Eugène Delacroix - Le 28 Juillet. La Liberté guidant le peuple (Die Freiheit führt das Volk an). Bild: gemeinfrei

Marine Le Pen – die neue fran­zö­sische Marianne und Präsidentin?

Man wird nervös im Lager des smarten Prä­si­denten Macron. Damals, bei der letzten Wahl in Frank­reich, tauchte er sozu­sagen in letzter Minute auf, wie Deus ex Machina. Gut­aus­sehend, jung, nicht ein­deutig poli­tisch fest­zu­nageln und mit einem mit­rei­ßenden Slogan „La répu­lique en marche“ (die Republik setzt sich in Bewegung) konnte er in quasi letzter Minute noch einen über­wäl­ti­genden Sieg für das heutige „ancien régime“ Frank­reichs erobern. Aber schon damals stand das eta­blierte Par­tei­en­system auf wacke­ligen Füßen. Jetzt könnte es end­gültig kippen. Marine Le Pen, ein Rechts­außen-Underdog, könnte der nächste Prä­sident werden. Und sie betreibt eine geschickte Imagepflege.

Frank­reich geht es nicht gut. Es ging schon nicht gut, als Emmanuel Macron kan­di­dierte. Nur geht es dem Land seitdem noch viel schlechter. Die Pro­teste wurden immer hef­tiger und lauter und zur Hochzeit der Gelb­westen-Pro­teste stand es Spitz auf Knopf, ob der Prä­si­den­ten­palast gestürmt werden würde.

Bei großen Anlässen, wo auch die Armee ihren Auf­tritt hat, bekommen die Sol­daten in ihren Para­de­uni­formen zwar Gewehre zum Prä­sen­tieren, aber es wird vorher kon­trol­liert, dass sie nur ja keine Munition haben. Der Prä­sident fürchtete sich am meisten vor seiner eigenen Garde.

Heute sind die alten Sys­tem­par­teien noch mehr am Ende als bei der letzten Wahl. Generäle der Streit­kräfte haben immer wieder mehr oder weniger offen zu einer Revolte gegen die Regierung und das System auf­ge­rufen, die Stimmung im Land ist aufgeheizt.

Nun platzte eine Bombe in diese ange­spannte Stimmung. Die bri­tische „Dai­lyMail Online“ berichtet, worüber hier in Deutschland kaum etwas zu hören und zu lesen ist:

Waren es vorher ein­zelne hohe Militärs, haben jetzt 20 fran­zö­sische Generäle im Ruhe­stand und 80 aktive Offi­ziere sowie 24.000 Armee­an­ge­hörige wei­terer mili­tä­ri­scher Ränge einen offenen Brief an die Regierung geschrieben, in dem sie vor einem Bür­ger­krieg warnen. Sie kün­digen an, Frank­reich unter eine Mili­tär­re­gierung zu stellen, falls Prä­sident Macron wei­terhin bei der Aufgabe versagt, die „Isla­misten und Kri­mi­nellen daran zu hindern, die Gesell­schaft zu zer­setzen“. Wenn gegen die „Vor­stadt­horden“ nichts unter­nommen werde, sei ein Bür­ger­krieg unver­meidlich und könne nur durch das Militär und eine Mili­tär­re­gierung gestoppt werden. Der Aus­druck „Vor­stadt­horden“ bezieht sich auf die all­gemein bekannte Tat­sache, dass die Zuwan­derer und das Pre­kariat haupt­sächlich in den her­un­ter­ge­kom­menen Wohn­blöcken um die Städte herum leben, was dann oft soge­nannte „No-Go-Zonen“ sind. Ein Bür­ger­krieg zwi­schen den auto­ch­tonen Fran­zosen und den mus­li­mi­schen Zuwan­derern, so der Brief, werde zu Tau­senden Toten führen.

In dem Brief schreiben die Unterzeichner:

„Frank­reich ist in Gefahr. Mehrere töd­liche Gefahren bedrohen es. Auch im Ruhe­stand, sind wir doch Sol­daten Frank­reichs und können unter den gegen­wär­tigen Umständen nicht gleich­gültig zusehen, wenn es um das Schicksal unseres schönen Landes geht.“

Der Brand­brief stößt auf große Sym­pathie bei der aktiven Armee und in weiten Teilen der Bevöl­kerung. Zum Schrecken des Prä­si­denten hat sich nun auch noch der Bür­ger­meister von Paris hinter den Brief der Militärs gestellt.

