Sogar in Köln fiel Karneval aus. Das will was heißen. Selbst im Bombenkrieg und nachher in den Trümmern feierten die Kölner unerschütterlich Fastelovend. Irgendwas fand sich schon als Verkleidung. Covid-19 schaffte es, Köln den Karneval zu verbieten. Damit es nicht ganz in Vergessenheit gerät, dass man auch mal fröhlich und ausgelassen sein durfte, kramte der WDR seine alten Karnevalssitzungs-Konserven aus der Mediathek. Witz und fröhliches Schunkeln, was soll da schon passieren? Huiii! Eine Menge! Die WDR-Talkshow „die letzte Instanz“ zelebrierte eine wunderschöne Aufführung politischer Korrektheit. Jeder der ausschließlich weißen Medienstars durfte ausgiebig seine Empörung und seine Betroffenheit vor den Kameras ausbreiten.
Anlass war die Karnevalssendung „Jet zo fiere! Das Beste aus der Verleihung des Ordens ‚Wider den tierischen Ernst‘. Diese Sendung enthielt eine Nummer, bei der schwarz geschminkte Darsteller auftraten. Sie mimten die afrikanische Leibgarde oder Dienerschaft der als Pharaonin kostümierten Désirée Nick, die als Büttenrednerin auftrat. OH-MEIN-GOOOOOTT! Blackfacing!
Der Ausschnitt stammt aus 2010. Interessant, wie innerhalb von 10 Jahren etwas, das 2010 als harmlos und lustig angesehen wurde — weil es ja gegen niemanden herabsetzend oder beleidigend gemeint war und die Szene als solche auch keine Herabwürdigung von Schwarzen darstellte – heute schon ein rassistischer Skandal ist. Niemand wollte hier irgendetwas Negatives über Afrikaner sagen, es passte einfach als Staffage zu der Rolle der Büttenrednerin. Sie hätte auch als Mann im Mond mit zwei Aliens auftreten können. Aber die Gesinnungspolizei schläft nicht, und wo man irgendwie Rassismus hineingeheimnissen kann, wird die Gelegenheit sofort ergriffen, um sich selbst als Moral- und Tugendwächter zu inszenieren. Nicht ohne Grund heißt der Autor des entsprechenden Spiegelartikels dazu Christian Buß.
Das, was der Begriff „Rassismus“ implizit voraussetzt, ist ja die bewusste Abwertung eines einzelnen Menschen wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit oder ganzer ethnischer Gruppen. Aber ab wann ist ein Begriff „abwertend“ gemeint?
In Großbritannien zum Beispiel wird gern als abfälliges Wort gegen Deutsche das „Kraut“ benutzt, das den Bedeutungsinhalt „bäurische, ungehobelte Sauerkrautfresser“ innehat. Migranten aus dem arabischen Raum beschimpfen Deutsche als Sch***kartoffeln. In Frankreich benutzen arabischstämmige Franzosen für die autochtonen Franzosen gern „Kreidefresse“ als Anspielung auf ihre hellen Gesichter. Das ist abwertend gemeint – ist es auch Rassismus? Und wenn ja, warum regt sich da niemand auf?
Zu der Szene mit der Pharaonin fiel in der Diskussion der Begriff „Blackfacing“, der dafür benutzt wird, wenn Weiße sich auf Schwarz schminken. Dabei ist, wie wir sehen, vollkommen egal, aus welchen Gründen und ob das irgendwie negativ gemeint ist. Es ist per se böse und rassistisch. Woher dieser Begriff stammt, wissen die meisten gar nicht.
Ursprünglich kommt das von den „Minstrel-Shows“ oder „Blackface Minstrelsy“, eine Art wildwest-amerikanisches Komödienstadel für‘s Volk, meist die Arbeiter in den Städten zwischen 1840 und 1870. Die weißen Darsteller kleideten und schminkten sich dafür als schwarze Sklaven. Die Shows waren beliebt und boten auch sehr gute musikalische Einlagen. Sie zeigten in einfach gestrickter, eher etwas derber Form den weißen Städtern, „die oft keine Schwarzen aus ihrem Alltag kannten, zahlreiche Stereotype von Schwarzen. Sie werden als ständig fröhliche, singende und naive Sklaven dargestellt, die ihre Besitzer trotz harter Arbeit lieben. Dabei wird eine romantisierende Vorstellung vom Alltag der Sklaven auf den Plantagen inszeniert. (…) Nach dem Tod von Thomas Rice wurden ab 1860 von den fahrenden Minstrels auch Schwarze für die Show engagiert. Einige Jazz- und Bluesmusiker wie Jelly Roll Morton, Fats Waller, W. C. Handy, Ma Rainey sowie Bessie Smith finanzierten den Anfang ihrer Karriere durch Auftritte in Minstrel Shows.“
Das Wort „Minstrel“ stammt aus dem Mittelalter. Das waren altprovenzalische und altfranzösische Spielleute, Varietékünstler, Jongleure und Musikanten, die meist durchs Land tourten, oft als Rahmenprogramm für bekannte Troubadoure. Damals wurden sie — je nach Region Ménétriers oder Ménestrels genannt. Die Wortbedeutung hieß eigentlich „kleiner Diener“, denn sie standen gesellschaftlich im selben Rang wie Hauspersonal. Ursprünglich waren sie auch meist am Hofe irgendeines Fürsten als Unterhaltungsprogramm und Auflockerung von Gastmählern angestellt. Sehr oft waren es Leute aus aller Welt, deren Kunststücke, Musik, Schauspiel und Jongleursfertigkeiten auf den Höfen gefragt waren.
