Mil­li­ar­den­facher Insek­tentod an Windrädern

Der Rückgang land­le­bender Insekten ist ein glo­bales Phä­nomen mit sehr unter­schied­lichen regio­nalen Aus­prä­gungen. Das ergab eine von einem inter­na­tio­nalen For­scherteam am Deut­schen Zen-trum für inte­grative Bio­di­ver­si­täts­for­schung Halle-Jena-Leipzig, der Uni­ver­sität Leipzig und der Martin-Luther-Uni­ver­sität Halle-Wit­tenberg durch­ge­führte Meta­studie, die bereits im April letzten Jahres ver­öf­fent­licht wurde.

Dabei wurden erstmals Daten aus 1676 Orten weltweit aus­ge­wertet, um Ver­än­de­rungen der Insek­ten­zahlen, nicht der Arten, zu unter­suchen. Die Daten wurden zwi­schen 1925 und 2018 erhoben. Die Analyse ergab einen Rückgang der land­le­benden Insekten um jährlich 0,92 Prozent, was einem Rückgang von 24 Prozent innerhalb der letzten drei Jahr­zehnte entspricht.

Dagegen stieg die Zahl der Was­ser­in­sekten wie Libellen und Köcher­fliegen zuletzt um 1,08 Prozent pro Jahr. Das wird auf Gewäs­ser­schutz­maß­nahmen zurückgeführt.

Seit dem Ende des Zweiten Welt­kriegs und zunehmend seit 2005 werden die stärksten Rück­gänge der Insekten für Teile der USA und Europas ver­zeichnet, und zwar vor allem für Deutschland. Der stärkste Rückgang wurde bei flie­genden Insekten wie Schmet­ter­lingen, Wild­bienen und Schweb­fliegen beob­achtet, die bei der Bestäubung vieler Pflanzen einen wich­tigen Beitrag leisten. Vom Insek­ten­schwund unmit­telbar betroffen sind insek­ten­fres­sende Vögel.

Ein­deutige Studie des DLR

Ohne Insekten würden die Öko­systeme zusam­men­brechen, und die Erde wäre unbe­wohnbar für Men­schen. Die wesent­lichen Ursachen für diese dra­ma­tische Ent­wicklung sind bekannt: die intensive Land­wirt­schaft mit Über­düngung und hohem Pes­ti­zid­einsatz, die Zer­störung von Lebens­räumen durch Boden­ver­sie­gelung sowie nach neuerer Erkenntnis auch die soge­nannte Licht­ver­schmutzung bei Nacht in den Städten. Da die meisten Insekten nacht­aktiv sind, lassen schät­zungs­weise eine Mil­liarde Insekten ihr Leben in einer ein­zigen Som­mer­nacht an Deutsch­lands Licht­quellen. Allen Fak­toren ist gemein, dass sie mit den Akti­vi­täten des Men­schen zusammenhängen.

Durch eine 2019 ver­öf­fent­lichte Studie von For­schern des Deut­schen Zen­trums für Luft- und Raum­fahrt (DLR) ist als wei­terer Faktor des Insek­ten­sterbens die Wech­sel­wirkung von Flug­in­sekten und Wind­tur­binen bekannt geworden.

Eine Modell­rechnung führte zur Annahme, dass die Grö­ßen­ordnung der von Wind­tur­binen geschla­genen Flug­in­sekten relevant für die gesamte Insek­ten­po­pu­lation sein könnte. Die For­scher emp­fahlen, die Ver­luste näher zu unter­suchen. Anlass der Studie waren die Über­reste von Flug­in­sekten an Rotor­blättern, die zu hohen Ein­bußen beim Wir­kungsgrad der Wind­kraft­an­lagen führen können und die Ent­stehung einer Rei­ni­gungs­in­dustrie für Rotor­blätter zur Folge hatten. Der Zusam­men­prall der Flug­in­sekten mit den bis zu 60 Meter langen Rotor­flügeln und ihre töd­liche Ver­wir­belung durch die arbei­tenden Tur­binen geschieht während der Wan­derbalz der Insekten. Dabei nutzen Insekten starke, gleich­mäßige Luft­strö­mungen in Höhen bis zu 2000 Meter gleichsam als Fahr­stuhl, um zur Eiablage in ihre Brut­ge­biete zu gelangen. Wis­sen­schaftler bezeichnen diese Schicht als „Insek­ten­mi­gra­ti­ons­schicht“. Dieser wichtige Lebensraum wird auch von Vögeln und Fle­der­mäusen genutzt. Durch den mil­li­ar­den­fachen Insek­tentod an Wind­rädern kurz vor der Eiablage könnten sich expo­nen­tielle Ver­lust­raten für die Insekten ergeben.

Kein Ver­träg­lich­keits­nachweis

Es ist bezeichnend, dass das alar­mie­rende Ergebnis der Studie in den Medien sogleich viel­stimmig zer­redet wurde. Auch im Maß­nah­men­paket des Bun­des­um­welt­mi­nis­te­riums zur Rettung der Insekten vom letzten Oktober ist der Insek­ten­schlag durch Wind­tur­binen nicht berück­sichtigt worden, was der Umwelt­mi­nis­terin Svenja Schulze (SPD) schwer anzu­lasten ist. For­scher beklagen, dass es immer noch keinen Ver­träg­lich­keits­nachweis von Wind­an­lagen gegenüber Flug­in­sekten gibt. Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wild­tier­for­schung, Berlin, hat in einem im Januar ver­öf­fent­lichten Aufsatz darauf auf­merksam gemacht, dass Scheim­pflug-Lidar­mes­sungen bei arbei­tenden Wind­rädern eine hohe Insek­ten­ak­ti­vität in der Risi­kozone der Tur­binen bestä­tigen. Seine For­de­rungen an die Politik: Wir müssen ver­stehen, wie die Anziehung der Insekten durch Wind­räder wirkt, des­gleichen die Inter­ak­tionen von Insek­ten­fressern, Vögeln und Fle­der­mäusen, mit Wind­tur­binen. Wir müssen ferner die Schlag­raten von Insekten durch Wind­räder mit Bezugs­größen in Ver­bindung bringen, um zu ermitteln, wie stark diese zum Nie­dergang der Insek­ten­po­pu­la­tionen bei­tragen. Und wir brauchen Erkenntnis darüber, in welchem Umfang die Insek­ten­ver­luste durch Wind­räder zur Ver­än­derung der Öko­systeme beitragen.

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)*  Anmerkung der EIKE-Redaktion :

Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preu­ßi­schen All­ge­meinen Zeitung;  4. Juni 2021, S.4; EIKE dankt der PAZ-Redaktion sowie der Autorin Dagmar Jes­trzemski  für die Gestattung der unge­kürzten Über­nahme, wie schon bei frü­heren Artikeln :   https://www.preussische-allgemeine.de/ ; Her­vor­he­bungen im Text: EIKE-Redaktion.


Quelle: eike-klima-energie.eu