Bevor Sie fragen, liebe Leser: nein, das ist keine verspätete Rezension für einen Filmklassiker, sondern der ironische begeisterte Bericht über die Fühlungnahme des ZDF mit der dunklen Seite seiner Beitragszahler, dem Homo Germanicus Ungeimpftus. Vermutlich hat die Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrich-Preises an Jan Böhmermann dazu geführt. Sie wissen schon, der ZDF Mörderator, diese dichterische Edelfeder, die sich mit keiner Sache gemein macht, nicht mal mit einer guten… sowas verpflichtet natürlich den ganzen Sender zu Sorgfalt und Neutralität. Deshalb fühlt man sich beim ZDF nun ganz besonders der wunderbunten Vielfalt der Meinungen verpflichtet, geht auf Impfverweigerer zu und will sie verstehen, statt sie pauschal als bildungsfernen Esotherikerabschaum und unsolidarisch gegenüber dem „Volkskörper“ zu verunglimpfen.
Unter dem Titel „Geimpft vs. Ungeimpft: Die Debatte um die Corona-Impfung“ erstellte ZDF-zoomIN eine 13 Minuten lange Kurzdoku und begibt sich auf die Pirsch, das scheue Reh „Impfgegner“ nach seinen Motiven auszufragen. Wir pirschen mal mit.
Schon bei Sekunde drei sind alle Pflöcke eingeschlagen. Das Wort „Freiheit“ wabert um den Kopf der Nochkanzlerin (siehe Titelbild) und im Ohr hallen ihre Worte „Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein.“ Wir sind also nicht frei – was ich bestätigen kann – und die Impfung mache uns frei – was ich nicht bestätigen kann, aber bezweifle. Von Gesundheit ist erst mal nicht die Rede, überhaupt ist in diesem Video sehr wenig von Gesundheit die Rede.
Dem Appell „Lassen sie sich IMPFEN“ (das letzte Wort müssen sie sich blinkend vorstellen) seien bisher zu wenig Menschen gefolgt, tönt es aus der Politosphäre. Es folgen Panikbegriffe wie „vierte Welle“, „fulminanter Verlauf im Herbst“ und die zoomIN-Redakteurin Luisa Houben wird nun gleich auf die Ungeimpften losgelassen. „Wenn du zum Impfverweigerer gehst, vergiss dein Büchlein nicht“ wusste schon Nietzsche und wir machen uns natürlich Sorgen um Luisas (warum heißen die nur alle so) Sicherheit. Doch die wedelt mutig mit ihrem gelben Heft und wir sind beruhigt: sie ist geimpft! Dann kann es ja losgehen.
„Ist es eine freie Entscheidung des Einzelnen oder eine Frage der Solidarität?“ fragt die Stimme aus dem Off. Die antwortende Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle trifft den Kern nur halb, wenn sie von einem zunehmend gehässigen Ton spricht, der in Sachen Impfung von beiden Seiten ausgeht. Das mag zwar stimmen, denn nicht nur die Fraktion „Eins-zwei-drei-vier-Eckstein, alles muss geimpft sein“ befleißigt sich einer vor Gewaltandrohungen nur so strotzenden Sprache. Dummerweise hat jedoch nur eine der beiden „Seiten“ die Macht, ihre Gewaltphantasien in praktische Politik umzusetzen oder habe ich verpasst, dass ein Bundesland verfügt hat, Geimpften den Zutritt zu Supermärkten zu verwehren oder die Impfung statt der Tests kostenpflichtig gemacht hätte? Der Film tut so, als gäbe es hier so etwas wie Fair Play und „möge das bessere Argument gewinnen“. Wenn Houben also behauptet, sie wolle wissen, wie „wir gemeinsam mit diesem Konflikt besser umgehen können“, nimmt ihr das keiner ab. Am wenigsten die Zuschauer, wie die YouTube-Bewertungen belegen.
Die Mainzer Weinbar…
Nun folgt die perfideste Szene im Film, dabei erscheint sie so menschelnd und Mitleid heischend. Alex, einen sehr junger Mann, der in einer Mainzer Weinbar gerade mit Vorbereitungen des Lokals für den Abend beschäftig ist, habe die Pandemie hart getroffen, so der Film. „Als der Lockdown kam, hatte er gerade seine Ausbildung zum Sommelier begonnen. Dafür hatte er auf Teilzeit reduziert“. Alex hatte nicht arbeiten können, als der Lockdown kam und die staatlichen Hilfszahlungen bezogen sich nur auf die Höhe der reduzierten Teilzeitstelle. Er musste einen Kredit aufnehmen. Das ZDF ordnet ein: „käme es hart auf hart und die Gastronomie müsste wegen steigender Coronazahlen wieder schließen…Alex könnte sich das nicht leisten.“ Zeit für die Anklage, durchgeimpfter Alex: „Ich finde, das ist auf jeden Fall eine Frage der Solidarität, weil’s eben nicht nur ums eigene Wohl geht, sondern das Gemeinschaftswohl“. Wie kannst du das dem Alex nur antun, Ungeimpfter!
