt deutsche Spit­zen­po­li­tiker: Undurch­sichtige Lob­by­ge­schäfte und Korruption?

Die Sprache ist gepflegt, der Inhalt ist knallhart. Der Euro­parat hat – zum wie­der­holten Mal – kri­ti­siert, dass Deutschland viel zu wenig tut, um Kor­ruption in den höchsten Poli­ti­ker­riegen zu bekämpfen und den Lob­by­ismus trans­pa­renter zu machen. Mit anderen Worten, in den Reihen unserer Regierung und wei­terer Spit­zen­po­li­tiker ist die Vor­teils­nahme und das Kungeln mit den großen Kon­zernen gang und gäbe.

Zuletzt hatte der Euro­parat im August 2019 eine deut­liche Rüge in Richtung des deut­schen Bun­des­tages aus­ge­sprochen: Er setze „die Emp­feh­lungen zu Prä­vention von Abge­ord­ne­ten­be­stechung“ einfach nicht um und das sei „all­gemein unbe­frie­digend“. Da es aber nur Emp­feh­lungen eines Euro­pa­rates sind, der ja kein Organ der EU ist, sondern ein Gremium einer Staa­ten­gruppe von 50 Ländern, die sich unab­hängig von der EU gegen Kor­ruption enga­gieren, werden diese Emp­feh­lungen ganz offen­sichtlich schlicht igno­riert und das fol­genlos. Es geht einfach weiter wie bisher. Obwohl Deutschland natürlich eben­falls Mit­glied in diesem Anti-Kor­rup­ti­onsrat ist.

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Man kungelt mit den Lob­by­isten, die Gefäl­lig­keiten, Infor­ma­tionen und Ein­fluss­nahme für die Ziele und Anliegen ihrer Groß­kon­zerne brauchen und auch bekommen. Im Gegenzug ist dann nach der poli­ti­schen Laufbahn der lukrative Posten im Konzern gesi­chert. Die berühmte Drehtür eben. Auf dieser Position kann der­jenige dann den Inter­essen des neuen Arbeit­gebers dienen, indem er sein poli­ti­sches Netzwerk nutzt und seine Amigos dort für die Belange des Kon­zerns akti­viert. Die machen das dann auch größ­ten­teils gerne mit, weil ihnen das eben­falls den Weg in eine üppig bezahlte Top-Position in der Wirt­schaft ebnet. Das ist bekannt und der letzte, pro­mi­nente Fall dieser Art kam mit dem EU-Kom­missar Günther Oet­tinger in die Presse. Und das sind nur die sicht­baren Aus­wir­kungen, die Spitze des Eis­bergs. Was es unterhalb der Was­ser­linie an „Vor­teils­nahme“ alles gibt, sind die anderen fünf Sechstel.

Es ist genau diese Lobby-Mau­schelei, die das Exper­ten­gremium des Euro­pa­rates kri­ti­siert. Obwohl es immer wieder Vor­stöße und Appelle von ver­schie­denen Orga­ni­sa­tionen zu diesem „Klüngel“ in der Grauzone zwi­schen Wirt­schaft und Politik, Zusam­men­arbeit und Vor­teils­nahme, Inter­es­sen­ver­tretung und unkor­rekter Ein­fluss­nahme gibt, wird das in Berlin tapfer weg-ignoriert.

Mit Erfolg. Wer will dagegen auch vor­gehen und wie? Natürlich muss die Politik mit der Wirt­schaft reden. Aber WAS da geredet und ver­einbart wird, da kann von außen niemand hineinblicken.

Der Euro­parat fordert … nein, er emp­fiehlt … nun zu X‑ten Male, dass die Spit­zen­po­li­tiker offen­legen sollen, mit wem sie über welche Themen in welcher Weise gesprochen haben. Was ein Witz. Da einigt man sich eben über irgendein unver­fäng­liches Thema, über das man drei Sätze nebenbei redet und for­mu­liert das hübsch in einem schönen Bericht, trifft eine gemeinsame Sprach­re­gelung unter der Hand dazu und fertig. Nur der doofe, kleine Bürger wird bestraft, wenn er in Coro­na­zeiten beim Restau­rant­besuch in die Gäs­te­liste „Pippi Lang­strumpf“ statt seines Namens einträgt.

Überdies soll es nach der Emp­fehlung der Experten des Euro­pa­rates für Bun­des­mi­nister und Staats­se­kretäre klare Regeln geben, nach denen Kon­flikte zwi­schen den pri­vaten Inter­essen der Poli­tiker und den Erfor­der­nissen ihres Amtes offen­gelegt werden sollen. Echt jetzt? Das ist doch offen­kundig naiv. Das wird niemand machen. Da gibt es ja auch aus Sicht der infrage kom­menden Poli­tiker gar keinen Kon­flikt. Die pri­vaten Inter­essen ergänzen sich aus deren Warte geradezu ideal mit ihrer Amtsführung.

Ein wenig anders könnte es mit der Emp­fehlung der Experten bezüglich der Aus­kunft über die finan­zi­ellen Betei­li­gungen der Poli­tiker in Unter­nehmen sein. Offi­zielle Betei­li­gungen, im Han­dels­re­gister oder anderen Insti­tu­tionen gemeldet, sind nach­weisbar. Da tut man wahr­scheinlich gut daran, diese offen­zu­legen. Ins­be­sondere dann, wenn man davon aus­gehen kann, dass da nach­ge­forscht wird. Da nützt dann leugnen oder igno­rieren nicht mehr viel.

Das ist nämlich, wie der Euro­parat rügt, eine beliebte Taktik, wenn es unan­genehm werden könnte. Tarnen, Täu­schen, Leugnen und einfach jede Aus­kunft ver­weigern gehört zum Arsenal der Abwehr läs­tiger Nach­fragen der Öffent­lichkeit. Der gesetzlich vor­ge­sehene Zugang der Öffent­lichkeit, z.B. der Presse und Bür­ger­or­ga­ni­sa­tionen ist zwar auf dem Papier gegeben, in der Praxis aber ein stei­niger Weg. Ent­spre­chende Anträge, so die Euro­parat-Experten, werden gerne einfach abge­lehnt —  unter Angabe von 1001 Gründen. Im Zwei­felsfall werden die zuläs­sigen Ableh­nungs­gründe auch sehr frei inter­pre­tiert, deutet das Gremium an. Überdies könne so eine Anfrage auch durchaus 500 Euro kosten, was für viele Bür­ger­or­ga­ni­sa­tionen und Medien kaum jedes Mal zu leisten ist. Damit kann man die gesetz­lichen Vor­schriften der Offen­legung gegenüber der Öffent­lichkeit elegant aushebeln.

Betrachtet man die Mög­lich­keiten des Euro­pa­rates, ihren „Emp­feh­lungen“ auch Nach­druck zu ver­leihen sowie den Erfolg ihrer bis­he­rigen Appelle an die deutsche Regierung, kann man getrost davon aus­gehen, dass auch diese Rüge im Winde verweht wird.