„Der ver­ant­wor­tungs­volle Umgang mit Waffen ist eine Frage von Men­ta­lität und Charakter.“

Dieser Tage hat sich US-Prä­sident Joe Biden für ein schär­feres Waf­fen­gesetz aus­ge­sprochen. Wir haben mit unserem Autor Andreas Tögel darüber gesprochen und über Waffen in den Händen von Privatpersonen:

US-Prä­sident Joe Biden hat dieser Tage den Kon­gress auf­ge­fordert, die bestehenden Waf­fen­ge­setze zu ver­schärfen. Eine Über­ra­schung für Sie?

Nein. Wer die US-Politik der zurück­lie­genden Jahre ver­folgt hat, konnte fest­stellen, dass die „Liberals“ sich stets als vehe­mente Gegner des Pri­vat­waf­fen­be­sitzes und Kri­tiker des Zweiten Ver­fas­sungs­zu­satzes (der das Recht auf pri­vaten Waf­fen­besitz garan­tiert) posi­tio­niert haben. Biden wird mit einem der­ar­tigen Vorstoß das Land noch tiefer spalten als es die Demo­kraten in den letzten vier Jahren ohnehin bereits getan haben. In den repu­bli­ka­nisch domi­nierten Bun­des­staaten (also in der Hälfte der Ver­ei­nigten Staaten) gilt mehr­heitlich, was der einstige Vor­sit­zende der NRA (National Rifle Asso­ciation), der Schau­spieler Charlton Heston, einmal so auf den Punkt gebracht hat: „Nur aus meinen toten Händen!“ [nehmt Ihr mir meine Waffe]. Wenn Biden also ernst­hafte Anstalten macht, recht­schaffene Bürger zu ent­waffnen, ris­kiert er Unruhen, um nicht zu sagen bür­ger­kriegs­ähn­liche Zustände.

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Warum sind Regie­rungen so erpicht darauf, dass Bürger keine Waffen besitzen?

Im gleichen Maße, in dem Regie­rungen es lieber mit ein­fäl­tigen Wählern zu tun haben, die ihre gott­gleich-genialen Akti­vi­täten kri­tiklos hin­nehmen, sind sie auch an der mög­lichst weit­ge­henden Wehr­lo­sigkeit ihrer Unter­tanen inter­es­siert. Freie, selbst­be­wußte Bürger waren und sind stets bewaffnet und damit wehrhaft. Zu Steu­er­sklaven degra­dierte Unter­tanen dagegen sind es nicht. Dass die Polit­no­men­klatura ihre Poli­zei­kräfte zur selben Zeit mit immer mehr mili­tä­ri­schem Gerät auf­rüstet, in der sie ihren Unter­tanen den legalen Waf­fen­besitz immer weiter erschwert oder gar ver­un­mög­licht, ist ein beun­ru­hi­gendes Faktum. Man stelle sich bitte die Frage, was damit am Ende bezweckt werden soll! Fürchtet die Regierung den wehr­haften Bürger – und – wenn ja, warum? Und wozu benötigt die Polizei gepan­zerte Fahr­zeuge, die mit voll­au­to­ma­ti­schen Waffen aus­ge­rüstet sind?

Viele Men­schen werden der Politik instinktiv zustimmen zu Ver­schärfung von Waf­fen­ge­setzen. Was sagen Sie jemandem in einer Dis­kussion, in der es um Waf­fen­ge­setze geht?

Das Problem ist, dass jedermann in irgend­einer Hin­sicht einer Min­derheit angehört. Sei es als Unter­nehmer, als Besitzer eines Ein­fa­mi­li­en­hauses, als Sport­flieger oder Motor­rad­fahrer, oder eben als Waf­fen­be­sitzer. Wesen der Demo­kratie ist es, die Rechte von Min­der­heiten durch die Mehrheit defi­nieren zu lassen. Die Frage etwa, ob man „die Reichen“ noch höher besteuern sollte, würde in Deutschland und Öster­reich jederzeit von einer satten Bür­ger­mehrheit bejaht werden. Sagt ein solches Mehr­heits­votum aber etwas über dessen Sinn und Berech­tigung aus?

