Empö­rungs­theater in Absur­distan – 1. FC Köln knickt vor „Fan­pro­testen“ ein – Neuer Medi­enchef muss wegen uraltem Tweet gehen

Es war ein recht harm­loser Tweet des ehe­ma­ligen BILD-Jour­na­listen Fritz Esser. Er sollte der neue Medi­enchef des 1. FC Kölns werden, aber der Tweet aus 2017 bricht ihm nun das Genick. Er hatte den Tweet eines AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten zustimmend kom­men­tiert. Voll­kommen egal, dass auch ein AfD-Mann berech­tigte Kritik am Bun­destag üben kann, man darf unter keinen Umständen einem Unter­men­schen von der AfD zustimmen, selbst wenn er sich gegen Atom­bomben äußern würde. Jetzt muss Fritz Esser das Feld räumen.

Auf den Schwie­gersohn der FC-Spieler- und Trainer-Legende Hannes Löhr (er war zwan­zig­facher Natio­nal­spieler und gewann 1978 die deutsche Meis­ter­schaft und 1968, 1977, 1978 den DFB-Pokal) wurde sofort eine mediale Treibjagd eröffnet.

https://twitter.com/Fritz_Esser/status/922758400261394432

Besonders ver­werflich: Als BILD-Jour­nalist hatte Esser eine Kritik zu dem Ver­sprechen der Bun­des­re­gierung ver­öf­fent­licht, Zuwan­derer mit Ein­rei­se­verbot wieder des Landes zu verweisen:

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Noch einmal klar­ge­stellt: Die Bun­des­re­gierung hatte damals ver­sprochen, eine „große Kraft­an­strengung“ zu unter­nehmen, solche Migranten, die wegen Straf­taten, ille­galer Ein­reise oder Asyl­be­trugs o.ä. bereits abge­schoben und mit Ein­rei­se­verbot belegt worden waren, sofort wieder abzu­schieben, wenn sie dennoch trotz Ein­rei­se­verbot wieder nach Deutschland kommen. Das war ein Ver­sprechen unserer Regierung und so machen es alle Regie­rungen dieser Welt. Das Ver­sprechen wurde gebrochen, Fritz Esser kri­ti­sierte das – und ist deshalb „nicht mit den Werten des Clubs vereinbar“.

Die Inqui­sition schläft nicht und öffnet die Akten: „Was haben wir denn gegen den?“, sagte schon Konrad Ade­nauer, wenn er jemanden aus dem Weg räumen wollte – und das ist hier geglückt. Alles, was sich im Kölner Raum als vor­bildlich poli­tisch korrekt und wichtig empfand, vom Fuß­ball­spieler bis zur B- und C‑Prominenz, beteilige sich an der Empörung. Erfolg­reich: Fritz Esser ist geschasst. Viele Jäger sind des Hasen Tod.

Nicht nur das, der FC Köln muss nun auch noch um Ent­schul­digung bitten, dass man über­haupt Herrn Esser in Betracht ziehen konnte, wo er doch etwas so Grau­en­haftes und Fürch­ter­liches getan hatte. Prä­sident Werner Wolf (64) und Geschäfts­führer Alex­ander Wehrle (45) sagten am 3. Februar in einer Stel­lung­nahme, in der sie (fast) alle PC-Glau­bens­be­kennt­nis­be­griffe abspulten:

Toleranz, Fairness, Offenheit und Respekt sind als zen­trale Werte in der Charta des FC fest­ge­schrieben. Sie sind das Leitbild für den gesamten Verein und damit auch für uns Ver­ant­wort­liche und unsere Mit­ar­beiter. Beim Aus­wahl­prozess sind Fehler gemacht worden. Seit der Ver­öf­fent­li­chung haben uns Vor­würfe erreicht, die wir vorher hätten prüfen müssen. Daraus werden wir Kon­se­quenzen ziehen.“ 

Also, da fehlt aber noch was, Herr Wolf und Herr Wehrle. Was ist mit Anti­ras­sismus, Diversity und Kli­ma­neu­tra­lität? Wollen Sie sich etwa dem Ver­dacht aus­setzen, diesen Werten nicht zugetan zu sein? Wo bleibt denn da der Auf­schrei der Fans?

Statt­dessen ein kläg­liches „Mimimi“, man habe ja gar nicht geahnt, was für einen AfD-Werwolf man sich da ein­ge­handelt habe. Bei Tages­licht sah er wie ein ganz nor­maler Mensch aus, dem man seine inneren Abgründe gar nicht ansah:

Die FC-Bosse sagten weiter: ‚Wir bitten alle Mit­glieder und Fans um Ent­schul­digung. Wir haben Herrn Esser als integren Men­schen mit demo­kra­ti­schem Wer­te­gerüst ken­nen­ge­lernt. Dennoch haben wir uns nach inten­sivem Aus­tausch ent­schieden, auf die Zusam­men­arbeit zu ver­zichten.‘“ 

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Tja, viel­leicht war gerade das der Fehler, dass Her Esser ein demo­kra­ti­sches Wer­te­gerüst hat und meinte, er könne seine Meinung selbst dann sagen, wenn ein Abge­ord­neter des AfD der gleichen Meinung ist. Also, sowas wie Mei­nungs­freiheit, freie Rede und so …

Und das Aller­letzte: Herr Esser wehrt sich auch noch. Unglaublich. Sein Tweet zeugt davon, dass er über­haupt nicht ver­steht, dass jetzt hier sozia­lis­tische Selbst­kritik und Selbst­be­zich­tigung und tiefe Reue angesagt ist. Aber nein, er twittert:

https://twitter.com/Fritz_Esser/status/1357009876011143172

Nun, man kann beim FC zwar auf­atmen, der Mann räumt frei­willig seinen Posten, bevor er ihn über­haupt ange­treten hat. Was wahr­scheinlich auch das Beste für ihn ist, wenn er nicht restlos zer­rissen werden will. Damit ist aber die Säu­be­rungs­aktion im FC noch nicht abge­schlossen. Das Böse ist min­destens so anste­ckend wie Corona und jeder Abweichler vom Pfad der fle­cken­losen PC-Tugend muss aus­ge­merzt werden, auch wenn er nur mit­telbar schuldig ist.

Wer war es denn, der jetzt schuld ist, dass Herr Esser über­haupt seinen Teu­felshuf in den Tempel der Toleranz, Fairness, Offenheit und des Respekts setzen konnte? Wer muss jetzt dafür büßen? Ene-Mene-Muh … und raus bist Du:

Jürgen Homeyer vom 1.FC hat – nachdem der geschasste Medi­enchef Tobias Kaufmann draußen war – vor­über­gehend die Position des Leiters Medien und Kom­mu­ni­kation betreut und zusammen mit einer Head­hunter-Agentur einen neuen Medi­enchef gesucht. Die Wahl fiel nach meh­reren Vor­stel­lungs-Interview-Runden mit meh­reren Kan­di­daten auf Fritz Esser. Der konnte glasklar über­zeugen und so trafen FC-Geschäfts­führer Alex­ander Wehrle, Horst Held und der FC-Vor­stand den Ent­schluss, Fritz Esser zum neuen Medi­enchef zu machen.

Aber wer muss nun als Sün­denbock gehen? Nicht etwa der Geschäfts­führer. Auch der Vor­stand tritt nicht ange­sichts der gemein­samen Wahl des Leib­haf­tigen zurück. Nein, es ist Jürgen Homeyer, der gehen muss. Was ein erbärm­liches Theater.