Eine mittelalterliche Darstellung europäischer und islamischer „Ménestrels“ des 13. Jahrhunderts aus der Handschrift „Cantigas de Santa Maria“ (Gesänge Sankt Mariens), gemeinfrei.
Nun wird also heftig diskutiert, ob der WDR ein Rassismusproblem hat und die besagte Büttenrede den Tatbestand des „Blackfacings“ erfüllt und damit selbstredend rassistisch ist.
Dazu ein wunderbares Fundstück aus dem Kommentarstrang:
„Wenn die TV-Sender wie jetzt der WDR ihre Archive auf Szenen mit Black- Brown- und Yellowfacing durchforsten, um sie zu löschen, haben sie viel zu tun. Bis vor zehn Jahren waren solche Szenen Gang und Gäbe. Kaya Yanar spielt den Inder Ranjid bis heute. Muss die Szene ‚Wolle Rose kaufe?‘ mit Bastian Pastewka nun aus dem ‚Wixxer‘ rausgeschnitten werden? Was ist mit den Opernszenen? All die vielen Tenöre, die mit Blackfacing Othello darstellten, oder die Callas mit Yellowfacing die Japanerin Madame Butterfly. Dass müsste doch alles aus den Archiven getilgt werden. Was ist mit Pierre Brice als Winnetou? War das noch Sonnenbank oder schon Brownfacing? Bekommt Winnetou jetzt ein Sendeverbot? All die vielen alten Western dürften auch nicht mehr gesendet werden, weil Weiße mit Brownfacing Indianer darstellen. Rock Hudson, Burt Lancaster und sogar Elvis Presley haben Indianer gespielt. Und es gab natürlich auch Yellowfacing in Hollywood. John Wayne hatte als Mongole und Marlon Brando als Chinese verdächtig schmale Augen. Man kann gerne auch mal nach Bildern von Alec Guiness und Anthony Quinn in dem Oscarfilm ‚Lawrence von Arabien‘ googeln. Das nenn ich dann Brownfacing. Kommt der Film demnächst auch auf den Index? Wenn Yul Brynner in die ‚Zehn Gebote‘ einen ägyptischen Pharao spielt, ist das dann rassistisch? Und wie ist es in Sachen Rassismus umgekehrt, wenn ein Ägypter einen russischen Arzt spielt? Kann ich demnächst ‚Doktor Schiwago‘ mit Omar Sharif auch nicht mehr sehen?“
„Vergessen Sie die Simpsons nicht. Yellowfacing vom Feinsten … direkt verbieten!“
„Basketball darf auch nicht mehr gezeigt werden, solange nicht in jedem Team ein Kleinwüchsiger mitspielt.“
Wunderbar. Besser kann man den inquisitorischen Wahnsinn gar nicht vor Augen führen.
Es ist aber schon die nächste Stufe im WDR erreicht: Man wirft sich selbst vor, nicht sorgfältig genug in der Selbstzensur gewesen zu sein. Man müsse einfach die Inhalte der Mediathek besser überprüfen und kontrollieren. Wie konnte sowas nur passieren!?! Wieder ein wunderbares Beispiel für „Sozialistische Selbstkritik“.
Sehr schön auch in dem Spiegel-Artikel der Satz:
„Das Material stammt aus einer Karnevalssitzung aus dem Jahr 2010, wo möglicherweise das Bewusstsein darüber, dass die Technik des Blackfacing einen rassistischen Ursprung hat, hierzulande noch nicht so ausgeprägt war (…) und das eben auch im Hinblick darauf, dass sich gesellschaftliche Vereinbarungen wie die zum Thema Rassismus verschoben haben.“
So? Es gibt also „gesellschaftliche Vereinbarungen“? Wer denn eigentlich mit wem? Ich kenne – einschließlich meiner Wenigkeit – niemanden, der dazu gehört worden ist und eine Stimme in diesen „Vereinbarungen“ hatte. Wir normalen Bürger wurden eigentlich immer nur von oben belehrt und gemaßregelt von denen, die oberlehrerhaft das allgemeingültige „Narrativ“ festlegen: Die Einheitspartei-Politiker und die linksgrünen Medienschaffenden. Diese kleine Kaste der Elite hat das für uns Zig-Millionen andere einfach so festgelegt und straft jeden ab, der sich nicht an ihre Regeln hält. Das ist dieselbe Masche, die manche Eltern oder Lehrer gern gegenüber Kindern anwenden: „Wir haben uns doch darauf geeinigt, dass es kein Spielen gibt, bevor die Hausaufgaben nicht gemacht sind“. Nein, haben wir nicht! Das hast DU einfach kommandiert.
Das einzig Amüsante an der ganzen Sache ist, dass die PC-Hypermoralspirale sich so eng zugeschraubt hat, dass sich die Tugendwächter in ihrem Inquisitionseifer schon gegenseitig an den Kragen gehen. Der WDR gelobt, nach alter sozialistischer Tradition, umfassend Besserung und will eine Mediathek-Säuberung feinster stalinistischer Prägung durchführen. Wahrscheinlich hat derjenige, der die Ausstrahlung der inkriminierten Karnevals-Konserve zu verantworten hat, jetzt richtig Spaß.
Am Ende möchte ich noch einen Kommentar anführen, dem ich nur zustimmen kann:
„Leider wird durch Artikel wie diesem der Debatte über Rassismus sehr geschadet. Es wird leider bewirkt, dass viele von dem Thema nur noch genervt sind oder gar als lächerlich ansehen, was für Forderungen hier gestellt werden. Dies wiederum führt dazu, dass Probleme mit echtem Rassismus gar nicht mehr wahrgenommen und diskutiert werden. Schade.“
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