Sebastian Kurz - (Foto: Österreichisches Außenministerium)

Pos­ten­schacher, Kor­ruption, Begüns­tigung im Amt, Seil­schaften: Für Öster­reichs Bun­des­kanzler wird es eng

Die Ibiza-Affäre zieht immer weitere Kreise. Erst nach getanem Schaden zeigte sich, dass das Video gegen die FPÖ-Poli­tiker Gudenus und Strache bös­willig und ver­fälscht zusam­men­ge­schnitten war und dass es wie sauer Bier überall zum Kauf ange­boten wurde. Dann sagte der Initiator des Belas­tungs­videos aus, dass der öster­rei­chische Bun­des­kanzler Sebastian Kurz in Koka­in­parties ver­wi­ckelt war, und jetzt wurden im Zuge der Auf­klärung des Ibiza-Videos auch noch Chats gefunden, die zeigen, dass der Kanzler einen ufer­losen Pos­ten­schacher mit seinen Günst­lingen betrieben hat. Nun stehen Straf­an­zeigen im Raum.

Der in Öster­reich spöt­tisch „Wun­der­wutzi“ genannte Sebastian Kurz, konnte sich geschickt ins Kanz­leramt kata­pul­tieren. Er pro­fi­tierte enorm durch den Ibiza-Skandal. Der spätere ÖBAG-Vor­stands­vor­sit­zende Thomas Schmid war in diesen höchst ver­däch­tigen Skandal ver­wi­ckelt. In der Folge beschlag­nahmten die Kor­rup­ti­ons­er­mittler dessen Smart­phone. Herr Schmid hatte zwar vor­sichts­halber sein Handy auf Werks­ein­stellung zurück­ge­setzt, das half aber nicht. Die Fahnder konnten mehr als 300.000 Posts aus der Cloud wie­der­her­stellen. Nun folgt eine belas­tende Ent­hüllung nach der anderen. Die öster­rei­chische Wirt­schafts- und Kor­rup­tions-Staats­an­walt­schaft hat daraus ein 186-sei­tiges Dokument erstellt, das auch dem Sender n‑tv vor­liegt.

Als der gut­aus­se­hende, smarte Jüngling Sebastian Kurz sein hohes Amt antrat, ließ er wissen, dass auch bei den Beset­zungen der hoch­do­tierten Posten in Politik und Wirt­schaft ein fri­scher Wind wehen werde: Schluss mit Par­teibuch-Kar­rieren, mit Seil­schaften, die die wich­tigen Posten besetzen, Schluss mit der Günst­lings­wirt­schaft. Kanzler Kurz erntete überall Büsche von Vor­schuss­lor­beeren. Zu Unrecht. Die Günst­lings­wirt­schaft erreichte unter dem gefei­erten, jungen Schönling unge­ahnte Höhen.

Die Kurz­nach­richten seiner Clique sind allzu ent­larvend. Zwar stiegen die beiden Haupt-Strip­pen­zieher Kanzler Sebastian Kurz und Gernot Blümel und der ÖBAG-Chef Thomas Schmid nun die Kon­se­quenz daraus und tun es vielen Mes­senger-Nutzern nach: Sie steigen auf das abhör­si­chere „Signal“ um – doch das Kind liegt schon im Brunnen. Die SMS-Chats sind den Ermittlern bekannt. So kann es einem gehen, wenn man überall Daten­spei­cherung und Über­wa­chung instal­liert — in dem Glauben, es treffe ja nur die dummen Bürger.

Auf diese Weise fand man also die Chats mit Bot­schaften, wie „Tue es für mich ?“ mit Bussi-Smiley daneben. Kann denn Liebe Sünde sein? Manchmal eben schon. Gernot Blümel wurde Finanz­mi­nister, aber bevor das klappte, hatte er wohl einige Pro­blemchen und bat den Kanzler, mit dem dama­ligen General des Finanz­mi­nis­te­riums zu sprechen.

Ein wei­terer Beifang bei den Ermitt­lungen rund um die Ibiza-Affäre war Thomas Schmid, eben­falls aus dem engsten Kreis um Kanzler Kurz. Dieser verhalf Herrn Schmidt zur Spit­zen­po­sition in der öster­rei­chi­schen Staats­holding ÖBAG, eine Art Staats­ver­mö­gens­fonds, die immerhin über 27 Mil­li­arden Euro Unter­neh­mens­ver­mögen verfügt. Herr Schmid war tech­nisch wohl doch nicht so ver­siert und löschte seine Posts zwar vom Handy, jedoch nicht in der Cloud, wo sie die Ermittler dann fanden.

Auch Finanz­mi­nister Gernot Blümel gehörte zum engeren Kreis und breitete die Arme weit aus und schrieb Schmid: „Du bist Familie“. Damals war die ÖBAG noch die Öbib GmbH, wurde aber dann in eine Akti­en­ge­sell­schaft umge­wandelt, die ÖBAG. Das bot der „Familie“ die Mög­lichkeit, Auf­sichtsräte ein­zu­stellen und damit weitere Klün­gel­posten zu besetzen, die dann brü­derlich Herrn Thomas Schmid zum Häuptling der ÖBAG küren sollten.