Es ist kein Problem, Mehr­heits­wünsche gegen die Inter­essen von Min­der­heiten durch­zu­setzen. Bei den Waf­fen­ge­setzen geschieht das seit vielen Jahr­zehnten. Die Sicher­heitslage hat sich dadurch aber inter­es­san­ter­weise um kein bisschen ver­bessert – ganz im Gegenteil. Die Gefahr, einer Bluttat zum Opfer zu fallen, hängt nämlich nicht von den Waf­fen­ge­setzen ab, da als Tat­mittel meist keine Schuss­waffen, sondern Messer, diverse Werk­zeuge oder illegal beschaffte Feu­er­waffen ein­ge­setzt werden. Ver­schärfte Waf­fen­ge­setze wirken ähnlich, als ob man nüch­terne Auto­fahrer am Betrieb ihrer Fahr­zeuge hindern wollte, weil Alko­ho­liker Unfälle verursachen.

Im Herbst ver­gan­genen Jahres ist in Texas bei einer Geburts­tags­feier eines drei­jäh­rigen Jungen einem Gast die Pistole aus der Tasche gerutscht. Der Junge hat sich mit der Pistole aus Ver­sehen in die Brust geschossen und ver­starb. Wie kann man solche Tra­gödien ver­hindern, wenn immer mehr Men­schen Waffen tragen dürfen?

So traurig es ist: ver­mutlich niemals. Der ver­ant­wor­tungs­volle Umgang mit Waffen ist – wie der ver­nünftige Einsatz von Kraft­fahr­zeugen – eine Frage von Men­ta­lität und Cha­rakter. Es wäre eine glatte Selbst­täu­schung, zu glauben, allein mit legis­ti­schen Maß­nahmen wären Unfälle, Gewalt­taten oder Tra­gödien wie die von Ihnen genannte zu ver­hindern. Das Leben ist lebens­ge­fährlich und der Miß­brauch einer Sache ist kein Grund, deren rechten Gebrauch ein­zu­schränken oder zu verbieten.

In Öster­reich ver­langt der Gesetz­geber neben einem Nachweis für die Befä­higung zum sach­ge­rechten Umgang mit Schuss­waffen seit Jahren die Vorlage eines psy­cho­lo­gi­schen Gut­achtens, ehe er eine Waf­fen­be­sitz­karte aus­stellt (die zum Erwerb und Besitz von bis zu zwei Kurz­waffen oder halb­au­to­ma­ti­schen Lang­waffen berechtigt). Ein Ein­fluss auf die Zahl der Schuss­waf­fen­de­likte oder – Unfälle ist bis dato nicht nach­weisbar. Deren Zahl war im Ver­hältnis zu mit anderen Tat­mitteln began­genen Gewalt­ver­brechen nämlich auch vorher schon ver­nach­läs­sigbar gering.

Gibt es über­haupt eine Kor­re­lation zwi­schen libe­ralen Waf­fen­ge­setzen und Mord­raten oder Amokläufen?

Eine der­artige Kor­re­lation der Zahl von amtlich erfassten, in Pri­vathand befind­lichen Schuss­waffen mit der Zahl der Schuss­waf­fen­de­likte oder ‑Unfälle ist nicht erkennbar. In England wurde im Gefolge eines Schul­mas­sakers im Jahr 1997 durch das Blair-Regime ein nahezu voll­stän­diges Verbot des pri­vaten Waf­fen­be­sitzer verfügt. Der Gewalt­kri­mi­na­lität wurde dadurch kein Dämpfer ver­setzt – ganz im Gegenteil. Merke: Wo der Waf­fen­besitz kri­mi­na­li­siert wird, tragen nur noch Kri­mi­nelle Waffen. Und die decken sich seither mit illegal impor­tierten, häufig voll­au­to­ma­ti­schen Schieß­eisen ein. Fazit: Im Ver­ei­nigten König­reich lebt es sich heute gefähr­licher als vor der Ver­hängung des all­ge­meinen Waffenverbots.

