Er war schon seit drei Jahren von all seinen Aufgaben suspendiert und hatte wohl gehofft, doch noch irgendwie davonzukommen. Doch als nun auch gegen ihn Anklage erhoben wurde, wählte er den Freitod. Ex-US-Turn-Trainer John Geddert wurde tot aufgefunden. Er hatte sich am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) auf einem Autobahnrastplatz in der Nähe von Lansing (Michigan) das Leben genommen. Nur Stunden nachdem die Anklage wegen sexuellen Missbrauchs, Zwangsarbeit, Menschenhandel und Falschaussagen sowie das Fortführen einer kriminellen Vereinigung gegen ihn erhoben wurde, entschied er sich dafür, sich der ganzen Sache durch Selbstmord zu entziehen.
John Geddert war ein Erfolgstrainer. Seine Eleven brachten es weit. Er war ein bekanntes Gesicht im Olympioniken-Zirkus und seine Opfer schwiegen lange. Die Verbrechen wegen Menschenhandels sollen sich zwischen 2008 und 2018 ereignet haben, bis Geddert suspendiert worden war. Darunter waren auch sechs Minderjährige.
In einer Pressekonferenz am Donnerstag, bevor die Leiche des Trainers gefunden wurde, sagte die Generalstaatsanwältin und Justizministerin des Bundesstaates Michigan, Dana Nessel, dass John Geddert beschuldigt werde, gegen seine jungen Athleten Gewalt angewendet zu haben, Betrug, und Nötigung eingesetzt und sie vielen verbalen, emotionalen, physischen und sexuellen Missbrauchstaten unterzogen habe. Die Sportler und Sportlerinnen, die mit ihm arbeiteten, mussten sich einem exzessiven Training unterwerfen, auch dann, wenn sie sich Verletzungen zugezogen hatten, sagte Generalstaatsanwältin Nessel. Manche Sportler und Sportlerinnen unternahmen in ihrer Überforderung und Verzweiflung sogar Selbstmordversuche, fügten sich selbst Verletzungen zu und litten unter Essstörungen. 24 Straftaten in diesen Bereichen werden John Geddert zur Last gelegt.
Seine sexuelle Übergriffigkeit machte noch nicht einmal vor einer 13- und 16-Jährigen halt, die er mit Zwang und Androhung von Gewalt gefügig gemacht haben soll. Allein hierfür hätte die verhängte Strafe Lebenslang bedeuten können. Der Vorwurf des Menschenhandels bezieht sich auf 15 Sportler, die in den Gerichtsdokumenten nur mit ihren Namensinitialen aufgeführt werden. Er „verkaufte“ diese aussichtsreichen und begabten jungen Männer und Frauen gegen einen saftigen Gewinn an andere Sportorganisationen. Die Adresse, von wo aus diese jungen Talente ohne ihre Zustimmung verschachert worden waren, so die Akten, lautete 9410 Davis Highway in Dimondale. Das ist das Gebäude, in dem damals John Geddert sein Unternehmen, das Trainigsstudio „Twistars USA Gymnastics Club“ führte. Dort fand er „seine Talente“, die er erst förderte, dann coachte und dann in jeder Weise ausbeutete. Die Facebookseite steht heute noch im Netz. „Work hard … Dream big!!!“ (Arbeite hart … und habe große Träume!!!)
Sieht man sich die stolz gezeigten Fotos an, weiß man: Dort war für sexuelle Raubtiere wie John Geddert und den betreuenden Mediziner des Gymnastikclubs, Larry Nassar die Beute verlockend und mehr als reichlich im Angebot.
Larry Nassar, der Arzt, der die Sportler und Sportlerinnen medizinisch betreute, sowohl in der Nationalmannschaft als auch im Gymnastikclub „Twistar“, soll die Mädchen und jungen Frauen im Hinterzimmer des Clubs reihenweise sexuell missbraucht haben. John Geddert hatte diesbezüglich jeden Vorwurf bestritten. Er habe davon nie etwas gewusst. Doch die Opfer der beiden Männer hatten übereinstimmend ausgesagt und beschrieben, dass Geddert nicht nur davon wusste, sondern es auch billigte und selbst Täter war:
„So hatte eine junge Frau gegenüber dem Fernsehsender ESPN berichtet, wie der Trainer, während Nassar sie ‚mit dem Finger in ihrer Vagina‘ massierte, in dem fraglichen Hinterzimmer auftauchte und witzelte, ihr Rücken hätte ihr offensichtlich wohl sehr weh getan.“
Ähnlich, wie bei Jeffrey Epstein gibt es auch die Komplizin, die mitgeholfen hat. Die 65jährige Kathie Klages, die Trainerin der Universitätsmannschaft Michigan State, wusste über alles Bescheid und war offensichtlich involviert. Sie tat alles, um den Verdacht gegen Dr. Nassar zu zerstreuen. Dr. Nassar war auch Mitglied im medizinischen Team der Sportler an der Universität Michigan. Als dann endlich doch die Straftaten des Sportarztes ans Licht kamen, wurde Kathie Klages zwar fristlos entlassen, kam jedoch anschließend im Team von John Geddert unter.
Dort flog sie allerdings auch hinaus, als die Medien anfingen, von der Verurteilung Larry Nassars und dem aufkommenden Verdacht gegen John Geddert zu berichten. Kathie Klages musste 90 Tage Haft absitzen, nachdem sie im August 2020 schuldig gesprochen wurde wegen ihrer Falschaussagen zugunsten Larry Nassars. Sie erhielt eine weitere Bewährungsstrafe von 18 Monaten.
In ihrem Prozess sagte sie unter Tränen aus, dass sie sich nicht daran erinnern könne, von den Missbräuchen gehört zu haben und bat die Opfer um Verzeihung. Zwei Frauen hatten nämlich als Zeugen ausgesagt, dass sie bereits 1997 Kathie Klages erzählt hatten, von Dr. Nassar sexuell missbraucht worden zu sein. Eine der Zeuginnen, Larissa Boyce, sagte aus, Kathie Klages habe auf die Anschuldigungen der damals 16jährigen hin, ihr ein Papier vor die Nase gehalten und gesagt, dass es schwerwiegende Konsequenzen für sie geben würde, wenn dieser Bericht eingereicht werden würde.
Larissa Boyce gab im Prozess eine persönliche Erklärung ab: „Ich stehe hier und vertrete mich als die 16-Jährige, die man vor 23 Jahren erniedrigte und zum Schweigen brachte. Unglücklicherweise wurden so noch all die Hunderten von Mädchen nach mir missbraucht.“
Rachael Denhollander, die als Erste den Mannschaftsarzt Dr. Nassar öffentlich beschuldigte, meldete sich per Twitter zum Tod des Trainers John Geddert:
Übersetzung:
„Soviel Schmerz und Kummer für jeden.
An die Opfer: Ihr wurdet gehört und man glaubt Euch, und wir sind an Eurer Seite. Danke, dass Ihr die Wahrheit sagt. Was Ihr getan habt, war wichtig.
Passt auf Euch auf, Ihr seid geliebt und werdet hier gebraucht.“
Die Michigan State Police gab bekannt, dass die Leiche von John Geddert an einem Rastplatz an der Eastbound Interstate 96 in Clinton County, Michigan, um 15:24 Ortszeit gefunden wurde. Es handle sich eindeutig um Selbstmord.
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