Der Über­wa­chungs­staat wuchert: Login-Fallen im Internet sollen „Hetzer“ identifizieren

Der große Bruder schläft nicht. Nachdem die „Hassrede“ als Straf­tat­be­stand in das Denken der Bürger implan­tiert worden ist, werden jetzt die Werk­zeuge zur Ding­fest­ma­chung im Netz geschliffen. Nicht, dass hier echten Dro­hungen, bös­ar­tigen Hetzern und lüg­ne­ri­schen Ver­leumdern das Wort geredet werden soll. Nur wird die „Hassrede“ mitt­ler­weile infla­tionär für alles, was poli­tisch nicht korrekt ist, bemüht. Von ein­fachen Unver­schämt­heiten über Kritik an LBQT bis zu harm­losen Witzen über bei­spiels­weise ein bestimmtes, großes, asia­ti­sches Volk, das angeblich kein „R“ sprechen kann, ist alles Mög­liche schon strafbar, was vor zehn Jahren noch nie­manden auf­geregt hat. Und die­je­nigen, die sich als Schaum­krönchen des PC-Zeit­geistes fühlen, denun­zieren gern im Hoch­gefühl ihrer Rechtschaffenheit.

Sogar zornige Kritik an den über­zo­genen Covid-Ein­däm­mungs­maß­nahmen fällt schon dar­unter. „Die Pan­demie ist ganz offen­sichtlich ein Nähr­boden für extre­mis­tische Ver­schwö­rungs­ideo­logien und für Hass und Hetze. Das sind keine Hirn­ge­spinste, sondern eine neue Gefähr­dungslage warnt der Vor­sit­zende der Innen­mi­nis­ter­kon­ferenz Thomas Strobl. Der normale, fried­liche Bürger ver­liert so langsam die Über­sicht über all die neuen Gefähr­dungs­lagen, die selbst­ver­ständlich alle eine weitere Ein­schränkung seiner Frei­heiten und Rechte dringend erfor­derlich machen. Hassrede, Ter­ro­rismus, Kli­ma­wandel, Corona, Kin­der­porno, Ban­den­kri­mi­na­lität, Ras­sismus, Anti­se­mi­tismus, Frem­den­feind­lichkeit … all das muss ent­schieden bekämpft werden und dazu müssen halt diese und jene und noch mehr Beschrän­kungen, Über­wa­chung und Strafen her. Und der Bürger ver­sucht, sich noch irgendwie durch sein Leben zu wursteln, wie eine Ratte im Laby­rinth der Maß­re­ge­lungen und Überwachungen.

Nun soll es also auch noch eine Iden­ti­fi­zie­rungs­pflicht in sozialen Netz­werken geben, damit auch niemand durch die Maschen der Über­wa­chung schlüpfen kann. Das ist im Prinzip eine Aus­weis­pflicht durch die Hin­tertür. Bun­des­in­nen­mi­nister, Herr Horst See­hofer, hatte das ja mit der Novelle des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­setzes schon ver­sucht, aber eine Online-Aus­weis­pflicht sollte nicht kommen, Voilá, da kommt sie im Prinzip eben doch.

Die Innen­mi­nister der deut­schen Bun­des­länder haben sich bei ihrer Früh­jahrs­kon­ferenz vor ein paar Tagen nun darauf geeinigt, eine „Login-Falle“ zur Iden­ti­fi­zierung „anonymer Hetzer“ ein­zu­führen. Um diese zu erwi­schen und ihrer Strafe zuzu­führen, müssen die Anbieter Sozialer Netz­werke eng mit der Polizei koope­rieren. Sie müssen die IP-Adressen des anonymen Hetzers ermitteln, sobald dieser sich wieder auf dem Netzwerk anmeldet.

Das pas­siert dann, wenn es Beschwerden anderer Nutzer gibt oder der Pro­vider selbst solche Hass­pos­tings meldet. Beim nächsten Login der frag­lichen IP-Adresse schnappt die Falle zu. Die Polizei erhält die IP-Adresse, kann diese mit den Bestands­daten der Pro­vider abgleichen und dann hat man den Übeltäter.

Meistens jeden­falls. Es sind aber, so moniert Herr Pis­torius, leider noch nicht samt und sonders alle Platt­formen vom NetzDG erfasst. In der Bun­des­pres­se­kon­ferenz sagte Herr Pistorius:

„Leider gibt es auch 2021 noch keine ver­läss­lichen Werk­zeuge, um Ver­fasser straf­be­währter Hetze ver­lässlich ermitteln zu können. Wir wollen ent­spre­chend des Beschlusses gemeinsam daran arbeiten, das zu ändern. Das NetzDG umfasst nicht alle Bereiche und nicht alle gän­gigen Platt­formen. Auch die Iden­ti­fi­zierung von ein­zelnen Nutzern ist nach wie vor schwierig. Wir befür­worten darum eine Iden­ti­fi­zie­rungs­pflicht, aber – um das noch einmal klar­zu­stellen — keine Klar­namen-Pflicht. Eine weitere Mög­lichkeit, die auch ohne die Iden­ti­fi­zie­rungs­pflicht greifen würden, wären soge­nannte ‚LOGIN-Fallen‘.“

