Ein Viertel der Allein­ste­henden ist ärmer als arm

Die neu­esten Zahlen sind aus 2019. Sie sind alar­mierend genug, aber 2019 war die Welt zumindest noch teil­weise in Ordnung. Aber schon der Früh­jahrs- und der Herbst-Lockdown haben in der Gesell­schaft ihre Brems­spuren hin­ter­lassen. Eine gefährdete Gruppe ist gleich doppelt und dreifach Opfer: Die älteren Allein­le­benden. Nicht nur, dass sie von der Covid-19-Infektion bedroht sind, sie leiden auch see­lisch am meisten unter der Iso­lation. Und dazu kommt noch, dass die­je­nigen, die ihre viel zu magere Rente durch Gele­gen­heitsjobs auf­bessern konnten, dazu keine Mög­lichkeit mehr haben. Sie können kaum über­leben. 

Die Tendenz zum Allein­leben steigt. 17,6 Prozent der Deut­schen leben allein. Und sie haben es schwer. Ohne Partner ver­ein­samen viele, und es folgt meist ein sozialer Abstieg. Hin­aus­gehen und Leute treffen erfordert Initiative und Geld. Das fehlt vielen. Im Jahr 2006 waren es schon knapp über ein Fünftel der Allein­ste­henden, die an der Armuts­schwelle oder dar­unter her­um­knapsten. Jeder Fünfte musste um sein Dasein kämpfen. Im Jahr 2019 war es schon mehr als jeder Vierte: Die Zahl der Armen unter den Allein­ste­henden ist auf 26,5% gewachsen: In Anbe­tracht dessen, dass die Zahl der Ein­per­so­nen­haus­halte sowieso deutlich wächst, ist ein so mas­siver pro­zen­tualer Anstieg innerhalb dieser Gruppe doppelt traurig.

Was bedeutet Armut? Als armuts­ge­fährdet gilt nach der Defi­nition in der Euro­päi­schen Union, wer mit weniger als 60 Prozent des mitt­leren Net­to­ein­kommens der Gesamt­be­völ­kerung im jewei­ligen Natio­nal­staat aus­kommen muss. In Deutschland gilt laut Sta­tista eine allein­ste­hende Person mit einem Net­to­ein­kommen von 781 Euro oder weniger als arm.

Ganz besonders trifft das allein­ste­hende Rentner im Alter von über 65 Jahren. Deren Anteil unter den armen Ein­samen ist von 15% auf 24% gestiegen. Der pari­tä­tische Wohl­fahrts­verband stellt nüchtern fest, dass die Armuts­quote in Deutschland einen his­to­ri­schen Wert von 15,9% der Bevöl­kerung erreicht hat. Das ist die höchste Armuts­quote seit der Wie­der­ver­ei­nigung. In Zahlen sind das 13 Mil­lionen Men­schen in Deutschland.

Die Medien schreiben unisono, durch die Pan­demie habe sich die Lage der Allein­le­benden weiter ver­schärft und damit ist das Thema abgehakt. Ein bisschen Zahlen, ein bisschen Empörung und eine linke Sozi­al­po­li­ti­kerin, Sabine Zim­mermann, wird freundlich erwähnt, denn diese hatte die Daten abge­fragt. Das scheint auch die Einzige zu sein, die sich tat­sächlich für die Mit­men­schen inter­es­siert, die in dieser depri­mie­renden Lage sind. Sie fordert ein umfas­sendes Konzept. Sie fordert die Anhebung des Min­dest­lohnes auf 12 €/Stunde und die Zurück­drängung pre­kärer Beschäftigungen.

So lobenswert ihr Vorstoß ist, so wenig wird er bringen. Wir werden vor Ostern nicht aus der Pan­demie her­aus­kommen. Bis dahin ist ent­weder ein Wunder pas­siert oder sehr viele kleine Selb­ständige und Mit­tel­ständler werden eben­falls hart gegen die Armuts­grenze prallen, die nur in eine Richtung durch­lässig ist: Nach unten.

Und genau diese sind es, die so viele kleine Jobs für die älteren Allein­ste­henden geschaffen haben. Hier ein paar Stunden Aus­hilfe, da ein 450-Euro-Job. Hilfe bei der Gar­ten­arbeit, kleine Repa­ra­turen im Haus, putzen, waschen, bügeln, die Straße kehren, im Winter Schnee schippen, die alte Mutter im Haus ein bisschen unter­halten und mit ihr spa­zieren gehen. Oder bei der Inventur des kleinen Ladens helfen, mal ein paar Stunden das Geschäft über­nehmen, Flug­blätter ver­teilen. So bes­serten viele ihre Rente auf und wurden zum Fak­totum in den Haus­halten des Mit­tel­standes, der nun selbst vom Absturz bedroht ist. Diesen „Arbeit­gebern“ mehr Stun­denlohn oder gar Dau­er­an­stel­lungen abzu­fordern ist witzlos. Auch von diesen hoch-“prekären“ Jobs, die manchen vor dem Hungern bewahrt haben, werden sehr viele einfach wegfallen.

Selbst die Fla­schen­sammler finden kaum noch etwas. Die Abfall­eimer in den Bahn­höfen und Fuß­gän­ger­zonen sind so leer, wie die Ein­kaufs­straßen und die Geschäfte. Es gibt keine Jobs mehr. Man trifft sich nicht einmal mehr an den gewohnten Stellen. Die Ein­samkeit in der kleinen, schlecht geheizten Wohnung legt sich auf die Seele. Es wird ein stilles Sterben unter diesen Ver­ges­senen, Ein­samen geben. Die Zahlen des Armuts­be­richtes 2021 werden deprimierend.