Immo­bi­li­en­ei­gen­tümer im Faden­kreuz – sie sollen als Erste für die Coro­na­krise zahlen (+Videos)

Der Spiegel sieht die Immo­bi­li­en­be­sitzer als unfaire Kri­sen­ge­winnler. Alle müssen leiden, alle haben Ein­bußen, nur die Ver­mieter nicht, und das sei unfair. Wer Häuser und Woh­nungen besitze, komme bisher „glänzend“ weg, und das, so meint der Spiegel, sollte so nicht bleiben. Die Haus­ei­gen­tümer und Ver­mieter müssen zahlen, findet der Spiegelautor.

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Dann ver­mischt er fröhlich die Zeit der Hyper­in­flation der 1920er Jahre mit der Coro­na­krise und macht die dama­ligen Haus­be­sitzer als von der Krise schamlos pro­fi­tie­renden Gesell­schafts­klasse aus. Nicht nur, dass die Immo­bilien den Wert behalten haben, die dafür auf­ge­nom­menen Schulden seien durch die Hyper­in­flation ja sogar ent­wertet worden. Damals wurde die Haus­zins­steuer ein­ge­führt, die die bösen „Kri­sen­ge­winnler“ an den Kosten betei­ligen sollten. Dabei geht der Spiegel unter sou­ve­räner Miss­achtung der realen Gege­ben­heiten davon aus, dass Ver­mieter von Büro- und Laden­ge­schäften oder Wohnraum voll­kommen unbe­schadet sind und bleiben. Dem ist aller­dings nicht so, es zeichnet sich schon ab, dass sie durchaus ein hef­tiges Risiko tragen, nur eben nach hinten ver­schoben. Die Schwie­rig­keiten in der Immo­bi­li­enwelt fangen gerade erst an und werden mög­li­cher­weise noch durchaus schlagend. So schreibt der Sparkassenverband:

„Rezession schlägt noch nicht durch: Das ist über­ra­schend. Immerhin ging es mit der wirt­schaft­lichen Ent­wicklung in Deutschland teil­weise dra­ma­tisch bergab, bedingt durch die Corona-Pan­demie und den Maß­nahmen zur Bekämpfung des Virus. So sank das Brut­to­in­lands­produkt im 2. Quartal 2020 im Ver­gleich zum Vorjahr um 11,2 Prozent – ein starker Rückgang. Offenbar schlägt sich die Rezession noch nicht auf dem Immo­bi­li­en­markt nieder. Mög­li­cher­weise ist dies aber nur eine Frage der Zeit. Der länger anhal­tende Teil-Lockdown könnte 2021 dafür sorgen, dass Preise nicht mehr weiter steigen. Oder sogar sinken. Dies beträfe ver­mutlich nicht in erster Linie Wohn­im­mo­bilien, sondern vor allem bestimmte Arten von Gewer­be­im­mo­bilien, meint Het­tenbach: ‚Durch Corona ist zu erwarten, dass bei­spiels­weise Event- und Gas­tro­nomie-Immo­bilien ver­stärkt auf den Markt kommen. Durch das stei­gende Angebot würden die Preise ver­mutlich sinken.‘“

Eigentlich weiß Autor Claus Michelsen das selbst auch, oder er ist – wovon wir nicht aus­gehen wollen – nicht zu einer gedank­lichen Trans­fer­leistung in der Lage, wenn er schreibt:

„Ein Jahr­hundert später [nach der Hyper­in­flation in den 20er Jahren] sind es eben­falls die Eigen­tümer von Grund und Boden, die von der schweren wirt­schaft­lichen Krise bislang weit­gehend ver­schont blieben, obwohl es in den deut­schen Innen­städten ruhig ist, ein unbe­schwerter Ein­kaufs­bummel oder Café­besuch nicht möglich und Büros nur gering fre­quen­tiert sind.“ 

