Pompös-feminine Männer-Mode und schmucklos-gen­der­neu­trale Kleidung – Mode in Zeiten von Seuchen und Umbruch

Zwei Welt-Artikel scheinen sich zu wider­sprechen und haben doch eine gemeinsame, gesell­schaft­liche Unter­strömung. „Ist geschlechts­neu­trale Kleidung die Mode der Zukunft?“ contra „Perlen und Glitzer — 2019 waren Männer genauso hem­mungslos wie Frauen“ könnte ent­ge­gen­ge­setzter nicht sein. Ober­flächlich gesehen kann man dafür wieder einmal den von Politik und Medien und den zeit­geis­tigen Gut­men­schen pro­pa­gierten Gen­derkult und das Nie­der­reißen der mensch­heits­alten Geschlech­ter­bilder ver­ant­wortlich machen. Das ist sicher auch der mediale Turbo hinter all dem. Doch es gibt noch etwas Tie­fer­lie­gendes, etwas, was schon mehrfach in der Mensch­heits­ge­schichte auf­ge­taucht ist.

Inter­es­san­ter­weise kor­re­lieren Seuchen, Umbruch­zeiten, Ängste und Mode oft mit­ein­ander. Einer der Höhe­punkte besonders pom­pöser Kleidung und aus­schwei­fender Deko­ration begleitet den letzten Pest­aus­bruch in Europa und das Auf­tauchen der For­men­sprache des Barock und Rokoko in Deko­ration, Baustil und Mode. Während die Pest als töd­liche Drohung ständig im Hin­ter­grund lauerte, wucherten die Stoffe, Farben, Spitzen und Glit­zer­be­sätze, sowohl bei Frauen als auch bei Männern bis­weilen ins Gro­teske. Im Ange­sicht dro­hender Krankheit, Not und Krieg feierte die Ober­schicht das Leben und sich selbst in einem Auf­bäumen von Prunk und Glanz, während das Volk in immer beschei­de­neren Kleidern und an der Grenze des Hungers darbte.

Und hier waren auch die Männer der Ober­schicht kei­neswegs abge­neigt, sich so prächtig wie möglich her­aus­zu­putzen, es gab fast keine Grenzen und keine Scheu vor „wei­bi­schem Tand“. Es ist schon inter­essant, die präch­tigen Roben der dama­ligen Herren zu sehen, mit denen man heute kaum noch durch eine Tür und in kein Auto mehr hinein käme.

Eine leib­haftige rosa Plu­der­hosen-Don­ner­wolke mit Stö­ckel­schuhen, Sil­ber­lit­zen­besatz, Spit­zen­kragen, Sei­den­bändern und Rouge auf den Wangen, so prä­sen­tiert sich der schwe­dische Offizier und Kapitän Jörgen Pålman auf seinem Por­trait. Und das ist kein Son­derfall. Die dama­ligen Männer des Rokokos puderten sich, legten Rouge auf und schwärzten ihre Augen­brauen. Der Mann trug die Haare lang. Die sil­ber­weiße Perücke für den Mann war selbst in bür­ger­lichen Kreisen gang und gebe. Da wurde nicht mit Samt und Seide, Damast und Spitzen, Sil­ber­knöpfen und gefärbten Strau­ßen­federn gespart.

Dagegen muten die modi­schen Extra­va­ganzen der heu­tigen Jet-Set-Promi-Riege geradezu wie die Ergeb­nisse im Nähkurs der Ober­stufen-Theater-Arbeits­gruppe an. Halbwegs mit­halten könnte heute nur die Oberliga der Drag-Queens und Harald Glööckler.

Die „Welt“-Autorin Silvia Ihring kann sich gar nicht lassen vor Begeis­terung über Männer in glit­zernden Abend­roben, mit Perlen-Ohrring und lackierten Nägeln. Sie ist beein­druckt von dem Mut, den ein magerer Lockenkopf mit melo­dra­ma­ti­schem Blick namens Timothée Cha­lamet auf­bringt, um beim Golden Globe mit pail­let­ten­be­sticktem Oberteil vor die Kameras zu treten und dabei einen Gesichts­aus­druck zu tragen, als komme er gerade von einer Beer­digung. Dabei wirkt der Glit­zer­fummel noch geradezu ein­fallslos gegen eine nach­emp­fundene, klas­sische Barock-Her­ren­jacke aus dem Partykostümverkauf.

Die Sexu­al­moral im späten Barock und Rokoko war genauso geschlech­ter­über­greifend, unge­bremst und schwel­ge­risch, wie Mode, Sin­neslust und Baustil. Auch das finden wir immer wieder in der Geschichte, wie auch der Sex in der Zeit römi­scher Dekadenz, ein­her­gehend mit Luxus, gren­zen­losen sexu­ellen Ver­gnü­gungen und gleich­zeitig gesell­schaft­lichen Umbrüchen und Bür­ger­kriegen, und dem lang­samen Untergang Roms, der dann von der jus­ti­nia­ni­schen Pest gefolgt wurde. Sie gilt als die größte antike Epi­demie zwi­schen Nord- und Nord­west­europa, dem Mit­tel­meerraum und dem Sassanidenreich.

