Ich bremse (noch) für Ungeimpfte…

…oder: Wie meine 12-jährige Nichte lernte, die Spritze zu lieben / Erin­ne­rungen aus der nahen Zukunft

(von Maria Schneider)

Am bewe­gendsten ist dann die Heilige Weihe: Jeder Neu­ver­impfte („Impfi“) schwört den Impfeid und dass er seine Impf­ge­mein­schaft gegen alle Angriffe ver­tei­digen wird – not­falls mit Waf­fen­gewalt. Der Höhe­punkt ist die Ver­leihung des Impf­an­ste­ckers, so dass wir uns jederzeit unter den Impf­ver­wei­gerern erkennen können. Mir wird dabei jedes Mal ganz warm um’s Herz und ich muss sogar ein bisschen weinen.

Lange habe ich mir überlegt, ob es die Unge­impften wert sind, dass man für sie bremst, um dann zu fol­gender Erkenntnis zu kommen: „Ja, noch kann ich für sie bremsen, denn noch stehen sie in unserer schönen, neuen Impf­ge­sell­schaft knapp über dem alten, weißen Mann — und für den hat Janet Eva­novich in ihrem Roman „Ich bremse auch für Männer“ schließlich auch den Fuß vom Gas genommen.

Allerding spielt auch die Zeit und das Benehmen der Unge­impften eine Rolle. Sollten die Unge­impften sich wei­terhin her­aus­nehmen, ihre Wohnung zu ver­lassen, Bahn zu fahren oder es gar wagen, Essen ein­zu­kaufen, wird es all­mählich kritisch.

Ganz ehrlich – ich ver­stehe dieses Trotz­ver­halten auch wirklich nicht: Was ist denn schon dabei, sich drei kleine Pikser geben zu lassen? Uschis Glas hat’s getan, Jensi Spahn ist mit gutem Vorbild vor­an­ge­gangen, der Ter­mi­nator Arnold Schwar­zen­egger hat sich über­glücklich in eine Impf­schlange ein­ge­reiht, ohne seine Ste­ro­id­muskeln spielen zu lassen. Auch Jane Fonda verzog keine Miene im straff gezo­genen Gesicht und ver­si­cherte: „Es tut nicht weh“. Was wollt Ihr Unge­impften eigentlich noch an Beweisen?

Ange­sichts solcher Starr­köp­figkeit war ich daher ziemlich froh und erleichtert, dass die Kas­sen­ärzt­liche Ver­ei­nigung Baden-Würt­temberg Euch Impf­ver­wei­gerern endlich mal so richtig gezeigt hat, wo die Spritze hängt: Für Eures­gleichen soll es nämlich nur noch Sprech­stunden von 07:00 — 07:10 Uhr geben.

Geimpft, gehirn­ge­wa­schen und gehorsam

Wenn es nach mir ginge – und ich finde, das sollte es, denn ich bin 3 Mal geimpft, gehirn­ge­wa­schen und gehorsam und gehöre damit zum über­le­genen Kreis der 3G-Men­schen – dann ist jede Minute dieser ratio­nierten 10 Minuten eine Minute zuviel für Euch. Wie könnt Ihr Euch über­haupt erdreisten, uns auch noch diese 10 Minuten nehmen? Habt Ihr nicht schon genug ange­richtet? Reichen Euch etwa die Schul­schlie­ßungen, die zer­störten Lie­fer­ketten und nicht zuletzt an die 15 zusätz­lichen Kilo, die ich wegen Home Office mit mir her­um­schleppe, immer noch nicht? Und das alles nur, weil ihr Angst vor einem kleinen Piks habt.

Mil­lionen Men­schen und ich haben uns derart soli­da­risch im Gleich­schritt impfen lassen, dass sogar Stalin und Mao vor heller Freude Rin­gel­reihen getanzt hätten. Und Ihr? Macht alles kaputt. Schert aus. Wollt Euch nicht ein­reihen in unsere Gemeinschaft.

Was ist nur los mit Euch? Warum könnt Ihr nicht einfach mal Maul halten, Ärmel hoch, Stich ‘rein und gut ist? Warum braucht Ihr immer eine Extra-Brat­wurst? Warum zweifelt Ihr soviel? Der Staat sorgt sich um unsere Gesundheit. Sonst gäbe er uns doch nicht all diese Impf­dosen umsonst. Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, dann fragt doch einfach mal Jensi, wann er das letzte Mal seit Corona ent­spannt mit seinem Mann in der Villa kuscheln konnte. Wahr­scheinlich weiß er schon gar nicht mehr, wie die Villa von innen aus­sieht. Und warum? Weil Ihr Euch quer stellt.

