Nichts scheint den notorischen Karl Lauterbach mehr zu erschrecken, als die Aussicht auf das Ende der Corona-Krise. Er hat sich an seine zahllosen Talkshow-Auftritte gewöhnt wie an eine Droge und fürchtet nun Entzugserscheinungen, wenn die nicht mehr in der gewohnten Häufigkeit stattfinden. Deshalb macht er immer wieder per Twitter mit Panik-Szenarien auf sich aufmerksam. Das neueste ist die Warnung vor der „Deltavariante“ des Virus, die bereits in Indien wütet und schon Großbritannien erreicht hat.
Zwar musste Lauterbach einräumen, dass die Saisonalität der Deltavariante viel ausgeprägter ist, d.h. das Risiko, sich im Sommer anzustecken, viel geringer sei als ursprünglich angenommen. Problematisch sei sie trotzdem, weil sie angeblich deutlich ansteckender wäre. Außerdem führe sie zu einem schwereren Verlauf und sei zum Teil resistent gegen die Impfung. Das liest sich wie seine Einlassungen zu den Mutanten, die uns zu Beginn dieses Jahres heimgesucht haben, sich aber in der Realität nicht nach Lauterbachs Horror-Szenario richteten. Die Infektionszahlen sanken stetig und die Intensivbettenkrise entpuppte sich als Fake, wie jüngst auch vom Bundesrechnungshof festgestellt wurde. Letzterer, das kann man nicht oft genug wiederholen, vermisst mindestens 6000 Intensivbetten, die nach staatlichen Zuschüssen in den Krankenhäusern hätten eingerichtet werden müssen.
Die Pandemie ist längst zur Endemie mutiert, aber die „Schutzmaßnahmen“ erweisen sich als hartnäckiger als das Virus. Der Maskenzwang wird nicht, oder nur zögerlich gelockert. Immerhin braucht man in den öffentlichen Verkehrsmitteln keine FFP2-Maske mehr. Es reicht eine medizinische.
Der Versuch der Politik, an Corona festzuhalten, koste, was es wolle, ist unser größtes Problem. Nun sollen die Kinder dran glauben. Schon seit Wochen macht die Politik Druck auf die Staatliche Impfkommission, Impfungen für Kinder zu empfehlen. Die hat sich aus guten Gründen dafür nicht hergegeben. Sie befürwortet lediglich Impfungen von Kindern und Jugendlichen mit Vorerkrankungen. Trotzdem will die Politik ein „Impfangebot“ für Kinder ab 12 Jahren machen und setzt die Eltern unter öffentlichen Druck, dieses „Angebot“ nicht abzulehnen.
Auch Lauterbach hat sich mehrmals zur angeblichen Notwendigkeit, Kinder zu impfen, geäußert. Die „Deltavariante“ ist sein neuestes Argument.
„Gerade bei der Deltavariante haben wir in England gesehen, dass von den infizierten Kindern ein Prozent so schwer erkranken, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Das ist keine Kleinigkeit“, sagte er im RBB.
Aber auch auf anderen Kanälen wird Druck auf die Eltern gemacht. So veröffentlichte die „Thüringer Allgemeine“ einen Beitrag, in dem der Jenaer Medizinethiker Nikolaus Knoepfler zu Corona-Impfungen für Kinder befragt wird. Das Interview ist ein Beispiel dafür, wie Wissenschaftler der Politik zu Diensten sein wollen, auch wenn sie offenbar wissen, dass die politischen Vorhaben bestenfalls nutzlos, schlimmstenfalls kontraproduktiv sind.
Auf die Frage, wie er die Ablehnung der Stiko, gesunde Kinder zu impfen, bewertet, antwortet Knoepfler, dies sei ein kluger Mittelweg, denn Kinder seien besonders verletzlich und man dürfe sie keinen unnötigen Risiken aussetzen. Kindern bringe eine Impfung in einem bestimmten Alter kaum etwas. Die Furcht vor einer vierten Welle wäre kein hinreichender Grund. Es gäbe Anzeichen, dass die Pandemie ohne diese Maßnahmen in den Griff zu bekommen sei.
So weit, so gut. Leider verwässert Knoepfler umgehend seine eigene Aussage, indem er auf die Frage, ob die Politik aus der Entscheidung der Impfkommission Konsequenzen ziehen müsse, meint, die Politik könne nach wie vor sagen, dass diese Impfungen wünschenswert seien, als „solidarischer Akt für die Gesellschaft“. Damit sind alle Eltern, die sich gegen die Impfung ihrer Kinder entscheiden, als unsolidarisch abgestempelt. Die Eltern sollen eine „Risikoabwägung“ treffen, obwohl sie das Risiko einer Impfung nicht kennen, denn es gibt bislang keine öffentlichkeitswirksamen Studien, die man einsehen könnte.
Das Angebot der Thüringer Regierung, alle Kinder bis September impfen zu lassen, bewertet Knoepfler als „fair“. Man solle nur nicht mit dem gesundheitlichen Nutzen für die Kinder argumentieren, der bisher nicht erwiesen ist, sondern mit der Verhinderung von Schulschließungen. Das ist, Verzeihung, perfide, denn die Eltern, die in den letzten Monaten mit Heimunterricht, für den sie nicht ausgebildet sind, belastet, wenn nicht gar überfordert waren, wird jetzt gesagt, dass sie dieser Zumutung nur entkommen, wenn sie ihre Kinder einem medizinischen Experiment mit ungewissem Ausgang aussetzen.
Wenn dieses Interview in Weißrussland erschienen wäre, hätte es einen Aufschrei in unseren Medien gegeben.
Im Dezember galt das Wort der Leopoldina als hinreichender Grund für einen Monate währenden Lockdown mit bisher nicht erforschten wirtschaftlichen, sozialen und psychologischen Folgen, die Stellungnahme der Stiko dagegen wird als bloße „Empfehlung“ herabgestuft, weil sie den Politikern nicht in den Kram passt.
Wer übernimmt die Verantwortung, wenn sich herausstellen sollte, dass die Impfungen mehr Schaden anrichten als sie nutzen? Wenn es gravierende Impffolgeschäden bei Kindern, oder gar Todesfälle gibt? Kein Politiker und kein Experte, denn die haben die Entscheidung auf die Eltern abgewälzt. Sozusagen macht die Politik ein Angebot, das die Eltern nicht ablehnen sollen. Mit den möglichen Folgen müssen sie allerdings allein klarkommen.
Vera Lengsfeld — Erstveröffentlichung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de
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