Es fehlte aber noch eine Quo­tenfrau für den Auf­sichtsrat der ÖBAG und auch hier fand sich eine gute Lösung:

„Auch da mischt Schmid mit — und infor­miert Sebastian Kurz: Er habe eine Frau gefunden, die passen würde. Sie sei ‚com­pliant‘ und, offenbar wichtig, ‚steu­erbar‘.“ 

Auch diese Dame kam nicht zufällig an den Posten. Der Vater der Auf­sichts­rätin Iris Ortner ist ein Groß­spender der ÖVP.

Die Frank­furter Rund­schau schreibt:

„Schmid selbst ging bereits im Sommer 2018 davon aus, dass er Öbag-Chef werden würde, obwohl der Job noch nicht einmal aus­ge­schrieben war. Er sin­nierte damals aber darüber, dass er den Chauffeur aus dem Finanz­mi­nis­terium mit­nehmen würde und eine Kli­ma­anlage in seinem neuen Büro ein­gebaut werden sollte. Anfang März 2019 bat er Kurz dann per SMS, ihn ‚nicht zu einem Vor­stand ohne Mandate‘ zu machen.“

Kurz schrieb ihm zurück „kriegst eh alles, was du willst ? ? ? “ mit gleich drei Bussi-Smileys. Welche Liebe unter den mäch­tigen Männern! Und so erhält der Wun­der­wutzi-Kanzler auch ent­spre­chende Treue-Posts von Herrn Schmid: „? ? ? Ich bin so glücklich, ich liebe meinen Kanzler ? ? ? ?“.

Über­ra­schung: Nur zwei Wochen später wurde Herr Schmid dann ohne Gegen­stimmen zum ÖBAG-Chef gewählt. Kein Wunder, die Auf­sichtsräte waren zu einem großen Teil seine per­sön­lichen Bekannten, die ihm wie­derum sehr dankbar für die lukrativ dotierten Posten waren. Es geht doch nichts über „Familie“.

Die Chats sind teil­weise schon sehr merk­würdig. So schreibt der öster­rei­chische Wochenblick:

„Und wieder haben es die Chats mit dem nun­meh­rigen Finanz­mi­nister Gernot Blümel in sich: Er müsse das Gesetz, das Grundlage für Schmids Kar­riere-Sprung sein sollte: ‚rasch umsetzen! Das bist du mir echt schuldig!‘, ließ ihn Schmid wissen. Als Schmid ein Gesetz nach Blümels Vor­stel­lungen schrieb, ließ ihn dieser wie­derum wissen: ‚Devote Liebe kann auch nett sein :-)‘. Für Schmid sei diese jedoch laut seiner Antwort eine ‚Neue Erfahrung :-)‘ Doch das war noch gar nicht alles an Drama. Als Schmid – wieder einmal Angst hat, seine Kar­rie­re­pläne könnten scheitern, droht er gegenüber Blümel: ‚Ich stürze mich heute in die Donau und du bist schuld!‘ Der Finanz­mi­nister ent­gegnete nicht minder dra­ma­tisch: ‚Pass auf dass du nicht auf mich drauf springst‘.“

Es wird wohl nicht zu befürchten sein, dass die Herren sich jetzt in die Donau stürzen, auch wenn sie Grund dazu hätten. Wenn etwas zu einem uni­ver­salen Ver­hal­tens­kodex für Poli­tiker geworden ist, dann dass man alles aus­sitzt und für nichts mehr die Ver­ant­wortung über­nimmt. Vor 100 Jahren haben sich Ehren­männer für ihre Untaten noch selbst gerichtet.

O tempora, o mores. Heute gibt man sich — allen Tat­be­weisen zum Trotz – entrüstet:

Sebastian Kurz meinte nun, dass er sich keine Kor­ruption unter­stellen lasse. Erst recht nicht werde er sich das ‚gefallen lassen‘.

Das ist jetzt offenbar all­gemein Kanz­ler­sprech. Auch Frau Bun­des­kanz­lerin Dr. Angela Merkel wischte jeden Vorwurf vom Tisch, dass Lockdown Kinder see­lisch schwer belastet sind und das Home­schooling in vielen Familien aus Zeit- und Geld­gründen gar nicht machbar ist. Nicht jeder kann sich die nötigen Com­puter und den Inter­net­an­schluss leisten. Vielen Kindern werden kaum wie­der­gut­zu­ma­chende Schäden in ihrer Schul­bildung zugefügt und werden bil­dungs­mäßig „abge­hängt“. Viele ver­ein­samen und werden aggressiv oder depressiv. Die häus­liche Gewalt gegen Kinder hat seit den Lock­downs dras­tisch zuge­nommen, wie auch die Selbst­morde unter Teenagern.

Kanz­lerin Merkel wird aus dem Corona-Gipfel mit den Minis­ter­prä­si­den­tInnen der Länder vom 19.1. aktuell mit dem Satz zitiert: “Ich lasse mir nicht anhängen, Kinder zu quälen!