Das ist der sprin­gende Punkt. Was wird denn pas­sieren und beginnt jetzt schon, wenn der Ein­zel­handel und die Gas­tro­nomie sowie die Büro­häuser in der Innen­stadt mona­telang leer stehen und deren Mieter kaum Ein­kommen haben? Wenn ein großer Teil der Laden­be­sitzer insolvent werden wird, daher die Laden­mieten nicht mehr bezahlen kann und nur noch Räu­mungs­verkauf ansteht im Sommer? Wenn die Büro­häuser nicht mehr in dem Maße wie bisher gebraucht werden, weil sich das „Home Office“ als wesentlich bil­liger ent­puppt hat für die Arbeit­geber? Was wird geschehen, wenn viele Home-Office-Ange­stellte aus den Stadt­häusern und ‑woh­nungen hin­aus­ziehen auf‘s Land, weil es da bil­liger und schöner ist (Laden­meilen, Kino, Theater, Restau­rants und Kneipen in der Stadt sind ja sowieso zu) und sie ja sowieso nur noch ein, zweimal die Woche ins Büro fahren?

In New York kann man beob­achten, wie sich das ent­wi­ckelt. Diese Reportage zeigt sehr gut, was überall in ähn­licher Weise ablaufen wird. Das ist eine Lawine, die sich aufbaut und eine Stadt kaputt macht. Wie einer sagt hier im Video: „Wenn die Men­schen weg­gehen, ist New York nur noch eine Menge hoher, leerer Häuser“:

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Ein ungemein sehens­werter Beitrag, der hautnah fühlbar macht, was mit der Gesell­schaft pas­siert, was da alles zer­stört wird und wie es nur noch ums Über­leben geht. Genauso wird es früher oder später hier auch ähnlich aus­sehen. „Niemand kommt zurück, es ist gespens­tisch. All diese Gebäude ohne Menschen!“

Die berühmte Ein­kaufs­meile in der 5th Avenue, New York. Nor­ma­ler­weise brummend vor Leben. Heute alles mit Brettern ver­ammelt, keine Men­schen­seele mehr, eine Geis­ter­stadt. Bild: Wiki­media Commons, Anthony Quintano, Bild­quelle: https://www.flickr.com/photos/22882274@N04/49984522156 , Bild­lizenz: CC BY 2.0

Auch in Denver sehen wir solche Erschei­nungen und die immense Obdachlosigkeit:

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Die Büro­bauten werden auch hier bald teil­weise leer stehen, weil die Firmen sich durch Home Office auf wesentlich klei­neren Raum­bedarf zurück­ziehen. Die Laden­meilen werden zu einem großen Teil leer stehen, und es wird auch kaum noch jemand neu anfangen und sich das finan­zielle Risiko antun. Jeder weiß, im Herbst kommt der nächste Lockdown, weil dann wieder Grippe‑, Erkäl­tungs- und Virenzeit ist. Die Innen­städte sterben.

Die Ein­zel­händler machen ver­zweifelt auf ihre Lage auf­merksam. Sie warnen vor Tris­tesse und leeren Straßen, mit Brettern ver­na­gelten Laden­fronten, kahlen Schau­fenstern und gähnend leeren Cafés und Restau­rants in den Stadt­zentren. Durch den erneuten Lockdown drohe dem Handel eine massive Erosion, die menschlich, kul­turell und auch wirt­schaftlich nicht nur desas­tröse Folgen, sondern irrepa­rable wirt­schaft­liche Aus­wir­kungen nach sich ziehen werde, warnt der Verband der Ein­zel­händler. Der zweite und dritte Lockdown bedeute „das Ende der Innen­städte, wie wir sie heute kennen“. Lus­ti­ger­weise hat der Spiegel genau das auch geradezu alar­mis­tisch bereits im Sommer 2020 geschrieben. Da war es noch eine „haltlose Ver­schwö­rungs­theorie“, dass im Herbst der nächste Lockdown kommen wird und man sah damals noch Licht am Horizont. Naja, und es war ein anderer Autor, Simon Book, der besorgt antextete:

„Erst die Online­kon­kurrenz, dann die Pan­demie: Viele Händler in der City werden dem­nächst schließen müssen. Auch die Gas­tro­nomie kämpft. Gibt es einen Ausweg?“

Der zweite und sehr wahr­scheinlich dritte Lockdown wird zur Folge haben, dass wirklich niemand mehr Ver­trauen in eine echte, dau­er­hafte Erholung hat, kein Ver­trauen mehr in die irra­tional wurs­telnde Politik und weder genug Zuver­sicht noch Geld, um sich in das Aben­teuer eines län­ger­fris­tigen Miet­ver­trages zu stürzen. Meine Pro­gnose: Wenn der Lockdown auf­ge­hoben ist, werden die Laden­zeilen in den Städten aus­sehen, wie die Zahn­reihe eines Hun­dert­jäh­rigen. Die Ver­mieter werden gezwungen sein, die gewerb­lichen Räume für wesentlich geringere Mieten anzu­bieten, damit über­haupt etwas her­ein­kommt. Mög­li­cher­weise wird noch die eine oder andere Bil­lig­wa­ren­kette einen Drei­monats-Miet­vertrag mit Ver­län­ge­rungs­option für die Som­merzeit schließen, die Ware im kaum her­ge­rich­teten Laden­lokal irgendwie ver­teilen und Anfang Herbst innerhalb einer Wochen­frist alles zusam­men­packen und wieder weg sein, sobald die nächste Laden­sperrung kommt. Lebens­mit­tel­ge­schäfte in den Innen­städten sind dünn gesät. Jeder Aldi ist jetzt schon ein auf­re­gendes Ein­kaufs­er­lebnis in der Innenstadt-Ödnis.

Die Gewer­be­im­mo­bilien zu ver­kaufen ist dann kaum eine Lösung. Das müsste man, wenn, sofort tun. Der Preis dürfte genauso stark fallen, wie die Insol­venzen und Geschäfts­auf­gaben steigen. Das bedeutet in der Folge einen schmerz­haften Wert­verlust für die Immo­bi­li­en­eigner, die dann um Mieter kämpfen müssen – was nur über den Preis geht. Dann heißt es run­ter­gehen mit der Miete oder Leer­stand. Mög­li­cher­weise werden auch einst sünd­teure Immo­bilien schlicht ver­fallen und irgendwann abge­rissen werden.

Noch können Ver­mieter die Miete nach­fordern, das stimmt. Dieses Recht ist aber nicht wirklich etwas wert. Denn immer mehr Leute werden ihre Miete auch nicht nach­zahlen können und einfach gehen. Sie werden bei Freunden und Ver­wandten unter­kommen oder preis­werte Woh­nungen außerhalb der Stadt suchen oder sich zu meh­reren eine Wohnung teilen und Wohn­ge­mein­schaften bilden.

Wie sehr die Men­schen mit ihren Mieten unter Druck kommen, das kann man sich in Echtzeit auf Youtube ansehen:

https://youtu.be/AgIFjqx9SVE

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Das finan­zielle Aus­bluten frisst sich durch unsere ganze Gesell­schaft. Mit dem Finger auf die Ver­mieter und Immo­bi­li­en­be­sitzer zu zeigen ist kurz­sichtig und ahnungslos. Nicht nur Gewer­be­im­mo­bilien, sondern auch Miet­woh­nungen werden leer stehen, weil die Leute es nicht mehr bezahlen können. Oder weil sie aus den tristen Innen­städten fliehen. Was sich in New York dra­ma­tisch dar­stellt, wird sich hier stiller, lang­samer und weniger spek­ta­kulär voll­ziehen. Die Immo­bi­li­en­branche wird die Kon­se­quenzen schmerzhaft spüren. Wir alle werden gerade Zeugen einer harten Rezession mit allen Zer­stö­rungen, die das mit sich bringt, ein­schließlich Hunger, Obdach­lo­sigkeit und gewalt­tätige Auf­stände auf den Straßen.