Würden restriktive Waf­fen­ge­setze tat­sächlich mehr Sicherheit bewirken, würden im Gegenzug in der Schweiz, dem Land mit dem libe­ralsten Waf­fen­gesetz in Europa, dem Land, in dem Mili­tär­re­ser­visten ihre voll­au­to­ma­tische Armee­waffen daheim auf­be­wahren, täglich Mord und Tot­schlag herr­schen. Das ist aber nicht der Fall. Auch in den USA, wo die Waf­fen­ge­setze Ange­le­genheit der ein­zelnen Bun­des­staaten sind und recht dras­tisch von­ein­ander abweichen, lässt sich keine der­artige Kor­re­lation nach­weisen – jeden­falls nicht in der Weise, wie Waf­fen­gegner es ver­muten. Die Gewalt­kri­mi­na­lität ist vielmehr in den Bun­des­staaten mit der restrik­tivsten Waf­fen­ge­setz­gebung am höchsten. Der US-Ökonom John Lott hat dieses Phä­nomen in seinem Buch mit dem Titel „More Guns, Less Crime“ aus­führlich beschrieben: Ver­brecher sind nicht scharf auf Schie­ße­reien, sondern suchen nach mög­lichst wehr­losen Opfern. Und die finden sie in Bun­des­staaten mit scharfen Waffengesetzen.

Zur Frage der „Amok­läufe“. Als solche werden von Politik und Medien oft Mas­saker an Wehr­losen bezeichnet. Der von Anders Breivik verübte Mord an 69 Jugend­lichen auf der schwe­di­schen Insel Utøya oder der Mas­senmord Brenton Tar­rants an Mus­limen in Christ­church, waren sorg­fältig geplante und mit kühlem Kopf durch­ge­führte Ver­brechen und damit alles andere als „Amok­läufe“. Wie können der­artige von zu allem ent­schlos­senen Tätern begangene Untaten jemals ver­hindert werden?

Dass die beiden genannten Täter legal erworbene Waffen für ihre Untaten ein­setzten, darf übrigens nicht zu dem Fehl­schluß ver­leiten, dass restriktive Waf­fen­ge­setze sie hätten ver­hindern können. Wer derart schwer­wie­gende Untaten zu begehen beab­sichtigt, wird vor admi­nis­tra­tiven Hürden nicht zurück­schrecken, sondern sich auf dem Schwarz­markt besorgen was er möchte (wie der kürzlich in Wien durch einen radi­kalen Moslem mit illegal erwor­benen Waffen verübte „Amoklauf“ mit vier Toten und über 20 zum Teil schwer Ver­letzten zeigt). 

Würden Sie Waffen generell frei­geben, oder woran würden Sie es fest­machen, Waffen erwerben und mit sich führen zu dürfen?

Man muß wissen, dass es bis zur Zeit vor dem Ersten Welt­krieg in Deutschland und Öster­reich fak­tisch keine waf­fen­ge­setz­lichen Ein­schrän­kungen gegeben hat. Wer eine Waffe wollte, hat sich eine besorgt. Das­selbe hat übrigens auch für ver­schiedene psy­chotrop wirksame Drogen gegolten. Weder für Waffen in Pri­vathand noch für Drogen ist zu dieser Zeit ein exzes­siver Miß­brauch belegt.

Ande­rer­seits war das gesetz­liche Verbot des Alko­hol­ge­nusses in den USA (die soge­nannte „Pro­hi­bition“) in den 1920er-Jahren die Geburts­stunde des orga­ni­sierten Ver­bre­chens. Ich bin daher mehr als skep­tisch, ob staat­liche Erzie­hungs­maß­nahmen für erwachsene Bürger jemals etwas Gutes bewirken – einer­seits, weil gerade das Ver­botene auf bestimmte Cha­raktere so magisch anziehend wirkt und ande­rer­seits, weil jede Nach­frage auf irgendeine Weise befriedigt wird – und sei es illegal.

