Kann denn Klicken Sünde sein? Staats­an­walt­schaften wollen Straf­barkeit von „Likes“ und Smileys

Es geistert täglich eine Flut von Posts durch die Sozialen Medien. Von Kat­zen­bildchen bis zum Video-Aufruf zum Poli­zis­tenmord ist alles dabei. Ob nun Daumen nach oben oder Herzchen oder ein Augen­zwinkern-Smiley ver­geben werden – bisher war das kein Thema für die Staats­an­walt­schaft. Auch dann nicht, wenn es solche „Likes“ für soge­nannte Hetze gab. Das könnte sich jetzt ändern.

Wer also bei Posts zu irgend­welchen Atten­taten, bei ras­sis­ti­schen Sprüchen oder gar Auf­rufen, bestimmte Leute, poli­tische Gegner, Poli­zisten, Zuwan­derer etc. zu ver­prügeln, ein „Like“ für die Übel­täter vergibt, könnte sich bald mit Straf­be­fehlen kon­fron­tiert sehen.

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Fragt sich nur, aus welchen Para­graphen des Straf­ge­setz­buches sich das ergibt und inwieweit die Mei­nungs­freiheit denn doch noch eine Bar­riere bildet. Denn wenn der Liker eigentlich selbst zu nichts aufruft, wird es kom­pli­ziert, ihm Volks­ver­hetzung anzu­hängen. Mei­nungs­freiheit gilt auch bei Zor­nes­äu­ße­rungen oder schlechtem Benehmen. Doch wo ist die Grenze?

Ein Prä­ze­denzfall für die Behörden ist ein Post in der Face­book­gruppe „Klartext – ver­netztes Vaterland“ nach den Anschlägen von Hanau. Dort kom­men­tierte ein User „Solange sich die … gegen­seitig abschlachten, ist alles o.k.“ und dahinter ein zwin­kerndes Smiley. Dieser Kom­mentar gefiel offen­sichtlich 13 wei­teren Usern, denn sie ver­sahen den Kom­mentar mit Daumen-hoch.

Nun wird seit einiger Zeit der Para­graph der „Volks­ver­hetzung“ sehr aus­giebig ein­ge­setzt, meistens gegen „rechts“ und alles, was dar­unter sub­sum­miert wird. Bei Gewalt­auf­rufen von links sieht man das durchaus lockerer. Da muss schon Mas­sives gepostet werden, bevor da ein­ge­schritten wird.

Ob aber nun schon ein „Like“ strafbar sein kann? Ein „Gefällt mir“ ist kein Aufruf, keine Mittäterschaft.

Erinnert sich noch jemand an den Beitrag in einer Asta-Zeitung der Göt­tinger Uni „Buback – Ein Nachruf“, in dem jemand mit Deck­namen „Mes­calero“ seiner „klamm­heim­lichen Freude“ über die Ermordung Bubacks durch die RAF Aus­druck verlieh? Das wurde damals von links­extremen Kreisen bis hinein in die demo­kra­tische Linke durchaus gebilligt, wurde aber all­gemein als ver­werflich gegeißelt.

Der Staat nahm zwar Ermitt­lungen auf, doch das führte nur dazu, dass in der ganzen Bun­des­re­publik Soli­da­ri­täts­ak­tionen ent­standen, die für die Mei­nungs­freiheit eine Lanze brachen. Mit der Anmerkung der Initia­toren, dass man sich in keinster Weise den Inhalt dieses Mes­calero-Bei­trages zu eigen mache, ver­teilten die Akti­visten mas­senhaft besagten Buback-Nachruf, um der Mei­nungs­freiheit eine Gasse zu schlagen. Die Straf­ver­fahren endeten mit Frei­sprüchen oder mini­malen Geld­strafen. Der Mit­her­aus­geber des Ori­gi­nal­ar­tikels, der Hoch­schul­lehrer Peter Brückner, war zwar vom Dienst sus­pen­diert worden, das wurde aber wieder aufgehoben.

Dieser Mes­calero-Beitrag war deutlich mehr als ein „Like“. In der Gesell­schaft wurde das als geschmacklos, unwürdig und ver­dam­menswert gegeißelt. Mei­nungs­freiheit deckt aber auch grob Geschmack­loses. Dass der Ver­fasser, ein Deutsch­lehrer namens Klaus Hül­brock, sich damit mei­lenweit im Ton ver­griffen hatte, war klar. Er hat es auch nachher bedauert.

Heute wird nicht mehr um die Mei­nungs­freiheit öffentlich gerungen. Eine offene Debatte gibt es nicht mehr wirklich. Die Ermittler in Sachen Straf­barkeit von „Likes“ suchen nun nach recht­lichen Mög­lich­keiten, diese straf­rechtlich zu ahnden.

So soll der Satz: „Solange sich die … gegen­seitig abschlachten, ist alles o.k.“ mit Zwinker-Smiley nach §140 StGB „Belohnung und Bil­ligung von Straf­taten“ strafbar sein. Diese Fassung, die, man höre und staune, am 01.01.2021 in Kraft getreten ist (haben Sie davon über­haupt etwas mit­be­kommen?), findet hier Anwendung.

§ 140

Belohnung und Bil­ligung von Straftaten

Wer eine der in § 138 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alter­native in § 126 Abs. 1 genannten rechts­wid­rigen Taten oder eine rechts­widrige Tat nach § 176 Abs. 3, nach den §§ 176a und 176b, nach § 177 Absatz 4 bis 8 oder nach § 178, nachdem sie begangen oder in straf­barer Weise ver­sucht worden ist,

  1. belohnt oder
  2. in einer Weise, die geeignet ist, den öffent­lichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Ver­sammlung oder durch Ver­breiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt,
    wird mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft.

Damit ist jede Äußerung, die man so werten könnte, auch schon hoch­ge­fährlich. Wenn XY irgendeine Straftat begeht, und man postet auch nur „Ich kann ver­stehen, warum XY das gemacht  hat“, ist man schon selber strafbar?

Vorbei die Zeit, wo demo­kra­tisch zwi­schen mün­digen Bürgern über Mei­nungs­freiheit und deren Grenzen dis­ku­tiert werden konnte. Wir bemerken nicht einmal, dass – schwupps – einfach Gesetze geändert und umge­schrieben werden, vom Infek­ti­ons­schutz­gesetz, das aus­drücklich die Unver­letz­lichkeit der Wohnung und der kör­per­lichen Unver­sehrtheit (ein Men­schen­recht!) ein­schränken kann – bis hin zu diesem neuen §140 StGB.

Der besagte Satz auf Facebook hat schon ein Akten­zeichen bei der Justiz: 6132 Js 215444/20. Es ist der erste Fall dieser Art in Deutschland. Für den Beschul­digten, 63 Jahre alt und aus Hofheim am Taunus gilt Absatz 2 des §140 StGB: „… in einer Weise, die geeignet ist, den öffent­lichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Ver­sammlung oder durch Ver­breiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) billigt, wird mit Frei­heits­strafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe bestraft.“

Es ist der erste, aber nicht der einzige Fall, wo ein Like zum Straf­tat­be­stand wird: In Hessen liegen schon 36 Straf­taten dieser Art vor, sagt Ober­staats­anwalt Ben­jamin Krause. Bisher geht es haupt­sächlich um die Posts rund um den Anschlag in Hanau.

Bis heute galt: Strafbar ist nur der, der ganz klar selbst zur Gewalt ansta­chelt. Jetzt reicht es schon, nur ein augen­zwin­kerndes Smiley zu posten, um sich mora­lisch hinter den Täter zu stellen und nach §140 StGB selbst zum Täter zu machen.