Der Ver­tei­di­gungs­mi­nister, Frau Flo­rence Parly, nannte den Brief eine „inak­zep­table Aktion“ und sie setzte hinzu, dass die aktiven Offi­ziere, die diesen Brief unter­schrieben haben, eine Dis­zi­pli­nar­strafe erwarte. Der Brief ver­letze unter anderem das Gebot der Armee, poli­tisch neutral zu bleiben. Ver­tei­di­gungs­mi­nister Parly setzte hinzu, sie habe den obersten Befehls­haber instruiert, die „Auf­rührer“ in der Armee zu dis­zi­pli­nieren. Den aktiven Militärs drohe Gefängnis und den Ruhe­ständlern der Entzug ihrer Alters­bezüge.

Prä­sident Emmanuel Macron drohte eben­falls mit harter Bestrafung der Unter­zeichner des Briefes, dürfte sich aber darüber im Klaren sein, dass er dann Gefahr läuft, tat­sächlich einen Mili­tär­putsch los­zu­treten. Auch die Links­partei ver­ur­teilte diesen Brief aufs Schärfste.

Beifall erhielten die Ver­fasser und Unter­zeichner des Brand­briefen hin­gegen von dem Vor­sit­zenden der rechten Partei, Frau Marine Le Pen. Sie lud die Militärs ein, an der kom­menden Schlacht, der Schlacht um Frank­reich, an ihrer Seite zu kämpfen, wie sie in einem Ant­wort­brief schrieb.

Marine Le Pen weiß, dass sie mit ihrem Kurs den Rückhalt der Natio­na­listen, Kon­ser­va­tiven und Rechten hat. Dort begrüßt man diesen Brief von „Patrioten, wie General Pierre de Vil­liers“, dem ehe­ma­ligen Ober­be­fehls­haber der fran­zö­si­schen Streit­mächte. Und sie weiß natürlich auch, dass die Brief­schreiber breiten Rückhalt in der Streit­macht haben. Überdies wird in besagtem Brief klar aus­ge­drückt, dass Poli­tiker, die die Sicherheit der Nation ver­tei­digen wollen, auf die Unter­stützung und Rücken­de­ckung der Armee zählen können. Deut­licher geht es kaum.

Hier bedient Marine Le Pen die natio­nalen und patrio­ti­schen Wähler sowie auch die immer noch sehr aktive Szene der Gelb­westen, in deren Reihen viele pen­sio­nierte und aktive Militärs enga­giert sind.

Aber die Frontfrau der „Natio­nalen Sammlung“ (Ras­sem­blement National) hat ihre Lek­tionen gelernt. Ihre ableh­nende Haltung gegen den Euro hatte sie beim letzten Wahl­kampf Stimmen gekostet. Sie hatte Dinge gesagt, die Macron ihr als Inkom­petenz und man­gelnde Kenntnis der außen­po­li­ti­schen und finanz­po­li­ti­schen Ver­hält­nisse aus­legen konnte. Marine Le Pen hat sich ein neues Image zugelegt, das sowohl die Patrioten als auch den kon­ser­va­tiven Main­stream anspricht.

Wie Bloomberg erstaunt fest­stellt, erhält sie jetzt Unter­stützung von Frauen, jungen Leuten, Homo­se­xu­ellen (die auch in Frank­reich mitt­ler­weile fest­stellen dass strenge Muslime über­haupt keine Sym­pa­thien für Homo­se­xuelle hegen) und Juden (die eben­falls zu den Ver­lierern einer Isla­mi­sierung gehören würden). Gleich­zeitig lobt Le Pen aber auch die inte­grierten Muslime und zieht sie eben­falls auf ihre Seite. Die jüngsten Umfragen sehen Macrons Vor­sprung stetig schwinden.

Eine Umfrage von  „Harris Inter­active“ stellte fest, dass 58% der Befragten die Posi­tionen des offenen Briefes der Militärs unter­stützen. Das Ergebnis ist nicht eben eine Beru­higung für den Elysée-Palast. Denn diese Unter­stützung dürfte fast 1:1 auch für Marine Le Pen gelten. Dass die Koalition aus Rechten und Kon­ser­va­tiven stärker als je zuvor ist, ist kein Geheimnis mehr. Und noch einmal wird der Coup mit einem jungen, hüb­schen Quer­ein­steiger der auf „fri­schen Wind“ und volksnah macht, nicht mehr ver­fangen. Macron war der eine Joker, den das Estab­lishment im Ärmel hatte. Er erschien zur rich­tigen Zeit als Messias und hat abgewirtschaftet.

Der bri­tische Guardian sieht zwar nicht gerade die Gefahr eines Mili­tär­put­sches vor der Tür, aber einen Rechts­außen-Prä­si­denten namens Marine Le Pen als durchaus möglich. Gegen alle Insider, die behaupten, Macron schafft noch eine zweite Amtszeit, sieht der Guardian eine reelle Chance, dass Le Pen mit einer knappen Mehrheit gewinnt. Und das würde, so der Guardian, ein Don­ner­schlag für die Welt sein.