Es gibt also noch freie Bereiche, in denen man relativ unan­ge­fochten äußern kann, was man will, ohne ver­haftet zu werden. Das kann nicht angehen, mäkelt der nie­der­säch­sische Innen­mi­nister Boris Pis­torius (SPD). Man werde zu diesem Behufe „mög­liche weitere Schritte“ dis­ku­tieren. Wer hätte das gedacht. So heißt es bei­spiels­weise in den Bericht aus der Innen­mi­nis­ter­kon­ferenz:

„Die Mög­lich­keiten der Digi­ta­li­sierung und die Grenzen des Daten­schutzes sind unter dem Blick­winkel des Kri­sen­ma­nage­ments zu beleuchten. Dazu gehört der Aufbau eines intel­li­genten, grenz­über­grei­fenden und inter­na­tio­nalen Früh­warn­systems, auf dessen Grundlage Hand­lungs­bedarf ent­spre­chend abge­leitet werden kann und das mit einem 360-Grad-Lagebild wie ein ganz­heit­liches Radar­gerät funktioniert.“

Hier wird ziemlich deutlich, dass der gefeierte Daten­schutz weit­gehend vom Staat aus­ge­hebelt  wird, denn es ist ja Krise, und „die nächste Krise kommt bestimmt“.  Dazu gibt es dann das „360-Grad Lagebild“ … Welch schöne Umschreibung für eine globale Totalüberwachung.

Dass es der Politik extrem wichtig ist, jeg­liche Kritik an den Corona-Ein­däm­mungs­maß­nahmen mit diesen Über­wa­chungs- und Zen­sur­maß­nahmen abzu­würgen, wird auch in der Bun­des­pres­se­kon­ferenz deutlich. Der Staat, seine Ein­rich­tungen und Insti­tu­tionen dürfen nicht in Frage gestellt werden, meint Herr Strobl. Warum nicht? Leben wir nicht in einer Demo­kratie, wo das Volk, also die Bürger, der Sou­verän ist und ange­sichts der vielen Skandale von Poli­tikern und Insti­tu­tionen durchaus Grund hat, Fragen zu stellen?

Offen­sichtlich darf er nicht. Seit Ende April dieses Jahres, teilt Herr Strobl mit, gibt es im Ver­fas­sungs­schutz­verbund einen neuen „Phä­no­men­be­reich“, der sich bun­desweit mit Orga­ni­sa­tionen und Grup­pie­rungen beschäftigt, die das Ziel ver­folgen, den Staat und seine Ein­rich­tungen bzw. Insti­tu­tionen in Frage zu stellen.

Noch so ein Gebiet, das die Über­wa­chung und Zensur zu bear­beiten hat, noch eine weitere Ver­engung der Laby­rinth­gänge für die kleine Ratte „Bürger“.  Und das ist noch lange nicht alles, dürfen wir lernen. Denn, so heißt es aus der Innenministerkonferenz:

„Die Corona-Pan­demie ist die hef­tigste Gesund­heits- aber auch Wirtschafts‑, Gesell­schafts- und Kul­tur­krise seit der Nach­kriegszeit. Deutschland ist relativ gut durch diese Krise gekommen. Aber es gab Rück­schläge und eine Pan­demie kann sich in einer glo­balen Gesell­schaft jederzeit wie­der­holen. Der Kli­ma­wandel bringt neue Her­aus­for­de­rungen. Die zuneh­mende Digi­ta­li­sierung macht uns ver­wundbar. Kurz: Die nächste Krise kommt bestimmt. Wir werden uns künftig auf kom­plexere Gefah­ren­lagen ein­stellen müssen. Wir müssen uns besser darauf ein­stellen, außer­ge­wöhn­liche Ereig­nisse mit unkon­ven­tio­nellen Mitteln in pro­fes­sio­nellen Struk­turen zu bewältigen!“

Die nächste Krise kommt bestimmt, und wir haben gelernt, dass die Politik bestimmt, was eine Krise ist. „Kom­plexere Gefah­ren­lagen“ ist ein schöner Aus­druck, der uns schon ankündigt, dass die Minen­felder für uns Bürger noch unüber­sicht­licher, noch größer und noch dichter bestückt werden. Wir werden uns nir­gends mehr sicher fühlen, noch weniger dürfen, noch mehr müssen und immer schön auf­passen, dass wir nicht in irgendeine der Zensur- und Über­wa­chungs­fallen tappen, ohne es zu ahnen. Denn die Politik hat vor, mit „unkon­ven­tio­nellen Mitteln“ (außerhalb des gesetz­lichen Hand­lun­ges­rahmens?) in „pro­fes­sio­nellen Struk­turen“ (neue Geheim­dienste? Para­mi­li­tä­rische Spe­zi­al­ein­heiten?) gegen alles vor­zu­gehen, was sie als „Gefah­renlage“ definiert.

Login-Fallen sind erst der Anfang.