Doch Moment mal, nehmen wir diese Filmsequenz kurz unter die Lupe. „Als der Lockdown kam“? Wie kam der denn? Wie eine Flut, ein Stromschlag, die Schwiegermutter? Oder wurde der Lockdown nicht vielmehr per Ukas von einigen Politikern am Parlament vorbei verhängt wie eine standrechtliche Erschießung? Und war der Lockdown gerade für viele in der Gastronomie nicht genau das, die Todesstrafe? Und zwar nachdem sie zuvor mit absurd teuren Schutzmaßnahmen alles unternommen hatten, um die Übertragungswege des Virus aus ihren Häusern fernzuhalten, wie ihnen die Politik befohlen hatte? Hat Alex das vergessen? Verdrängt? Impfnebenwirkung? Hat dieser kleine Club aus Ministern, Ministerpräsidenten und der Fürstin der Finsternis nicht zuvor erklärt, dass ihr alle, ihr Köche, Kellner, Wirte, Hoteliers und Sommeliers nicht wichtig, sondern verzichtbar, nicht essenziell, ein Luxus, ein Versteck für das Virus seid und euch nach Hause geschickt, wo ihr abends um sechs auf die Balkone treten und den wirklich wichtigen Menschen applaudieren solltet?
Zu behaupten, der Lockdown „kam“ ist so falsch wie zu sagen, in der französischen Revolution sei die Guillotine gekommen. Man konnte und kann sie wieder benennen, die Kopfabschneider. Während der Schreckensherrschaft war es nicht der dreieckige Stahl der mordete, den bediente in Paris der Henker Sanson, der Urteile vollstreckte, die die Unterschrift René-François Dumas, des Präsidenten des Revolutionstribunals trugen. Dessen Vollmacht wiederum speiste sich aus den versponnenen Träumen und sehr realen Erlassen Robespierres und seiner Freunde.
Auch der Lockdown wurde verhängt und exekutiert. Nicht von Ungeimpften, sondern von der Politik und den staatlichen Organen, die jeden noch so offensichtlichen Grundrechtsbruch mit einem schulterzuckenden „es ist halt Notstand“ ausführten. Das ZDF nimmt die Zeugen der Hinrichtung der Gastronomie als moralische Geisel für weitere, angedrohte Grausamkeiten. Wer wird Schuld sein, wenn der nächste Lockdown „kommt“, na? Da kommen Sie wohl selbst drauf, liebe Leser!
Alex, wach auf! Dass Du nun einen Kredit an der Backe hast, ist nicht die Schuld der Ungeimften, sondern das Ergebnis staatlicher Wissensanmaßung und Willkür. Das ZDF bringt dich nun dazu, deinem Kerkermeister die Hände zu küssen und die Schuld an deinem Elend an den Zellengenossen neben dir weiterzureichen. Weil der seine Medizin nicht nehme, gehe es dir dreckig. So unsolidarisch, diese Umgeimpften! Doch wenn Alex vollständig geimpft ist, warum ist er dann nicht frei? Wieso lässt er sich bedrohen und mit den Epidemien von übermorgen einschüchtern, vor denen er doch geschützt sein soll?
Der Ungeimpfte, das scheue Wesen
Die Fühlung mit dem Feind gestaltet sich schwierig für das ZDF. Der öffentliche Pranger ist kein Ersatz für den unerreichbaren Mallorca-Urlaub. Stattdessen zunächst anonyme Zitate, die vor allem eines zeigen: die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen, treibt in die soziale und mediale Isolation. Das ZDF interpretiert das jedoch so: „Es scheint weniger um wissenschaftliche Fakten zu gehen, als um Gefühle.“ Wir lernen: Gefühle sind voll das Ding und unverletzlich und auch nicht mit Fakten zu hinterfragen, wenn es um Gender und jede Art gefühlter, echter oder vorgeschobener Diskriminierung geht. Wer sich hingegen nicht den Covid-Schuss verpassen lässt, der hat es einfach nicht so mit wissenschaftlichen Fakten oder der verlangten Solidarität, dem mangele es an der richtigen Haltung. Ist eigentlich schon jemand auf die Idee gekommen, die schmelzende Zahl der Ungeimpften unter Minderheitenschutz zu stellen und mit Beauftragten, Quoten und Fördergeldern auszustatten?