Klar habe ich auch eine Weile gezweifelt. Aber dann habe ich meine geimpfte Schwester besucht und gesehen, wie super der Zusam­menhalt in der durch­ge­impften Nach­bar­schaft dort ist. Jeder Häu­ser­block hat einen Impfwart, der auf­passt, dass sich auch alle gut ver­tragen und keiner irgend­welche Ver­schwö­rungs­theorien erzählt. Es gibt sogar ein kleines Impf­schwein und jedes Mal, wenn jemand Schimpf­worte wie „Elite“, „Neue Welt­ordnung“, „expe­ri­men­teller Impf­stoff“, „Great Reset“ oder andere schmutzige Wörter sagt, muss er 10 Euro in das Schweinderl geben. Da kommt schon ordentlich was zusammen. Und dann, am Ende jeden Monats, macht die Gemein­schaft mit dem Geld so richtig einen drauf – mit Bionade, Africola, Gemü­se­brat­lingen und coolen, selbst­ge­ba­ckenen Hafer­keksen. Alle setzen sich in der Däm­merung ans Lager­feuer, spielen Gitarre und singen die neu­esten Schlager über Glücks­imp­fungen, Ehen im Impfheim und Geimpfte, die sich schweren Herzens von ihren unge­impften Partnern trennen mussten, weil sie ihnen einfach nicht mehr auf Augenhöhe begegnen konnten.

Bewe­gende Impfweihe

Am bewe­gendsten ist dann die Heilige Weihe: Jeder Neu­ver­impfte („Impfi“) schwört den Impfeid und dass er seine Impf­ge­mein­schaft gegen alle Angriffe ver­tei­digen wird – not­falls mit Waf­fen­gewalt. Der Höhe­punkt ist die Ver­leihung des Impf­an­ste­ckers, so dass wir uns jederzeit unter den Impf­ver­wei­gerern aus­machen können. Mir wird dabei jedes Mal ganz warm um’s Herz und ich muss sogar ein bisschen weinen.

Tja, leider gibt es dann immer noch Euch — die Impf­ver­wei­gerer. Ihr seid eine ständige Bedrohung für unsere Gemein­schaft — so wie meine Nichte damals. Auch sie hat auf die harte Tour lernen müssen, dass mit unserer schönen, neuen Gemein­schaft nicht zu spaßen ist.

Ich weiss gar nicht mehr, wer Klara damals – sie ar 12 Jahre alt — so kurz vor ihrer Impf­weihe diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Jeden­falls kam sie eines Tages nach Hause und erzählte von einem Jesus und seinen 10 Geboten. Ständig ritt sie auf dem ersten Gebot „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ und dem fünften Gebot „Du sollst nicht töten“ herum. Sie bezeichnete unsere Impf­parties als Göt­zen­dienst und warf uns vor, den Tod von Unge­impften bil­ligend in Kauf zu nehmen. Nur weil einige von uns immer mal im Scherz sagten, dass man sie kom­plett ächten oder erschießen solle. Ich meine, wo bleibt der Humor? Kann man denn jetzt gar nichts mehr sagen?

Na ja, wir haben jeden­falls gleich diesen Jesus zur Fahndung aus­ge­schrieben. Aber außer ein paar halb­senilen Greisen in den Ver­wahr­an­stalten für nutzlose Esser hatte noch nie jemand von diesem Mann gehört. Meine Nichte aber wurde immer sturer. Sie wollte nichts mehr von der Impf­weihe hören, ver­bar­ri­ka­dierte sich in ihrem Zimmer und las ständig in einem dicken Buch. Schließlich wussten wir uns nicht mehr anders zu helfen, als sie richtig ein­zu­sperren und auf eine drei­tägige Nulldiät zu setzen.

Ich fand die Spritze gut

Aber auch das half nichts. Statt dessen sagte sie ständig ein Gedicht mit einem „Hirten“ und einer „Wäsche­mangel“ auf. Manchmal weinte sie auch und bat mich um Hilfe. Aber was hätte ich tun sollen? Und warum? Ich fand die Spritze gut. Sie hatte mir meine Freiheit wie­der­ge­geben und eine neue Gemein­schaft geschenkt. Außerdem hatte ich Klara vor ihrer Impf­weihe mehrmals erklärte, dass sie als Unge­impfte all ihre Frei­heiten ver­lieren und aus der Gemein­schaft aus­ge­stoßen werden würde, wenn sie sich der Hei­ligen Weihe verweigerte.

Um ihr also die Ent­scheidung zu erleichtern, beschallten wir Klara als nächsten Schritt drei Tage lang mit Lau­ter­bachs Vor­trägen, die er eigens für Impf­ver­wei­gerer in seiner weg­wei­senden „Praxis der Impf­pro­pa­ganda“ ent­wi­ckelt hatte. Auch dies war leider nicht von Erfolg gekrönt, da Klara Tag und Nacht über ihre AirPods das indi­zierte Stück „Hal­leluja“ von einem gewissen Heiner hörte, während meine Schwester und ich uns ständig darüber in den Haaren lagen, wer Lau­terbach — mit dem wir seit Jahren ein sehr herz­liches Ver­hältnis pflegten — als Partner haben darf, wenn unsere Männer verstürben.