Ande­rer­seits haben gesell­schaft­liche Umbrüche und dro­hende Epi­demien auch die genau ent­ge­gen­ge­setzte Aus­wirkung auf das „niedere Volk“. Denn genau da ver­schärft sich in diesen Zeiten die Armut. Diese Not gebiert meistens „Revo­lu­tionen“ und kostet in der Regel viele der alten Eliten den Kopf. Und dann, wenn die Revo­lution gesiegt hat, ist Moral­terror angesagt. Ob in der fran­zö­si­schen Revo­lution, Chinas langer (und blu­tiger) Weg unter Mao Tsedong oder in Kam­bo­dscha unter „Bruder Nummer 1, Pol Pot (Killing Fields).

Dann sind alle Men­schen gleich und haben sich auch mög­lichst gleich und uniform anzu­ziehen. Jeg­licher Schmuck ist Tand und eine Remi­niszenz an die unmo­ra­li­schen, pras­se­ri­schen Eliten, die Not und Elend über die Welt und die ein­fachen Men­schen gebracht haben. Man zeigt durch seine Ein­heits­kleidung und das Auf­gehen des Indi­vi­duums in der Ein­heits­masse seine Erge­benheit. Das ist in Armeen so, bei Schul­uni­formen so und war bei Mao-Anzug auch so. Männer und Frauen trugen ihn glei­cher­maßen. Es ist die bewusste und gewollte Unter­werfung unter die gel­tende, neue, hoch­mo­ra­lisch pos­tu­lierte, jeweilige ver­pflich­tende Ideo­logie. Wer sich dem nicht anschließt, gar bewusst zeigt, dass er in Oppo­sition dagegen steht, wird aus­ge­stoßen, bestraft und im schlimmsten Fall nicht überleben.

Der Artikel der Welt über geschlechts­neu­trale Kleidung ist von seiner Bebil­derung her ein gutes Bei­spiel und steht im dia­me­tralen Gegensatz zur pom­pösen Glit­zerwelt der Ober­schicht. Ein Medium, zwei Welten. Die einzige Klammer: Männer sollen sich nicht mehr nach kon­ser­va­tivem Männ­lich­keits­muster anziehen. Der Prolo-Hausmann in dem Beitrag in seiner Unter­schicht­küche mit den üblichen, lus­tigen Kühl­schrank­ma­gneten trägt ein alt­ro­sa­far­benes Hoodie. Wie bahnbrechend.

Als ob es dieses Zeugs nicht schon lange gibt. Seit min­destens zwanzig Jahren tragen Männer und Frauen der unteren Mit­tel­schicht und Unter­schicht die gleichen Jeans und Jog­ging­hosen, T‑Shirts und Sweat­shirts, gleiche Pullover, Turn­schuhe oder Bir­ken­stocks, die sich nur in Klei­der­größe und Schnitt­führung an das Geschlecht des Trägers anpassen. Ein Frau­en­hintern passt nicht in eine Män­ner­jeans und selbst, wenn die groß genug ist, ist dann die Taille viel zu weit. Aber sonst ist alles gleich. Unis­exkla­motten sind ein alter Hut.

Aber die „Welt“-Autorin Man­doline Rut­kowski feiert die Mode­branche ab, die Bil­lig­kla­motten „ent­wi­ckelt“, in denen sich „Men­schen unab­hängig von ihrer Geschlechts­zu­ge­hö­rigkeit wohl­fühlen sollen“:

„Das Mode­im­perium Levi’s brachte im ver­gan­genen Jahr die Kol­lektion ‚Unla­beled‘ auf den Markt, die in Koope­ration mit LGBTQ-Ver­tretern ent­standen ist und All­tags­kleidung beinhaltet, die den Raum zwi­schen typisch männ­licher und weib­licher Mode abdecken soll: weit geschnittene Jeans­hosen und ‑jacken, matte Farben in Grau, Schwarz und Grau mit einem Hauch von Altrosa dazwi­schen. Immer mehr Mode­un­ter­nehmen wie One DNA, Official Rebrand, Kirrin Finch, Rad Hourani oder Tomboy bauen ihre Marken gar kom­plett auf einem geschlechts­neu­tralen Konzept auf und belassen es nicht nur bei ein­zelnen Kollektionen.“

Na, was ein Durch­bruch! Welche Errungenschaft!

Also ehrlich, das soll die Mode der Zukunft sein? Echt jetzt? Traurige Farben mit poli­tisch kor­rekten Bekenntnis-Auf­drucken? Grau, Schwarz und ein gru­se­liges Altrosa, das wir früher „Stu­den­tenrosa“ nannten, weil wir immer die ganze Wäsche einmal im Monat bei Muttern durch die Wasch­ma­schine jagten und sich alles ein­ander im Laufe der Zeit gegen­seitig ein­färbte: Hel­leres wurde zu einem Graurosa, Dunk­leres wurde Grau­schwarz. Geld für Neues hatten wir nicht. Kommt jetzt alles wieder. Denn Geld werden wir ja zukünftig auch nicht mehr haben. Passt ja.

Was für eine tolle Diver­sität! Jetzt haben wir über sechzig Gender und sind alle so unglaublich viel­fältig und tragen alle die­selben, depri­mie­renden Kla­motten. Grandios. Das hat‘s ja gebracht, Glückwunsch.

Das schmucklose, grau-farblose Zeug wird jetzt zum neuen Mao-Anzug der Unter­tanen des Great-Reset-Turbo-Welt-Kapi­ta­lismus, während die Ober­schicht wie die Pfauen ihre bunten Federn spreizt und die Covid-19,20,21,22,23-Pandemie die Gesell­schaft­struk­turen bis auf die Grund­festen schreddert.