Ich glaube, dass die derzeit in Öster­reich bestehenden Rege­lungen für den Zugang zum legalen Waf­fen­besitz recht ver­nünftig sind: 21 Jahre Min­dest­alter, öster­rei­chische Staats­bür­ger­schaft und „Ver­läss­lichkeit“ (d. h. keine straf­recht­liche Ver­ur­teilung und keine amts­be­kannte Sucht­gift­kar­riere). Pro­ble­ma­tisch ist m. E. aller­dings, dass die Behörden auch expo­nierten und gefähr­deten Per­sonen die Aus­stellung einer Berech­tigung zum Führen von Waffen außerhalb der eigenen Wohnung seit vielen Jahren grund­sätzlich ver­weigern. Meiner Meinung nach sollte jemand, der zum Waf­fen­erwerb und ‑Besitz berechtigt ist, seine Waffen auch jederzeit in gela­denem Zustand bei sich tragen dürfen. Wie das Bei­spiel Israels zeigt, wo das der Fall ist, wird die all­ge­meine Sicherheit damit gefördert und nicht etwa gefährdet. Jeder Kri­mi­nelle muss dort, sobald er jemanden angreift, mit robuster Gegenwehr rechnen. Das dämpft kri­mi­nelle Nei­gungen überaus wirkungsvoll.

Kommen die For­de­rungen nach schär­feren Waf­fen­ge­setze aus allen poli­ti­schen Rich­tungen oder sind hier Ten­denzen festzustellen? 

Generell sind es – spä­testens seit dem Ende des Zweiten Welt­kriegs – stets poli­tisch links­ste­hende Grup­pie­rungen, die restriktive Waf­fen­ge­setze oder Verbote des pri­vaten Waf­fen­be­sitzes fordern. Das ist insofern inter­essant, als die „Volks­be­waffnung“ eine der 1888, anläßlich ihres Grün­dungs­par­teitags, erho­benen For­de­rungen der öster­rei­chi­schen Sozi­al­de­mo­kratie war. Zu dieser Zeit waren Macht und Einfluß der Partei aller­dings gering – ihr bür­ger­licher Klas­sen­feind ver­meintlich über­mächtig. In der Zwi­schen­kriegszeit haben die Sozi­al­de­mo­kraten – illegal – so stark auf­ge­rüstet, auch mit mili­tä­ri­schen Waffen, daß sie im Februar 1934 glaubten, die Staats­macht her­aus­fordern und einen Putsch wagen zu können (der indes in wenigen Tagen scheiterte).

Heute, nach ihrem 1968 begon­nenen und über­wäl­tigend erfolg­reich abge­schlos­senen Marsch durch die Insti­tu­tionen, domi­nieren linke Kräfte so gut wie alle rele­vanten Posi­tionen im Staats­ap­parat. Das hat ihr Interesse an der Bewaffnung nicht­staat­licher Akteure und Orga­ni­sa­tionen stark abkühlen lassen. Jetzt sind sie eifer­süchtig darauf bedacht, das in ihren Händen befind­liche Macht­mo­nopol gegen alle denk­baren Her­aus­for­de­rungen zu ver­tei­digen. Daraus resul­tiert ihre prin­zi­pielle Ablehnung von Waffen in anderen Händen als in denen von Polizei und Militär. Die Linken sind fak­tisch zu Kon­ser­va­tiven – im übelsten Sinn des Wortes – mutiert. Übel deshalb, weil es ihnen nicht um Werte geht, sondern aus­schließlich um Insti­tu­tionen, Macht und Herrschaft.

Vielen Dank, Herr Tögel.

Das Interview wurde per email geführt. Die Fragen stellte Andreas Marquart.


Quelle: misesde.org