Inzwi­schen war uns klar geworden, dass meine Nichte eine besonders harte Nuss war und so griffen wir zu Plan B. Für solche hart­nä­ckigen Fälle hatten wir gemeinsam mit den anderen trans­for­mierten 3G-Eltern Schwar­zen­eggers Ter­mi­nator-Training für schwer impfbare Kinder besucht. Die gesamte Nach­bar­schaft hatte zusam­men­gelegt, Schwar­zen­eggers Impf­aus­rüstung gekauft und bereits erfolg­reich bei allen Kindern ange­wandt – bis auf meine Nichte, was uns ganz besonders peinlich war. Ach­teten wir doch sonst stets darauf, absolut konform und auf Linie zu sein.

Nach drei Tagen Essens­entzug und Lau­ter­bach­be­schallung gingen wir davon aus, dass meine Nichte aus­rei­chend geschwächt und leicht zu über­wäl­tigen sein würde. Mein Mann, der nach seiner Impfung seine Ram­bo­seite erst so richtig ent­deckt hatte, konnte es kaum erwarten, den Ter­mi­nator-Rambock ein­zu­setzen. Gesagt, getan. Die Tür brach aus den Angeln und wir stürmten in Klaras Zimmer, wo sie klein und zusam­men­ge­sunken in der Ecke saß und immer noch das Hirten-Gedicht vor sich hin mur­melte. Irgendwie tat sie mir sogar ein bißchen leid, aber ich schob das Gefühl schnell bei­seite, denn ich wußte einfach, dass es ihr nach der Weihe so viel besser gehen würde.

Daher fackelte ich nicht lange, zog ihre Beine nach vorne und setzte mich schnell auf sie. Meine Schwester presste ihre Arme nach unten und mein Mann stopfte ihr eine extra­käsige Socke in den Mund. Und dann – endlich – rammte ihr mein Schwager die Impf­spritze so richtig doll durch den Oberarm, wor­aufhin sie fast unver­züglich ihren Wider­stand aufgab und so sanft wie ein Opferlamm wurde.

Sanft wie ein Opferlamm

Wir wussten aus frü­herer leid­voller Erfahrung, dass die Spritze manchmal die Wirkung ver­fehlte und die neuen Impfis ver­suchen würden, sich bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen. Deshalb wandten wir seither eine Sicher­heits­vor­kehrung an und schoren die Haare von den Impfis. Auch Klaras lange blonden Haare fielen dem Rasierer zum Opfer, damit jeder in der Impf­ge­mein­schaft erkennen konnte, dass sie ein zu beauf­sich­ti­gender Neu-Impfi war. Schon nach ein paar Wochen würde von dem ver­wirrten, trot­zigen Mädchen, das von Geboten, Hirten und Wäsche­mangeln gefaselt hatte, nichts mehr übrig sein und Klara würde sich wie neu­ge­boren fühlen.

Natürlich fragt man sich nach solch einem Aufwand immer: Warum nicht gleich so? Denn heute sind Klara und ich die aller­besten Freun­dinnen. Jeden Tag backen wir Eier­kuchen und treffen uns regel­mäßig mit den Nachbarn zu Hetz­jagden auf Unge­impfte. Das stärkt das Zusam­men­ge­hö­rig­keits­gefühl und ist so eine Gaudi — das könnt Ihr Euch gar nicht vorstellen.

Ja — endlich gehöre ich wieder zu einer Gemein­schaft. Und so etwas Ein­zig­ar­tiges, Kost­bares lasse ich mir von Euch Unge­impften nicht wieder weg­nehmen. Des­wegen kann ich Euch nur warnen. Noch bremse ich für Unge­impfte. Aber je länger ihr meine Gemein­schaft und Freiheit bedroht, desto mehr ver­liere ich meine Geduld mit Euch. Wenn Ihr also weiter so bockig seid und die Heilige Impf­weihe ver­weigert, wird uns eines Tages nichts anderes übrig bleiben, als mit dem Fuß auf dem Gas­pedal zu bleiben und Euch einen kleinen Stubs zu ver­setzen. Zum kleine Piks ist es dann nicht mehr weit. Und zu guter Letzt werdet Ihr dann wie ich und meine Nichte Klara lernen, die Spritze zu lieben. Und dann – endlich – wird alles wieder gut und wir werden uns alle wieder lieb­haben und zusammen singen und backen und werden endlich wieder glücklich sein.

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Maria Schneider ist freie Autorin und Essay­istin. In ihren Essays beschreibt sie die deutsche Gesell­schaft, die sich seit der Grenz­öffnung 2015 in atem­be­rau­bendem Tempo ver­ändert. Darüber hinaus ver­fasst sie Rei­se­be­richte und führt neben ihrer Berufs­tä­tigkeit seit November 2020 den Blog Con­servo, der 2010 von Peter Helmes gegründet wurde. Kontakt: Maria_Schneider@mailbox.org