Die sind offenbar so selten, dass das ZDF selbst vor einem Testzentrum, dem natürlichen Lebensraum von Ungeimpften, zunächst nur auf einen Halbgeimpften trifft, bevor endlich ein Prachtexemplar (Angst, kein Vertrauen mehr in die Regierung, unsicher, ungeimpft…Gefühle halt) vor die Kameraflinte kommt. Solange es keine Pflicht gäbe, könne sie selber entscheiden, weiß Lenka, 30, die gesund und fit ausschaut, beneidenswert jung und wahrscheinlich wenig coronagefährdet ist.
Solange es keine Pflicht sei? Na, wenn das nicht nach einem Wunsch klingt…das ZDF kann da ja mal bei der Politik nachfragen, ob der Lenka nicht zu helfen ist. Auch David ist ungeimpft und plaudert mit Luisa Houben über den Nutzen der Impfung. Reisen, Restaurants, normales Leben, wäre das nicht schön? Houben, die Maske selbst draußen bis unter die Großhirnrinde gezogen, versteht die Skepsis nicht. Ob wenigstens sie sich frei fühlt, weil sie doch geimpft ist? Es sieht nicht so aus.
Sie fragt Katrin Schmelz, eine Psychologin und „nugde, nudge” Verhaltensökonomin um Rat. Die spricht zunächst darüber, wie die Menschen in den Lockdowns das Vertrauen in die Regierung und damit auch ihre Impfbereitschaft verloren haben. Auch der angedrohte Zwang, der eine Kontrollaversion auslöse, spiele eine Rolle. Was soll ich sagen, diese Frau kennt mich! Unter Kontrollaversion leide ich seit Jahrzehnten! Schon meine katastrophalen Noten im verhassten Russischunterricht in der DDR sprechen da Bände!
Doch dann das Rezept von Katrin Schmelz, oh Jeh! „Mehr Überzeugungsarbeit, mehr positive Berichterstattung über die Impfung…das stecke an“ – das ZDF sollte wirklich mal darüber nachdenken, positiv über die Impfung zu berichten, statt immer nur Skeptiker zu Wort kommen zu lassen! Man könnte doch zur Abwechslung mal Karl Lauterbach einladen…! Aber wenn ich das richtig verfolgt habe, versuchen sich ARD und ZDF schon seit Monaten als „Superspreader“ in dieser Sache, ohne dass der Funke so überspringt, dass es selbst einen Lauterbach entflammt.
Schmelz setzt jedenfalls auf Herdentrieb zur Erlangung der Herdenimmunität: „Die Impfung muss doch was Gutes sein, wenn sich so viele Menschen freiwillig dafür entscheiden“. Das Argument ist so alt, wie Fliegenschwärme sich zur Mahlzeit auf Misthaufen versammeln und so falsch wie die Annahme, dies sei der Beweis für guten Geschmack. Versöhnlicher wird es am Schluss, wenn man nochmal der Schweizer Ethikerin zuhört. Das Gegenüber als Menschen sehen und nicht als Bedrohung, fordert sie. Ihn verstehen wollen, ihm zuhören, dem Anderen. Da bin ich gern dabei, denn ich verstehe jeden, der sich hat impfen lassen. Die einen aus Sorge, die anderen aus Angst, wieder andere aus rationaler Abwägung oder weil sie wieder in einen Flieger steigen müssen. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung muss aber niemand mit mir, der Regierung oder dem ZDF verhandeln, sondern nur mit sich selbst. Niemand sei zu einer Impfung verpflichtet, aber alle dazu, sich mit dieser Option auseinanderzusetzen, so Ruth Baumann-Hölzle. D’accord! Das zumindest kann ich unterschreiben.
Es hätte ein schöner Abschluss für einen sonst tendenziösen, oberflächlichen Film sein können, wenn am Ende nicht noch der Hinweis auf das „Literaturverzeichnis“ in der Beschreibung des Videos gefolgt wäre. Hier endet der Diskurs, das „miteinander reden“ schnell wieder, die üblichen Verdächtigen, Sanson, Dumas und Robespierre, übernehmen ab hier. Die vom ZDF empfohlenen Links: Das RKI, der Gesundheitsminister, die Bundesregierung.
Quelle: unbesorgt.de
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