Elon Musk wird gerne zu Interviews eingeladen und geht auch gern hin. Und er sorgt zur Freude seiner Moderatoren immer für absolute Ausreißer, schockierende Fehlleistungen, Paukenschläge und Überraschungen. Mal benimmt er sich gründlich daneben, mal bekifft er sich während des Interviews, mal erzählt er Seemannsgarn, mal überrascht er mit unglaublich klingenden Plänen, die er bisweilen tatsächlich umsetzt. Und nicht immer erfreuen diese Pläne die weltweit tonangebende Clique von globalen Billionären, den ihnen (unt)ergebenen Regierungen und die ihnen gehörende, folgsamen Weltpresse.
Die „Inspiration4-Mission“, bei der die Weltraumtouristen in Elon Musks Raumfahrzeug Space‑X aus der Erdatmosphäre ins All geschossen wurden, machte Schlagzeilen. Kurz vorher war es Jeff Bezos, der Gründer von Amazon gewesen, der mit seinem Bruder und einem zahlenden Passagier den Flug ins Weltall machte. Elon Musk war immerhin so nobel, den zweiten Platz zu verlosen. Aber vielleicht auch nur, weil er keinen Bruder hat.
Jedenfalls ist die Freude über die Raumfahrer-Milliardäre unten auf der Erde relativ verhalten. Der glückliche Gewinner der Lotterie des Herrn Musk heißt Chris Sembroski, und wir freuen uns ja mit ihm, dass er als kleiner Normalo-von-nebenan so etwas erleben darf. Dass er wie wild mit seinem Smartphone herumfotografiert hat, ist nachvollziehbar. Auch die Begeisterung und die Ehrfurcht vor dem, was man das Privileg hat, zu sehen.
Ein Video der gesamten Weltraumreise ist auch auf Youtube zu sehen und dauert über vier Stunden. Nichtsdestotrotz ist es schon fast vier Millionen mal angeschaut worden. Wenn Elon Musk es monetarisiert hätte, wäre er wahrscheinlich schon davon Millionär.
Doch es gibt auch eine Menge Kritik. Die 200 Millionen Dollar, die diese Spritztour aus dem Orbit heraus gekostet hat, ist dabei noch das Wenigste. Die Trägerrakete, die Falcon-9-Rakete, die das Raumschiff in den Orbit katapultierte, verbrennt tonnenweise Treibstoff und produziert dabei 387 Tonnen CO2-Äquivalente, die in die Erdatmosphäre entlassen werden. Das entspricht 120 Flügen über den Atlantik. Nun könnte man natürlich sagen, das ist gar nicht so viel und wird normalerweise an jedem Tag im Jahr von den üblichen Langstreckenflügen in der Atmosphäre verblasen. Stimmt schon. Trotzdem ist das nicht gerade ein leuchtendes Beispiel für die Menschheit. Nur … das war offensichtlich auch noch nie die Handlungsmaxime für Elon Musk. Auch nicht für Jeff Bezos. Scheiß auf Klimaneutralität. Fuck climate neutrality.
Die Langstreckenflüge spielen sich aber nur in den unteren Schichten der Erdatmosphäre ab. Die Stratosphäre und Ionosphäre darüber funktionieren vollkommen anders. Ab 15 Kilometern Höhe haben wir extrem dünne Gasschichten, die kaum mit den darunterliegenden interagieren und vollkommen eigene Strömungen aufweisen. Daher bleiben Fremdstoffe darin jahrelang erhalten und wandern in dieser Schicht rund um den Erdball, ohne abgebaut zu werden. Was das für das Klima und die Ozonschicht bedeutet, ist unbekannt. Selbst Experten wissen da nicht viel. Messungen von militärischen Stratosphärenflügen sind äußerst rar und die dabei ausgestoßenen Mengen sind nur ein Bruchteil der gewaltigen Treibstoffmengen, die eine Falcon‑9 ausstößt.
Vergessen wir nicht, dass Elon Musks „Starlink-Projekt“ allein 40.000 Satelliten für die 5G-Frequenzen in den Orbit bringen will – und die werden mit solchen Raketen hochgeschossen. Das bedeutet mehrere Raketenstarts pro Tag. Nicht nur durch den Raketentreibstoff gelangen dann massenhaft Aluminiumoxid-Partikel in die Atmosphäre. Auch Satelliten, die ihren Dienst getan haben, werden natürlich nicht mehr eingesammelt, sondern man lässt sie in der Atmosphäre verglühen, was noch mehr Aluminiumoxid erzeugt. Die Gestelle der Satelliten sind zum großen Teil aus Aluminium, weil es ein leichtes Metall ist und weniger Treibstoff zum Hochschießen gebraucht wird. Auf der Oberfläche dieser Aluminiumoxid-Teilchen entstehen Stoffe, die die Ozonschicht schädigen.
Vielleicht könnte man es aber unter der Rubrik „es bringt die Menschheit technisch nach vorne“ verbuchen. Denn Elon Musk hat es zumindest geschafft, die größte und stärkste Rakete jemals zu bauen und einzusetzen.
Das macht er nämlich nicht nur zur Gaudi. Herr Musk mag sehr extravagant sein – um es vorsichtig auszudrücken. Aber er ist extrem geschäftstüchtig. Er hat sehr viel weitreichendere Pläne. Er will den Mars kolonialisieren, was er auch gerne kundtut und auch erläutert, wie er das in Rekordzeit machen will.
Dabei ist sich Herr Musk durchaus bewusst, dass der Mars zwar ein erdähnlicher Planet ist, aber ziemliche Hürden bietet auf dem Weg zur Kolonisation. In einem Interview in Stephen Colberts Late Night Show erörterte Elon Musk die Möglichkeiten, aus dem extrem kalten Mars mit seiner äußerst dünnen Atmosphäre einen bewohnbaren, kuscheligen Planeten zu machen.
Wie die Seite Scienceblog vorrechnet, wäre Terraforming auf dem Mars eine extrem aufwändige und generationenlange Arbeit mit hohem Ungewissheitsrisiko. Man müsste das in Gesteinen gespeicherte CO2 freisetzen und das Trockeneis an den Polen, was ja gefrorenes CO2 ist, auftauen (es wird nicht flüssig, sondern sofort zu Gas) und dann abwarten, bis es den Planeten aufgeheizt hat und derweil auch wieder in den Gesteinsschichten gefrorenes CO2 dazu kommt. Auf die Frage, wie er das denn schneller bewerkstelligen könne, antwortet Elon Musk auf die ihm eigene, brutal offene und schnörkellose Art: Mit jeder Menge Wasserstoffbomben. Die müssen eine nach der anderen über den Marspolen, also über den riesigen Reservoires an Trockeneis gezündet werden, so, dass das Eis stark erhitzt und zu Gas wird und zwar ratzfatz. Herr Musk möchte nämlich nicht ein paarhundert Jahre warten, sondern selbst in höchsteigener Person Marskolonist werden. So twittert er auch kurz, knapp und munter „Nuke Mars!“ (Heißt in etwa: Beschießt den Mars mit Atombomben!)
Und weil er das so großartig findet, lässt er auch noch ein T‑Shirt mit dem Slogan bedrucken, was man in seinem SpaceX-Shop kaufen kann.
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